Als Sotheby’s am 18. November 2025 Gustav Klimts „Bildnis Elisabeth Lederer“ für 236 Millionen Dollar versteigerte, wurde nicht nur im Auktionssaal im New Yorker Breuer Building hörbar durchgeatmet. Den Zuschlag – der zweithöchste nach dem 450-Millionen-Spektakel für den „Salvator mundi“ bei Christie’s 2017 – sahen manche als Zeichen, dass sich ein schwächelnder Markt stabilisieren könnte.
Auch die 54,7 Millionen Euro (ebenfalls bei Sotheby’s) für Frida Kahlos „El sueño (La cama)“, ein neuer Rekord für das Werk einer Künstlerin, sendeten ein ermutigendes Signal in einen Markt, der weibliche Positionen lange stiefmütterlich behandelt hat. Die in Edelmetall gegossene Toilettenschüssel „America“ von Maurizio Cattelan wurde für 12,1 Millionen Dollar versteigert. Dass dieses Werk kaum über den reinen Goldwert gesteigert wurde, ist ein Hinweis darauf, dass in diesem Geschäft weiterhin reichlich Geld im Umlauf ist – sogar für Werke, deren Kunstwert gegen null geht.
Diese Aufmunterung konnte die Branche dringend gebrauchen: Nach zwei Boomjahren infolge der Pandemie, in denen sich der Markt rasant digitalisierte und überraschend widerstandsfähig zeigte, kam 2023 die „Neuanpassung“, wie es der Kunstmarktbericht der Preisdatenbank Artprice diplomatisch nannte, und 2024 die Ernüchterung.
Der Gewinn im globalen Kunstauktionsmarkt sank um ein Drittel auf 9,9 Milliarden Dollar. Laut „Art Basel & UBS Art Market Report“ setzten sich die Rückgänge fort: Die Erlöse bei Auktionen schrumpften um mehr als 20 Prozent, der Gesamtumsatz von 23,4 Milliarden Dollar markierte den niedrigsten Stand seit 2020. Die Herbstrekorde in New York sind womöglich nur Ausreißer – psychologisch aber wichtig, jedenfalls für den Sekundärmarkt.
Doch auch der Primärmarkt der Galerien, die zeitgenössische Künstler vertreten und atelierfrische Ware auf die Kunstmessen bringen, ist verunsichert. Politische Krisen vom Ukraine-Krieg bis zum Nahost-Konflikt, dazu wirtschaftliche Ungewissheit und Isolationstendenzen der USA – all das hinterlässt Spuren auch im Kunsthandel.
Galeriensterben oder Marktbereinigung?
In den vergangenen Monaten war schon vom „Galeriensterben“ die Rede. Tatsächlich haben zahlreiche namhafte Galerien primär in New York geschlossen. Schon 2021 erklärten die Gründerinnen von Metro Pictures ihren Rückzug wegen „Veränderungen des Ökosystems“. 2023 verkündete David Lewis seine Galerien aufgrund des „wirtschaftlichen Drucks“ aufzugeben. 2024 folgte die international agierende Marlborough Gallery nach 80 Jahren im Geschäft. In diesem Jahr waren es die Blue-Chip-Galerie Blum, aber auch die Sammlergalerie Venus Over Manhattan sowie die Programmgalerie Clearing, welche die Segel strichen. Zuletzt gab auch Angela Westwater bekannt, dass die von ihr mitgegründete Galerie Sperone Westwater keine Zukunft mehr habe.
Besonders schmerzhaft: das Verschwinden kleiner und mittlerer Galerien, die entscheidend für Nachwuchsförderung sind – ein Beispiel war die ambitionierte Simone Subal Gallery. Das Branchenmagazin „Artnet News“ legte gerade nach – mit einem sarkastisch betitelten Ratgeberartikel: „How to Close Your Gallery“.
Während New York unter Druck steht, bereitet sich eine andere Stadt auf ihren Auftritt vor: Miami, wo mit der Art Basel Miami Beach die bedeutendste Kunstmesse der USA ihren Standort hat. US-Präsident Trump befeuerte die Narrative, als er Miami jüngst als „Zuflucht für New Yorker“ pries, die sich vor der Amtsübernahme des frisch gewählten linken Bürgermeisters Zohran Mamdani fürchteten. Die symbolische Ebene der Messe könnte politischer kaum sein.
Vom 4. bis 7. Dezember wird Miami Beach erneut zum Zentrum der Kunstwelt. Einfache Besucher zahlen 88 Dollar für ein Tagesticket, VIPs bis zu 4500 Dollar für den „Premium Discovery Pass“. Galerien investieren hohe fünfstellige Beträge oder mehr allein für die Standmiete – hinzukommen Transport, Versicherung, Hotels, Personal. Eine einzige Messe kann über das wirtschaftliche Überleben eines Unternehmens im Kunsthandel entscheiden.
Doch die Ausstellerliste zeigt, wie angespannt die Branche ist: Einige Galerien haben ihre Teilnahme abgesagt. Altman Siegel und Tilton sind nicht mehr dabei – sie haben mittlerweile geschlossen. Andere renommierte Aussteller wie Chantal Crousel (Paris), Alison Jacques (London), Peter Kilchmann (Zürich), der Blue-Chip-Händler Edward Tyler Nahem (New York), Luisa Strina (São Paulo) oder Lia Rumma (Mailand) sparen sich den Besuch in Florida in diesem Jahr. Öffentlich äußert kaum jemand Gründe. Nur der New Yorker Händler Miguel Abreu, der dieses Mal ebenfalls fehlt, sagt offen: „Drei Messen im Herbst – das ist zu viel.“
Tatsächlich ist der Kalender brutal: Frieze London und Art Basel Paris im Oktober, Artissima Turin, Art Cologne und Paris Photo im November. Dass bei Teilnehmern wie Besuchern Messemüdigkeit grassiert, überrascht kaum.
Der Veranstalter – die Schweizer MCH Group – hingegen will von Messemüdigkeit nichts hören. Er beruft sich auf Daten aus den im Auftrag von Art Basel und des Hauptsponsors UBS jährlich beauftragten Kunstmarktberichten, etwa dem aktuellen „Survey of Global Collecting“: Der Anteil der Messekäufe – unter sehr vermögenden Sammlern – sei sogar gestiegen. Der Anteil der Galerien, die 31 Prozent ihres Umsatzes über Messen erzielen, liege höher als im Vorjahr.
Und: Von den gut 280 Galerien seien 220 „Rückkehrer“. Veränderungen seien „üblich“. Man prüfe zudem flexiblere Rücktrittsmodelle und Versicherungslösungen, um den Risiken der Zeit entgegenzukommen. Das Ziel der Messe sei klar, so deren Sprecherin, „eine starke, verlässliche und zukunftsorientierte Partnerschaft zwischen Veranstalter und Galerie zu gewährleisten“.
Verfolgt man die Verkaufszahlen, die von vielen Galerien nach jedem Messetag veröffentlicht werden, fällt auf, dass in jüngster Zeit auch Abschlüsse im niedrigen fünf- und vierstelligen Bereich genannt werden – Preissegmente, die früher kaum Erwähnung fanden. Die Messe bestätigt diesen Trend: Der Markt befinde sich „in einem komplexen, zyklischen Umfeld“. Das Spitzensegment stehe unter Druck, doch Transaktionszahlen und untere wie mittlere Preisbereiche entwickelten sich dynamisch. Für die Art Basel gehe es nun darum, „Zugänge zu erweitern, Chancen zu schaffen und sicherzustellen, dass Galerien aller Größen nicht nur teilnehmen, sondern in diesem globalen Ökosystem wachsen können“.
Der Kunsthandel wird wieder regionaler
Auch der politische Kontext wirkt: Die sprunghafte Handelsagenda der US-Regierung sorgt für Irritationen, Gegenzölle treffen bereits Kunstwerke (etwa im Zollstreit mit Kanada). Der vormals globalisierte Kunstmarkt könnte plötzlich wieder regionaler werden. Auf der Art Basel Miami Beach deutet sich das bereits an, noch nie nahmen so viele Galerien aus Miami und dem südlichen Florida teil wie in diesem Jahr.
Im Wanderzirkus der Kunsthändler und Kunstsammler war Miami lange der Standort der guten Laune. Im pastellbunten Design District wurden rauschende Partys gefeiert. Am endlosen Sandstrand fanden aufsehenerregende Aktionen statt. Das Convention Center wurde zum Scharnier für den Austausch zwischen Nordamerika und Südamerika. Miami stehe weiterhin für „Offenheit“, bekräftigt auch die Messesprecherin, für einen „Sammlermarkt mit globaler Perspektive“. In der kommenden Woche wird sich zeigen, ob dieses Versprechen gehalten werden kann.
Eine Alternative bereitet die Art Basel derweil schon vor. Im Februar findet erstmals eine ihrer Messen in Doha (Katar) statt. Die Golfregion wird damit einmal mehr strategisch aufgewertet und steigt politisch wie finanziell zur Kunstmacht auf: Das Emirat Abu Dhabi war 2024 mit einer Milliarde Dollar bei Sotheby’s eingestiegen; die Frieze folgt dem Trend mit einer Kunstmesse in Abu Dhabi – im November 2026.
Noch ein Termin im überfüllten Messeherbst? Wer soll da nicht müde werden?
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