Als der Künstler Kai Althoff seinem Galeristen Alexander Schröder von der Berliner Galerie Neu sagte, er würde gerne mal in Italien ausstellen, fackelte dieser nicht lange. Doch statt mit den anderen Kunsthändlern nach Mailand zu strömen, wo die Lebenshaltungskosten gerade durch die Decke gehen, oder nach Rom, wo man vor lauter Touristen nichts anderes mehr sieht, durchforstete Schröder das Angebot in Genua – und wurde fündig.

In einem prächtigen Palazzo von 1572 mitten in der wuseligen Altstadt hat er ein Apartment behutsam und unglaublich geschmackvoll renoviert. Trotz ihrer barocken Baudenkmäler wirkt die Hafenstadt in Ligurien sonst eher trashig, liegt aber auch gerade deshalb bei einer Handvoll von Künstlern und Architekten im Trend. Nun besitzt Genua ein verstecktes Juwel für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst.

Doch „nervi delle volpi“ ist keine direkte Dépendance der Galerie. Und nein, obwohl Italien neuerdings nur fünf Prozent Mehrwertsteuer auf Kunstwerke erhebt – der niedrigste Satz in Europa – und mit enormen Steuervorteilen Wohlhabende ins Land lockt, behalten die Galerie Neu und auch Alexander Schröder ihren Sitz in Berlin. Anders als sein Geschäftspartner Thilo Wermke hatte Schröder schon immer ein Faible für individuelle Räumlichkeiten, in denen er auch seine Kunstsammlung zeigt, wenn er Teile daraus nicht gerade – wie kürzlich 63 Werke an die Hamburger Kunsthalle – verschenkt.

Händchen für originelle Räume

„Standbein, Spielbein“, nennt Schröder seine Doppelrolle als Galerist und Sammler, der bereits in Kreuzberg lange Zeit einen großbürgerlichen Schauraum betrieb, während die Galerie sich in einem alten Trafohäuschen zwischen Plattenbauten in Berlin-Mitte versteckt. So ist auch „nervi delle volpi“ seit Kurzem ein eigenständiger Ort, an dem nicht eins zu eins das Galerieprogramm durchdekliniert wird.

Der Name samt Logo ist Althoffs Erfindung, denn er taucht gerne wie ein Fuchs an ungewöhnlichen Orten auf. Unvergessen ist seine Schau 2018 in einer chinesischen Shoppingmall an der Lower East Side von New York. Und die Sammler werden sofort nervös, sobald es Aussicht auf neue Ware gibt.

Zuletzt war bei „nervi delle volpi“ Kunst aus Schröders Bestand zu sehen, gepaart mit solcher aus der Sammlung des norwegischen Entdeckers und Autors Erling Kagge, der jüngst ein Buch über den Nordpol veröffentlicht hat. Im Zentrum stand eine Installation des Künstlers Caspar Heinemann, Jahrgang 1994, mit dem Titel „Festival of Lights“. Bestehend aus acht kleinen Elektroöfen mit Flammeneffekt, haben sie die beiden Sammler gemeinsam gekauft. Die eleganten und – wie in Genua oft üblich – in strengem Schwarz-Weiß gehaltenen Räume waren in ein gemütlich leuchtendes Rot getaucht, in das man auch Genuas ausschweifendes Rotlichtmilieu hineinlesen kann.

Das Interessante an „nervi delle volpi“ ist diese Mischung aus Noblesse und Understatement – in einer Stadt, die genau dafür steht. Zeitgenössische Kunst ist hier auch in dem weißen Koloss des Palazzo Ducale zu sehen, wo auch die Galerie Pink Summer sitzt. Ansonsten aber befindet man sich abseits jedweden Radars. Mailand ist zwar nicht fern, aber die Anbindung schlecht. Bald soll aber der lang ersehnte Schnellzug kommen, mit dem die Reise nur 45 Minuten dauern wird. Das könne dann allerdings eine Veränderung bedeuten, die Hoffnung und Schrecken zugleich sei, sagt Alexander Schröder.

„Für uns war es interessant, an einen unbefleckten Ort zu gehen“, so der Galerist, „zumal die Immobilienpreise nicht vergleichbar sind mit anderen größeren Städten in Italien. Aber inzwischen spürt man eine gewisse Aufbruchstimmung.“ Ob es auch Kunstsammler vor Ort gibt? Ja, sagt Schröder, engagierte Genueser, von denen viele in Mailand leben. Sie seien neugierig und würden auch kaufen, wodurch sich langsam eine Szene herausbilde. „Dabei hatte ich gar nicht geplant, hier Kundschaft zu finden.“ Aber schaden tut es nicht.

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