In ihrem Podcast „News Core: Politik bis Popkultur“ unterhalten sich Imke Rabiega und Julian Theilen über Trends und aktuelle Debatten. Das folgende Transkript bietet die Essenz der Podcastfolge „Sex-Gummibären und das Ende einer Netflix Ära“.

Julian: Wir haben doch letztens darüber gesprochen, dass die Gen Z so wenig Sex hat, also statistisch weniger als ihre Eltern. Aber auch die Eltern werden ja älter und irgendwann liegt man dann schon 30 Jahre neben demselben Partner. Die vielen Streits, der Stress und die Erziehung der Kinder haben geschlaucht und auch die Libido gekillt. Deshalb will Kourtney Kardashian, die große Schwester von Kim Kardashian, nun nachhelfen.

Imke: Sie bringt ein Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt, kleine Gummibärchen, die die Lust auf Sex steigern sollen. Eine Art weibliches Viagra, wenn man das so sagen kann. Das Produkt heißt „Lemme Play“ und als Werbemaskottchen hat sie Julia Fox an Land gezogen für einen Werbespot. Sie ist Schauspielerin und die Ex von Kanye West.

Julian: Was sind das für Gummibärchen, die einen angeblich horny machen? Derzeit hat das Unternehmen „Lemme“ das Produkt zwar schon auf der Homepage, aber noch keine Inhaltsstoffe veröffentlicht.

Imke: Bekannt ist, dass es die Durchblutung anregen und den Sauerstoffgehalt im Körper nach oben treiben soll. So sehr, dass es laut Kardashian in Menschen, die schon lange aus dem Sexgame raus sind, wieder neue Lust entfacht.

Julian: Ich habe mal recherchiert, welche Inhaltsstoffe die Durchblutung anregen und den Sauerstoffgehalt erhöhen. Da kommt etwa die Aminosäure L-Arginin infrage, die die Blutgefäße erweitert und auch bei erektiler Dysfunktion helfen soll. Ginkgo fördert auch die Zirkulation des Blutes und Rote-Beete-Extrakt und Eisen sind gut für den Sauerstoffgehalt des Blutes. Aber viel wichtiger: Was sagt dieses Produkt über unsere Zeit aus?

Imke: Gute Frage. Nahrungsergänzungsmittel sind ja mittlerweile so zeitgenössisch, dass jeder damit auf jeden Fall was anfangen kann. Inzwischen weiß zum Beispiel jeder, dass Vegetarier Eisen nehmen sollten. Das zeigt, wie gängig Nahrungsergänzungsmittel geworden sind.

Julian: Ja, der Markt für Nahrungsergänzungsmittel boomt und ein Ende des Hypes ist nicht absehbar. Ich habe mal nachgeschaut: 2023 wurden in Deutschland knapp 1,8 Milliarden Euro durch Nahrungsergänzung umgesetzt. Das ist ein Plus von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bis 2028 erwarten Marktexperten ein stetiges Wachstum. Besonders beliebt sind Vitamin D, Vitamin C, Magnesium und Eisen.

Imke: B12 müsste da eigentlich auch dabei sein.

Julian: Stimmt, Multivitamin-Präparate standen auch auf der Liste.

Imke: Dann noch an Zink und Selen denken und dann ist alles gut … Es ist ja eigentlich totaler Wahnsinn, dass wir in Zeiten, in denen die Inflation steigt und Lebensmittelkosten in die Höhe schießen uns noch um Nahrungsergänzungsmittel kümmern. Die sind ja auch nicht gerade günstig – wenn es gute sind und nicht die aus der Drogerie.

Julian: Ja, das ist ein Heidengeld, aber ich glaube, ich habe eine Erklärung dafür. In der Studie, die die Zahlen zu den Nahrungsergänzungsmitteln abgeklopft hat, wurde auch das Gesundheitsempfinden der Konsumenten abgefragt. Das ist laut der Studie gesunken. Die politischen und globalen Krisen haben dazu geführt, dass sich die Deutschen weniger gesund fühlen, vielleicht auch psychisch. Gleichzeitig ist aber das Gesundheitsbewusstsein in den vergangenen Jahren gestiegen. Da ist also nun eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Ich denke, Nahrungsergänzungsmittel sollen diese Lücke schließen. Diese Pillen geben einem das Gefühl von Kontrolle zurück, wenn man sich sonst ohnmächtig fühlt. Ich kenne das auch. Als es mir körperlich und mental am schlechtesten ging, habe ich am meisten Nahrungsergänzungsmittel genommen.

Imke: Wir nehmen ja aktuell alles an unserem Körper auseinander, versuchen das aufs Kleinste zu untersuchen und neu zusammenzusetzen und zu optimieren. Ob das Biohacking ist, ob das Schönheitsoperationen sind, bestimmte Diäten, Ernährungsformen oder Anti-Aging. Irgendwie versuchen wir, die Kontrolle über bestimmte Prozesse in unserem Körper, wie zum Beispiel das Altern, zu bekommen. Es fällt uns total schwer, loszulassen und unseren Körper übernehmen zu lassen, und anzuerkennen, dass wir gar nicht so viel Einfluss haben.

Zudem spielt auch eine gewisse Faulheit mit rein. Die Dinge, die auf der Hand liegen, wie zum Beispiel zweimal die Woche Sport zu machen, weniger im Handy zu scrollen und sich gesund zu ernähren, werden versucht, durch viele kleine Eingriffe, die vermeintlich leichter sind, wie etwa ein paar Tabletten am Tag zu nehmen, zu ersetzen. Weil wir es gerne einfacher hätten.

Julian: Ja, es ist so ein Mikromanagement, obwohl die großen Kämpfe woanders entschieden werden.

Imke: Das Gleiche gilt für das Thema Lust. Es erscheint leichter, mit ein paar Gummibärchen die eigene Lust zu steigern, als sich dieses ganzen Themas anzunehmen.

Julian: Genau. Sextherapeuten würden wahrscheinlich sagen: Lust wird im Zwischenmenschlichen ausverhandelt. Sie entsteht durch viel Arbeit und Neugier an einem anderen Menschen. Auch ohne Gummibärchen.

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