In ihrem Podcast „News Core: Politik bis Popkultur“ unterhalten sich Imke Rabiega und Julian Theilen über Trends und aktuelle Debatten. In der neuen Folge geht es unter anderem um Mikro-Renten.

Imke: Es geht um einen Trend auf Social Media, der jetzt auch in Deutschland auf immer mehr Zustimmung trifft. Hast du schon mal von Micro-Retirement oder von Mini-Pensionen, wie es auch in Deutsch übersetzt wird?

Julian: Ja, ich habe das vor einigen Tagen mal gelesen, das ist so eine Art „sabbatical“, oder? Wobei ein „sabbatical“ ja eher in dem eigentlichen Job ist, den man hat und dort ist dann vertraglich festgelegt, dass man mal Pause machen und dann wieder in den alten Job zurückkehren kann.

Imke: Genau, und bei Micro-Retirement ist es eben so, dass Menschen einfach zwischen zwei Jobs so eine bewusste Auszeit einlegen und das auch regelmäßiger vorhaben, in ihrem Leben zu tun, um sich zu erholen. Gerade zum Beispiel nach einem stressigen Job und um so frühzeitig Burnout-Symptome zu verhindern. Aber auch um das Leben zu genießen, solange sie noch jung sind und nicht erst als Rentner, wenn sie sich kaum noch bewegen können und sowieso keine langen Wanderungen mehr machen.

Julian: Klingt natürlich sehr entspannt, aber auch wieder so nach so einem Wohlstandstrend, da muss man sich auch leisten können.

Imke: Also der Trend kommt hauptsächlich aus den USA, aus so einer „corporate bubble“ mit wahrscheinlich sehr hohen Gehältern, aber er setzt sich eben langsam auch in Deutschland durch. Das Sparen ist dabei auf jeden Fall auch ein Thema. Also auch sonst leben die Leute unter ihren finanziellen Verhältnissen, auch wenn sie gerade nicht in einem Micro-Retirement sind. Sie sparen dann Geld an, um dann drei, sechs oder auch zwölf Monate reisen, ihre Freizeit erleben und sich Sachen gönnen zu können.

Julian: Ich glaube, das klingt für viele wie ein Traum.

Imke: Was würdest du machen, wenn du ein Jahr freihättest?

Julian: Ehrlich gesagt habe ich mich mal irgendwann dazu entschieden, die schönen Dinge im Alltag zu entdecken und da jeden Genuss rauszuquetschen, anstatt so ein ganz großes Projekt zu verfolgen, auf das ich hinspare. Das hat mich immer sehr unter Druck gesetzt. Und dann denke ich mir so, ich versuche lieber in dem Szenario, in dem ich mich am meisten aufhalte, Spaß zu haben – also dem Alltag und dem Beruf.

Imke: Mhm, also sieht man dich die ganze Zeit durch Berliner Cafés tigern.

Julian: Genau, rauchend wie ein Bohemien im 19. oder 20. Jahrhundert, von Café zu Café latschen. Nee, aber zurück zur Vision der jungen Rentner: Wie kommt das denn eigentlich so im Lebenslauf an, wenn jemand immer wieder Pausen einlegt? Also vor 20, 30 Jahren hätte man wahrscheinlich gesagt: „Oh, der ist nicht vermittelbar“, ne?

Imke: Ja, viele TikTokerinnen, von denen ich mir die Geschichten angehört habe, berichten, dass es eigentlich gar kein Problem war, nach einem Jahr Auszeit einen neuen Job zu finden.

Julian: Ja gut, aber da muss man sagen, bei TikTokerinnen, in diesem Arbeitsbereich, da sieht man das wahrscheinlich auch ein bisschen lockerer. Aber ich glaube schon, dass so heutige Karrierebiografien nicht mehr so linear sind und auch flexibler und sich auch die Arbeitgeber darauf einstellen. Also kaum einer zieht heute noch 40 Jahre seinen Job im gleichen Unternehmen durch.

Imke: Ja, und ich schätze auch, es hängt total von der Arbeitsmarktsituation ab. Die meisten Videos, die ich gesehen habe, waren eben so aus dem Tech-Bereich. Und bei uns in Deutschland werden Arbeitnehmer, glaube ich, auch wahrscheinlich eine bessere Situation haben perspektivisch, weil wir einfach immer weniger werden, die auf den Arbeitsmarkt kommen. Und die Unternehmen brauchen uns ja, also vorausgesetzt, die Wirtschaft kackt nicht völlig ab.

Julian: Aber so ein bisschen dieses Micro-Retirement spielt auch irgendwie ein bisschen rein in das Klischee von der faulen Gen Z. Ich kann das total verstehen, dass der Gedanke daran, dass man erst mit 65 oder 70 in Rente geht und das Leben im Büro an einem vorbeistreicht, dass einem das schon die Luft abschnüren kann und man immer wieder so kleine Inseln der Erholung einbauen möchte.

Imke: Genau, das sind eigentlich Inseln. Das ist eigentlich voll das schöne Wort dafür. Mein Gedanke war irgendwie auch, dass ich gerne mal Studien sehen würde, wie effizient man arbeitet, wenn man erholt ist, versus wenn man die ganze Zeit im Dauerstress ist. Ich kann mir vorstellen, dass wir sogar besser und für das Unternehmen vielleicht sogar interessanter sind, wenn wir erholt sind zumindest in kreativen Berufen.

Julian: Ja, auch wenn man andere kulturelle Eindrücke, Lebensumstände und Alltage erlebt hat. Wir haben ja gerade schon kurz angesprochen, das Ding ist ja auch, dass wir in Deutschland gar nicht wissen, inwiefern wir überhaupt mal eine Rente bekommen. Und das merke ich bei mir auch, das da so eine Verschiebung der Zukunftsplanung einsetzt nach dem Motto „Ja, ist hier alles unsicher, dann mache ich es mir vorher hübscher“ weil ich gar nicht weiß, was auf mich wartet.

Imke: Ich hab diesen Gedanken auch, dass wir uns irgendwie ja geistig darauf gefasst machen, dass wir wahrscheinlich eh noch bis 70 arbeiten. Dadurch wird die Zeit dann auch kürzer, in der wir überhaupt noch diese Rente und diese Freiheit danach haben. Das kombiniert mit Klimaangst und der Sorge davor, dass sich die Reisefreiheit vielleicht auch wieder einschränken könnte, die wir jetzt gerade haben, treibt das Phänomen auch stark an. Aber es ist auf jeden Fall schon ein sehr privilegierter Trend, nur um das hier nochmal zu betonen, der auch nur für bestimmte Office-Jobs funktioniert. Wenn jetzt gerade so systemrelevante Berufe wie Krankenschwestern alle anfangen, Micro-Retirement zu machen, ist das keine gute Idee.

Julian: Interessant ist ja noch, dass im Gegensatz zu manchen Jungen, die jetzt Micro-Retirement machen, gerade die Pensionierten genau in die andere Richtung streben, und zwar zurück in die Arbeitswelt gehen. Also aus einem etwas traurigen Grund, weil das Leben immer teurer wird. Da werden dann die Gründe genannt wie steigende Lebenshaltungskosten, aber auch Langeweile.

Imke: Und Einsamkeit glaube ich auch.

Julian: Ich kenne tatsächlich einige, die in Rente gegangen sind und die dann ganz hart getroffen wurden von dem, was einen da erwartet. Ich glaube, dieser Bedeutungsverlust und Verlust von sozialem Gefühl ist nicht zu unterschätzen. Aber ja, jetzt kommt anscheinend die große Rückkehr der Pensionierten.

Damit sind wir beim Ende unserer heutigen Folge. Danke, dass ihr eingeschaltet habt. Habt einen guten Wochenstart.

Imke: Ja, macht's gut. Bis dahin.

Die aktuelle Folge News Core können Sie unter anderem auf Spotify hören.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.