Es lohnt sich, einen Blick darauf zu werfen, was Donald Trumps „Filmbotschafter“ gerade tun. Mel Gibson bereitet die Fortsetzung seines „Die Passion Christi“-Films vor, gedreht werden soll ab August in Italien. Sylvester Stallones neuer Film „A Working Man“, gedreht in England, ist in Amerika gerade in die Kinos gekommen. Und Jon Voight hat dieser Tage seinen eigenen Plan zur Rettung der amerikanischen Filmindustrie vorgestellt – in dem allerdings Zölle auf Filme nur unter „gewissen begrenzen Umständen“ vorgesehen sind.

Nun hat der US-Präsident angekündigt, Filme, die im Ausland gedreht werden, mit Zöllen von 100 Prozent zu belegen. Die ersten, die davon getroffen würden, wären also Gibson und Stallone, zwei der wenigen erzkonservativen Anhänger, die Trump im liberalen Hollywood besitzt. Denn die tun nichts anderes als die gesamte amerikanische Filmindustrie: Sie gehen mit ihrem Dreh dorthin, wo sich ihr Film am billigsten herstellen lässt.

Das begann Anfang der Fünfzigerjahre, als der Monumentalfilm „Quo Vadis“ von Hollywood in billige italienische Studios flüchtete, und das hat sich seitdem zu einer Fluchtwelle verstärkt. Mehr als die Hälfte aller US-Filme werden inzwischen – zumindest teilweise – im Ausland gefilmt und ein Viertel sogar komplett. Das ändert allerdings nichts an ihrem „Amerikanischsein“: Drehbücher, Besetzung, Regie, Marketing – alles wird von Hollywood aus kontrolliert.

Man könnte, als beliebiges Beispiel, einen Blick auf die jüngsten Marvel-Filme werfen. Das Brooklyn in „Captain America: The First Avenger“ steht in Wirklichkeit in Manchester. „Iron Man 2“ hat ausführliche Szenen beim Grand Prix von Monaco. „Thor: The Dark World“ findet in London und auf Island statt. In „Guardians of the Galaxy“ sieht man Lüttich und London. Die Schlachten von „Avengers: Age of Ultron“ fanden in den Pinienwäldern des englischen Bourne Wood und im italienischen Aosta-Tal statt. Drehorte von „Captain America: Civil War“ findet man am Berliner Sony Center und am Leipzig/Halle-Flughafen.

Und so weiter und so fort. Es gibt kaum eine Branche, die internationalisierter ist als die Filmindustrie. Das gilt nicht nur für Drehorte, sondern auch für die Finanzierung. Jede Filmproduktion – ob eine aus den USA oder irgendeinem anderen Land der Erde – sieht sich zunächst danach um, wo sie die größten Steuervorteile erhält. Konkret: Wenn ein Film in Kanada oder Australien oder Ungarn oder Deutschland dreht, bekommt er zwischen 20 und 40 Prozent der Ausgaben in diesen Ländern vom jeweiligen Staat zurück.

Das mag auf den ersten Blick dubios klingen, ergibt aber für alle Parteien durchaus Sinn. Der neue Wes-Anderson-Film „The Phoenician Scheme“ etwa, mit Tom Hanks und Scarlett Johansson, der nächste Woche in Cannes Premiere hat, wurde teilweise in den Potsdamer Babelsberg-Studios gedreht. Ein Teil des 30-Millionen-Dollar-Budgets floss also in Löhne für die deutschen Mitarbeiter, in Catering, Übernachtungen, Transport und generierte Steuereinnahmen. In der Regel bringt ein Projekt der Region das Fünffache an Umsatz von dem, was die Filmfirma an Steuervorteilen mitnimmt.

Es ist ein System, von dem jeder profitiert, und es wird weltweit angewendet, vor allem in Kanada, Australien, England und in Zentraleuropa. Hollywood bringt Arbeit – und entzieht damit gleichzeitig diese Arbeit den Vereinigten Staaten. Soweit hat Trump recht. Die Statistik ist in der Tat alarmierend. Im Januar 2023 hatte Los Angeles noch 7476 Drehtage – alle Projekte zusammengezählt - im Januar 2025 waren es gerade noch 5295. Das ist ein Rückgang von fast einem Viertel.

Das lag nicht daran, dass weniger gedreht worden wäre. Nein, die Projekte sind ins Ausland gezogen – oder zu der Konkurrenz im eigenen Land, etwa nach New York oder Atlanta, wo Filmförderung nach europäischem Vorbild betrieben wird. An vielen Studiohallen in Hollywood hängen Plaketten, die den Besuchern erzählen, welche berühmten Filme dort gedreht worden sind. Sieht man sich die Filmtitel genauer an, findet man kaum einen neueren. Die Plaketten reichen nur bis zum Ende der Neunzigerjahre.

Trumps Ankündigung von „100 Prozent Zöllen“ auf Filme, die „in unser Land kommen und im Ausland produziert werden“ spricht von der Ahnungslosigkeit des Mannes, der sie in die Welt gesetzt hat. Filme sind eben keine Waren, die zu einem festen Preis importiert werden. Was US-Studios aus dem Ausland holen, sind keine Fertigkomponenten wie bei Handys oder Autos, sondern Dienstleistungen; ob Zölle auf Dienstleistungen überhaupt erhoben werden können, müsste erst geklärt werden.

Die Konkurrenz würde sich die Hände reiben

Und vor allem: Wenn all die Arbeiten, die Hollywood aus Kostengründen ins billigere Ausland auslagert, ins Inland zurückkommen, werden sie dort ja nicht billiger – es sei denn, das amerikanische Lohnniveau würde sinken. Dass das nicht geschieht, dafür werden die mächtigen US-Filmgewerkschaften schon sorgen. Die einzig mögliche Lösung würde darin bestehen, das Produkt – also den Film – zu verteuern.

Das wiederum wäre fatal, denn es haben sich Alternativen zu Hollywood etabliert. Es gibt die starke französische Filmindustrie, eine starke koreanische, japanische, chinesische. China ist der größte Markt für US-Filme jenseits des inneramerikanischen. Die Einnahmen amerikanischer Filme stammen heute schon zu zwischen 50 und 70 Prozent aus dem Ausland. Die Konkurrenz würde sich die Hände reiben, wenn US-Filme wesentlich teurer würden.

Darin bestünde auch eine Chance für deutsche Produktionen. Es stimmt, der Export deutscher Filme in die USA würde von den Trump’schen Zöllen erschwert. Einerseits jedoch kann man die deutschen Filme, die in Amerika kommerzielles Interesse finden, fast an den Fingern einer Hand abzählen; Ausnahmen wie „Das Boot“ oder „Lola rennt“ oder „Das Leben der Anderen“ bestätigen die Regel. Andererseits könnten US-Filme so teuer werden, dass die Kundschaft in Kino und Streaming auf heimische Produktionen ausweicht; die EU-Kommission würde außerdem über kurz oder lang Gegenzölle auf den „Import“ amerikanischer Filme und Serien erheben.

Probleme für Babelsberg

Wer wirklich Probleme bekäme, wären die europäischen Produktionsstätten, allen voran Studio Babelsberg bei Berlin. Das größte Filmstudio Europas wurde vor drei Jahren von einer amerikanischen Immobiliengesellschaft übernommen, die mehrere Ateliers besitzt, außer in Deutschland auch in Kanada und den USA. Bisher hatte man die Hoffnung, dass die Muttergesellschaft die bei ihr entstehenden Produktionen zwischen ihren Ateliers aufteilen würde; bei einem Inkrafttreten von Zöllen wächst die Gefahr, dass Babelsberg in vielen Fällen leer ausgeht.

Ähnliches gilt für die anderen europäischen Studios in Budapest, Prag oder Wien, die fest mit einem Strom amerikanischer Blockbuster gerechnet hatten, die bei ihnen entstehen würden. Auch für die Münchner Constantin, die als einziges deutsches Unternehmen englischsprachige Kinofilme – wie „Resident Evil“ - für den US-Markt produziert, wären Zölle ein harter Schlag. Und Dutzende von kleineren deutschen Filmfirmen leben davon, dass sie sich als Service-Produzenten für US-Serien und –filme verdingen.

Völlig ungeklärt ist vor allem, was ein Film sein soll, „der im Ausland produziert wird“. Spielbergs „Bridge of Spies“, fast vollständig in Berlin und Umgebung gedreht, würde sicher darunter fallen. Was wäre mit dem nächsten James Bond, der aus Prinzip quer über den Globus jettet? Reichen ein paar Sequenzen, für die man in Europa Steuervorteile kassiert hat, um als „ausländischer Film“ stigmatisiert zu werden? Was, wenn ein Engländer das Drehbuch schreibt und ein Deutscher als Kameramann engagiert wird?

Was meint Trump mit dem Satz „Dies (die Abwanderung von Filmen) ist eine Bedrohung der nationalen Sicherheit. Es handelt sich um eingebaute Botschaften und Propaganda.“ Möglicherweise hat Trump jemand eingeflüstert, für die Erlangung von Steuervorteilen in Deutschland müsse ein Filmprojekt einen „Kulturtest“ bestehen, in den Richtlinien stehe etwas über „Kopftuchfrage“ und „Flüchtlingsthematik“. Das stimmt, nur ist dies lediglich einer von Dutzenden von Testpunkten, die ansonsten komplett unideologisch sind und die nationale Sicherheit der USA allesamt nicht gefährden. Ein Kopftuch im Film ergibt lediglich zwei Punkte, um sich für einen Zuschuss zu qualifizieren, braucht man aber 48. Wenn Filme Ideologie transportieren – was durchaus geschieht – dann sind es Hollywood-Filme, die den amerikanischen Way of Life (and Death) propagieren.

Ob dank neuer Zölle mehr in den Vereinigten Staaten gedreht würde, ist mehr als zweifelhaft. Die erste Reaktion der großen US-Filmfirmen dürfte darin bestehen, die Zahl der Produktion zu verringern. Die Filmauswahl dürfte schrumpfen. Filme, deren Erfolg nicht von vornherein feststeht – also endlose Sequels – dürften immer weniger entstehen.

Die amerikanische Filmindustrie ist gespalten, was Trumps Zölle angeht. Sie hätte nichts dagegen, wieder mehr im eigenen Land zu drehen und weiß doch, dass dieser Zug aus Kostengründen abgefahren ist. Ihre Problemlösung besteht ironischerweise aus einer Übernahme des europäischen Systems: der Einrichtung einer staatlichen Filmförderung. Das ist der Kern eines Vorschlags, den Jon Voight nach monatelangen Konsultationen innerhalb der Branche an die Politik geschickt hat. Damit landet sie bei Donald Trump, dem geschworenen Feind aller Eingriffe des Staates in die freie Wirtschaft, genau bei dem Richtigen.

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