Das Neue Museum ist wohl das beeindruckendste Haus auf der Berliner Museumsinsel. Es erzählt die Geschichte seiner selbst, auferstanden aus der Kriegsruine und behutsam erneuert von David Chipperfield. Doch als feierliche Event Location taugt das Haus, das hauptsächlich die ägyptischen und frühgeschichtlichen Sammlungen beherbergt, nur bedingt – sein Herzstück (neben der Nofretete) schon gar nicht: die imposante Treppenanlage.
Das musste auch sein britischer Architekt zugeben. Chipperfield stand als fünfter Festredner auf der Bühne, um Hermann Parzinger, seit 17 Jahren Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der auch die Staatlichen Museen zu Berlin gehören, aus dem Amt zu verabschieden. Doch der konnte – wie die vielen geladenen Gäste aus Kultur und Politik – eben nur seitlich der Bühne und nicht vor dem Laudator sitzen, denn da gähnte die Marmorbetonstiege hinunter ins Erdgeschoss wie ein aufgesperrter Rachen. Es sei etwas seltsam, zu seinem „eigenen Treppenhaus zu sprechen“.
Ein Teil der Festgesellschaft war schon in die benachbarte James-Simon-Galerie ausgelagert worden, ebenfalls ein Chipperfield-Bau. Deren gut ausgestattetes Auditorium war weder groß genug, noch angemessen pompös für den Anlass. Eigentlich sollte Parzinger im Saal des Pergamonaltars aus der SPK-Präsidentschaft entlassen werden, doch das gleichnamige Museum wird gerade saniert. Was zumindest eines zeigt: Trotz unablässiger Bautätigkeit fehlen Deutschlands größter Kulturinstitution immer noch die Räumlichkeiten.
Wolfram Weimer lobt Parzinger als Brückenbauer
Das Humboldt Forum mit seiner monumentalen Eingangshalle hätte sich angeboten, mag man denken. Immerhin war die Einrichtung dieser Institution in der teilrekonstruierten Preußenresidenz ein Hauptprojekt während der langen Amtszeit Parzingers gewesen. Doch womöglich hätte es irritierende Signale gesendet, gerade jetzt nach der kürzlich erfolgten Einigung der Stiftung mit den Hohenzollern auf Beilegung eines langen Streits. Die launigen Grußworte des neuen Kulturstaatsministers Wolfram Weimer hätten unter der Schlosskuppel auch zu seltsam geklungen. Parzinger habe „ein quasi royales Amt“ bekleidet und sei „als waschechter Bayer zum Oberpreußen geworden“.
Weimer, der den Amtswechsel von Hermann Parzinger zu Marion Ackermann offiziell beglaubigte, lobte ersteren als einen „Problemlöser“ und „Brückenbauer“, als Konstante und Impulsgeber der Stiftung. Für Michael Kretschmer, der darauf als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz sprach, habe der scheidende Präsident sie sogar gerettet und verwies auf die Reform, die im Dezember 2025 rechtskräftig wird. Parzinger habe sich in dem langen Prozess „durchgesetzt, die Stiftung als Verbund zu bewahren“. Es sei sein „letzter großer Erfolg“ gewesen, dass das SPK-Gesetz noch in den letzten Stunden der Ampel-Regierung vom Bundestag verabschiedet wurde.
Der sächsische Ministerpräsident kennt auch Marion Ackermann gut, die Nachfolgerin Parzingers wechselt von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die sie seit 2017 als Generaldirektorin leitete, an die Spitze der Preußen-Stiftung. Sie übernimmt ein hochpolitisches Amt, in Zeiten. Die Institutionen müssten sich gegen einen „Kulturkampf von rechts“ wappnen, wie Parzinger mahnte. Ackermann hat da bereits Erfahrung. Sie hatte sich und ihre Häuser in Dresden gegen die Pegida-Bewegung gestellt.
Im Zusammenhang mit dem Einbruch ins Grüne Gewölbe und dem Raub von Kunstwerken und Juwelen im Wert von über 100 Millionen Euro wurde sie von der AfD angefeindet. Als Museumsleiterin habe sie wiederholt Fehler gemacht und sei beim Versuch, gestohlene Objekte zurückzukaufen, einem Betrüger aufgesessen. Auch im Stiftungsrat der SPK darf Ackermann demnächst mit Gegenwind der AfD rechnen, vier Mitglieder des Bundestags haben in den Sitzungen Gastrecht. Davon wird die größte Oppositionsfraktion Gebrauch machen.
Kunstfreiheit in Gefahr
Hermann Parzinger nutzte seine Abschiedsrede nicht nur für eine persönliche Bilanz, die vor allem durch rege Bauherrentätigkeit, Rückgaben kolonialer Artefakte wie etwa der Benin-Bronzen an die Herkunftsländer und die Stiftungsreform geprägt wurde, für eine politische Botschaft. „Die Freiheit von Kunst und Kultur ist ein Thema, das mir Sorgen macht.“ Als Archäologe, der über 30 Jahre lang regelmäßig in Russland tätig war, zeigte er sich schockiert über den Fall des Landes, dem er sich immer verbunden fühlte.
Beim Blick nach Amerika mag er seinen „Augen kaum trauen“. Die Smithsonian Institution in Washington werde vom US-Präsidenten „jetzt für unamerikanische Geschichtsdarstellung kritisiert“, Universitäten wie Harvard würden wegen ihrer Wissenschaftsfreiheit angegriffen. Aber auch in Deutschland gebe es Versuche, „Einfluss auf Programme, Personalentscheidungen und Budgets zu nehmen“. Gegen Brüder im Geiste des Putinismus und Trumpismus, „die die Freiheit von Kultur und Kunst zerstören und Kulturdenkmäler vernichten, müssen sich demokratische Gesellschaften wehren“, forderte Parzinger.
Nach diesem flammenden Appell war es eine undankbare Aufgabe für die neue SPK-Präsidentin Marion Ackermann, noch ihre eigene Strategie für die Stiftung zu skizzieren. „People-to-people“ sei ihr Anspruch für eine „lernende Institution“, eine diplomatische Herangehensweise des ständigen Austauschs. Beim laufenden „Onboarding“ wandere ihr Schreibtisch seit drei Monaten bereits durch alle Abteilungen der SPK mit ihren 25 einzelnen Instituten, Museen, Archiven und Bibliotheken.
Ackermann wolle die „Partnerschaften ausbauen“ und die „internationale Strahlkraft der Stiftung steigern“. Ihr Blick wird dabei vor allem nach Osteuropa gehen. „Ich habe in den letzten Jahren erlebt, wie wichtig es sein kann, die präzisen Kenntnisse über die Kultur aus unseren Nachbarländern im Osten Europas auch gerade hier in Deutschland zu vermitteln, die Mikrogeschichten zu erzählen und damit am Kanon zu rütteln.“
Inhaltlich ist von der Kunsthistorikerin Marion Ackermann, die auch auf ihre „Deutschlandreise“ als Kuratorin von Bayern über Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen nach Berlin verwies, eine Stärkung des Ausstellungsbetriebs zu erwarten, der in letzter Zeit weder international konkurrenzfähig erschien noch den nationalen Wettbewerb anführte. Die kommenden Jahre werden zudem zeigen, ob sich mit Ackermann an der Spitze der Stiftung Preußischer Kulturbesitz der Führungsstil ändern wird. Hermann Parzinger war mitunter vorgeworfen worden, als Machtmensch zu agieren. Aus Dresden war über die Generaldirektorin der SKD freilich ähnliches zu hören.
Kulturstaatsminister Weimer jedenfalls scheint sich auf die Zusammenarbeit wirklich zu freuen. Ackermann strahle eine lebendige Kreativität aus und ein positives Naturell, sie sei „eine kluge Strategin“, eine „Macherin, die aus den eigenen Ideen Funken schlagen kann“. Auf das Mitwirken seines Hauses und die Unterstützung der Bundesregierung dürfe sie dabei jederzeit zählen.
Die Reform ist weitgehend abgeschlossen. Und mehr Geld gibt es auch. Weimers Vorgängerin Claudia Roth hatte noch ein neues Finanzierungsabkommen für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf den Weg gebracht, das am 1. Januar 2026 in Kraft tritt. Es sieht eine Erhöhung der jährlichen Beiträge um insgesamt zwölf Millionen Euro vor. Die neue SPK-Präsidentin Marion Ackermann kann also mit einem um zehn Prozent auf knapp 135 Millionen Euro gesteigerten Budget wirtschaften.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.