Dieses Jahr feiert man den 250. Geburtstag eines, wenn nicht des berühmtesten britischen Malers: Joseph Mallord William Turner (1775 bis 1851). Nicht nur im Vereinigten Königreich wird er vielfach geehrt, sondern auch international mit Ausstellungen von Cincinnati bis Shanghai gewürdigt. Natürlich lassen sich auch die Auktionshäuser ein solches Jubiläum nicht entgehen und bieten einige Turner-Werke zum Verkauf an.

Dass Sotheby’s in London am 2. Juli 2025 aber eine Neuentdeckung zur Versteigerung aufrufen kann, die obendrein ein Detail der Biografie des jungen Turners korrigiert – darauf ist man in der New Bond Street, dem englischen Hauptquartier des Unternehmens besonders stolz. Das 60 mal 74 Zentimeter messende Landschaftsgemälde wurde erst im vergangenen Jahr noch stark verschmutzt zu einem Schätzpreis von 600 bis 800 Pfund angeboten – bei einer Versteigerung des regionalen Auktionshauses Dreweatts.

Das Werk aus dem 18. Jahrhundert schrieb man einem obskuren Nachfolger eines wenig bekannten Malers mit dem heroischen Namen Julius Caesar Ibbetson zu. Beim Zuschlag von nur knapp über 500 Pfund setzte der Käufer allerdings seine Hoffnung darauf, in Wirklichkeit eine Arbeit des nach England emigrierten französischen Malers Philipp-Jacques de Loutherbourg ersteigert zu haben.

Schätzpreis mindestens 200.000 Pfund

Sein nicht schlechter Riecher wurde weit über Erwarten belohnt: Eine Reinigung des Bildes enthüllte, dass das mutmaßliche Aquarell nicht nur ein Ölgemälde ist, sondern zudem die Signatur von William Turner aufweist. Dank eines tatsächlichen Aquarells und einer Skizze mit dem gleichen Motiv in der Londoner Tate Gallery, dem Hort der Turner-Forschung, identifizierte man die charakteristische Ansicht und recherchierte auch die Geschichte dieses Werks.

Denn eine Beziehung gibt es tatsächlich zu Loutherbourg: Der junge Turner frequentierte dessen Londoner Studio, bis – so wird kolportiert – dessen Frau ihn hinauswarf. Sie soll ihm vorgeworfen haben, die Maltechnik des Franzosen auszuspionieren.

Auf dem Gemälde, dass der damals erst 17-jährige Turner im Jahr 1792 schuf, erkennen wir die romantische Szene einer von stürmischer Flut umbrandeten Küste. Sturm und Drang spielen sich auch im von Wolken durchfetzten Himmel ab. Inzwischen gab man dem Bild auch den passenden Titel „Eine aufkommende Bö, Hot Wells bei St. Vincent Rock, Bristol“.

Vor Ort, so fanden die Wissenschaftler heraus, hatte der junge Künstler die südenglische Küste bei Bristol mit der heißen Quelle und dem imposanten Badehaus skizziert, später dramatisierte er die Zeichnungen dann in diesem Gemälde. Im folgenden Jahr 1793 feierte William Turner mit dem Bild sein Debüt als Maler in der renommierten Ausstellung der Londoner Royal Academy, und zwar drei Jahre früher – und das begeistert die Turner-Experten heute – als bisher angenommen.

Die vollständige Provenienz ist hingegen noch nicht vollständig geklärt. Der Geistliche Robert Nixon, ein Bekannter der Familie Turner, erwarb das Bild zunächst. Nach seinem Tod 1837 wurde es zuletzt 1858 in einer Ausstellung im australischen Tasmanien registriert. Nach Turners Tod noch als Gemälde erwähnt, wurde es bald wegen der dünnen Farblasierungen als Aquarell beschrieben und verschwand somit aus den Werkverzeichnissen seiner Gemälde. Danach verlor sich die Spur bis zur besagten Dreweatts-Auktion im Jahr 2024.

Nun ist dieses lange verschollene Jugendwerk also vollständig rehabilitiert. Die Experten sind sich über diese Entdeckung einig, unterstreicht auch Julian Gascoigne, Senior Director von Sotheby’s. Das erklärt auch, warum die jetzige Schätzung um das Vielfache auf 200.000 bis 300.000 Pfund geklettert ist. Und nicht zuletzt erhält auch dieser Turner endlich museale Weihe: Im Jahr 2026 wird das Bild in der Ausstellung „Turner und Constable“ in der Tate Britain zu besichtigen sein.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.