Die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF sind mit den Parteien der neuen schwarz-roten Regierung in den ersten zwei Monaten kritischer gewesen als mit denen der Ampel-Koalition im Jahr 2021. Das geht aus einer Auswertung hervor, die jetzt vom Media Tenor International veröffentlicht wurde, einem Institut zur Messung von Medienwirkung.

Ausgewertet wurden demnach rund 1550 wertende Beiträge in „Tagesschau“, „Tagesthemen“, „Heute“ und „Heute-Journal“ über SPD, Grüne und FDP im Oktober und November 2021. Sowie 1250 wertende Beiträge in denselben Nachrichtensendungen von ARD und ZDF über Union und SPD im März und April dieses Jahres.

Das Ergebnis laut Auswertung von Media Tenor: 2021 waren die Beiträge, die die Ampel tendenziell positiv bewerteten, mit jeweils 73 Prozent bei ARD und ZDF deutlich in der Überzahl. 2025 waren die Beiträge, die zu einer eher positiven Einschätzung von Schwarz-Rot kamen, deutlich geringer. Demnach habe es in den ARD-Sendungen nur 31 Prozent positive Berichterstattung gegeben, im ZDF seien es 37 Prozent gewesen.

Der Gründer und geschäftsführende Chefredakteur des Unternehmens Media Tenor, Roland Schatz, hat diese und andere Auswertungen der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender zum Anlass für eine ausführliche kommentierende Analyse genommen. Die hat er in der Zeitschrift „Evangelische Verantwortung“ publiziert, die vom Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU veröffentlicht wird.

Das ist also keine unabhängige publizistische Plattform – doch wenn die Auswertung der Beiträge stimmt, ist der Befund unabhängig davon aufschlussreich. Die teilweise heftige Kritik an der Regierungsbildung von Schwarz-Rot und vor allem am vermeintlichen Abrücken der CDU/CSU von vor der Wahl platzierten Positionen – nicht nur in öffentlich-rechtlichen, sondern auch in vielen anderen Medien – ist noch in guter Erinnerung. Bereits etwas verblasst sind die Erinnerungen an den Start der Ampel, hier ist vermutlich mehr das desaströse Ende der Koalition und die entsprechende Kommentierung gegenwärtig.

Medienforscher Schatz findet in seinem Aufsatz jedenfalls harsche Worte für die Berichterstattung von ARD und ZDF. Er schreibt von „tendenziöser Berichterstattung während und nach den Koalitionsverhandlungen zu schwarz-rot sowie als ultimativen Tiefpunkt die an Schadensfreude reichende Vermittlung der Kanzlerwahl am 6. Mai 2025“.

Motto: „Merz darf nicht Kanzler werden“

Als Beleg führt er auch die politischen Talkshows an, die allerdings für die Auswertung keine Rolle gespielt haben. Schatz schreibt: „Maybrit Illner, Sandra Maischberger, Caren Miosga oder die ZDF-Heute-Journal Präsentatorin Marietta Slomka agierten in einer Weise, als seien es Journalisten, die darüber zu entscheiden haben, wie mit der Schuldenbremse umzugehen ist, welche Waffensysteme von wem wie einzusetzen sind und wer wann wem dem Vorwurf der Lüge machen darf.“ Schatz glaubt, dass dieses „Agieren“ einem Ziel gedient habe: „Merz darf nicht Kanzler werden.“

Wie bereits erwähnt, waren es nicht nur öffentlich-rechtliche Medien, die den Weg bis zur schwarz-roten Regierung äußerst kritisch begleitet haben. Schatz legt seinen Fokus aber auf ARD und ZDF, weil er deren Aufgabe in einer Integration der Gesellschaft sieht. Die Funktion der Sendeanstalten sei dienend, diese müssten versuchen, „das Publikum wieder an das Gemeinsame zu erinnern und nicht etwas Trennendes noch ohne Not herauszuheben“.

Doch Vielfalt und Integration, so zumindest bewertet das Medienforscher Schatz, lieferten ARD und ZDF „seit Jahrzehnten“ nicht mehr. Er diagnostiziert „Diskrepanzen in der Vermittlung nahezu aller gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen Themen“, nennt als Beispiel die Berichterstattung über den Gesetzesvorschlag der Union zur Immigration und die sich daran anschließenden Demonstrationen. Den ersten gescheiterten Wahlgang von Friedrich Merz im Bundestag stellt Schatz in den Kontext der „seltsamen Berichterstattung“. Wobei er in solchen Punkten auch mit Spekulationen arbeiten muss. Wie Berichterstattung wirkt, lässt sich in vielen Fällen nicht zweifelsfrei belegen.

In dem langen Artikel nennt Schatz noch weitere Anhaltspunkte für die seiner Einschätzung nach unausgewogene Berichterstattung. So werde bei ARD, ZDF und Deutschlandfunk „ein Bild der deutschen Wirtschaft vermittelt, das der Wirklichkeit nicht entspricht“. Damit meint der Autor ein vor allem negatives Wirtschaftsbild, geprägt von den Einschätzungen von Gewerkschaften, Entlassungen, Insolvenzen und allerlei mehr Pleiten, Pech und Pannen.

Dazu komme ein Eindruck, der vermittelt werde, nach dem Volksvertreter „nahezu alles falsch“ machten. Auch in diesem Punkt, das sei angemerkt, zeichnen sich nicht nur ARD und ZDF mit einer sehr kritischen Haltung gegenüber Spitzenpolitikern aus. Wobei dies in erster Linie zum Auftrag des Journalismus gehört – eben nicht vor allem zu loben, sondern dann, wenn es nötig ist, die Finger in die Wunden zu legen.

Eine der Schlussfolgerungen von Autor Schatz ist, dass die Abgeordneten des Bundestags und der Länderparlamente in jährlichen Anhörungen überprüfen sollten, „ob die öffentlich-rechtlichen Sender tatsächlich das leisten, wofür die Beitragszahler sie fürstlich entlohnen“. Kriterien für eine Art Rechenschaftsbericht zu finden, der nicht gegen den Grundsatz der Rundfunkfreiheit der Sender geht, sondern sich auf die Erfüllung des Kerns des Auftrags der Anstalten konzentriert, wäre eine herausfordernde Aufgabe.

Auch der von der Rundfunkkommission der Länder beauftragte Zukunftsrat kam Anfang vergangenen Jahres bereits zu der Überzeugung, dass Kriterien wie Vielfalt, Transparenz und Wahrhaftigkeit überprüft werden müssten. Nicht von den Parlamenten, sondern von einer unabhängigen Kommission. Und im Zweifelsfall die Auszahlung von Beitragsgeldern gekürzt werden müsse.

Christian Meier ist WELT-Medienredakteur.

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