Frederick Forsyth, der jetzt im Alter von 86 Jahren gestorben ist, war gleichzeitig typisch britisch und untypisch zugleich. Untypisch war, dass er fließend Deutsch und Französisch sprach – etwas, das man zumindest heute bei Briten nur noch selten findet. Typisch war er in gewisser Hinsicht darin, dass er – wie eigentlich jeder britische Thrillerautor seiner Generation – auch für den Geheimdienst arbeitete. Er war mehr als 20 Jahre lang Zuträger für den Auslandsgeheimdienst MI6. Eine Tätigkeit, die er in der abtrünnigen nigerianischen Provinz Biafra begann und in den abtrünnigen deutschen Provinzen namens DDR später fortsetzte.

Forsyth war 1967 als Reporter der BBC nach Afrika gegangen, wo sich gerade der Konflikt um Biafra zu einem Völkermord auswuchs, der diesen Namen tatsächlich verdiente. Seine Motivation beschrieb er später: „Dies war eine Zeit, in der der Vietnamkrieg fast täglich Schlagzeilen machte und allgemein als ein amerikanisches Fiasko galt. Und dieses besonders britische Fiasko in Nigeria sollte nicht thematisiert werden.“

Afrika, Frankreich, Deutschland – die Orte an denen der ehemalige Luftwaffenpilot (er flog eine Havilland Vampire) als Auslandskorrespondent tätig war (zunächst für die Nachrichtenagentur Reuters), lieferten ihm auch den Stoff für seine ersten Bücher. Auf ein Sachbuch über den Biafra-Krieg folgte sein erster und bis heute berühmtester Roman „Der Schakal“. Die Geschichte eines Auftragskillers hat gerade wieder eine Fernsehserie gleichen Namens inspiriert, die mit Forsyth aber gerade so viel zu tun hat, dass man ihm Geld dafür zahlen musste – mehr nicht.

Der originale Roman spielt im Frankreich der frühen Sechzigerjahre. Präsident Charles De Gaulle hat Algerien, das für viele Franzosen in 150 Jahren Kolonialzeit zu einem Teil des Mutterlandes geworden war, in die Unabhängigkeit entlassen. Die OAS, eine von französischen Veteranen des Algerienkriegs gebildete Geheimorganisation, will ihn dafür ermorden. Ein britischer Auftragsmörder wird engagiert. Der Roman erzählt die Vorgeschichte, die minutiösen Vorbereitungen des Killers und die Finten, die er der französischen Polizei schlägt.

Großartig daran ist die totale menschliche Leerstelle im Zentrum: Der Schakal bleibt bis zuletzt ein Geheimnis. Selbst das wenige, was die Polizisten über ihn herausgefunden haben, entpuppt sich am Ende auch noch als falsch. Seine Psyche wird ausschließlich durch die kalte Rationalität definiert, mit der seine Tat plant und schon im Vorfeld mehrere nötige Morde begeht. Diese reine Funktionalität bei völliger Abwesenheit von Emotion und individueller Motivation (abgesehen vom Geld) lässt ihn viel bedrohlicher psychopathisch wirken als jedes Psychopathengekaspere, mit dem solche Figuren von schwächeren Autoren gezeichnet werden. Eine Figur wie dieser Mordspezialist – ohne Bindung, ohne Vorgeschichte, ohne Emotionen und ohne Motive (abgesehen von Geld) – wäre in unserer nach Küchenpsychologie süchtigen Zeit heute nicht mehr bestsellertauglich.

Auf „Der Schakal“, das beim Erscheinen 1972 schon ein historischer Roman war, folgten der Deutschland-Roman „Die Akte Odessa“, über einen jungen Mann, der Geheimorganisation ehemaliger SS-Angehöriger infiltriert, und „Die Hunde des Krieges“ über Söldner in Afrika. Es entstanden 14 weitere Bücher, denen man nachrühmte, außergewöhnlich gut recherchiert zu sein und deren Helden wortkarge Profis waren. Erst 2019, nach „Der Fuchs“, beschloss Forsyth, es mit 81 nun gut sein zu lassen mit dem Schreiben. Seine Werke wurden weltweit mehr als 70 Millionen mal verkauft, 10 Millionen Exemplare davon gehen allein auf das Konto von „Der Schakal“, aber auch spätere Bücher wie „Des Teufels Alternative“, „Das vierte Protokoll“ oder „Der Afghane“ waren Weltbestseller. Viele wurden verfilmt.

Der Erfolg ermöglichte Forsyth ein standesgemäßes Leben zu führen, das allen Klischees über einen britischen Erfolgsautor aufs Befriedigendste entsprach: Sein Haus in Hertfordshire hatte 26 Zimmer, seine dunklen, einreihigen Anzüge entsprachen klassischen britischen Schneidertraditionen, seine erste Frau war ein Model, auch mit der Schauspielerin Faye Dunaway hatte er eine Affäre.

Selbstverständlich europaskeptisch

Seine politischen Ansichten passten dazu: Er hielt politische Korrektheit für die ideologische Pest des frühen 21. Jahrhunderts und für eine späte Ausgeburt von Nazismus, Faschismus und Kommunismus – und diese wiederum alle drei für „pervertierte Abkömmlinge des Sozialismus.“ Selbstverständlich war er europaskeptisch und sah die EU als antidemokratische Institution an. Als Konservativer war er mit Großbritannien, seinen Institutionen und seiner Machtpolitik mehr im Reinen als sein Kollege John Le Carré, dessen Patriotismus deutlich komplizierter und skeptischer war. Deutschland blieb Forsyth gedanklich auch nach seiner Zeit als Auslandskorrespondent verbunden. Gelegentlich schaltete er sich mit Meinungsbeiträgen für deutsche Medien in hiesige Debatten ein.

Den „Schakal“ soll er angeblich in 35 Tagen geschrieben haben. Auch bei seinem Abschied aus dem Leben machte Forsyth nun wenig Aufhebens: Er starb am 9. Juni nach kurzer Krankheit in seinem Haus in Buckinghamshire, in das er 2010 gezogen war.

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