Karl Lagerfeld war ebenso Kult- wie Reizfigur. Er erheischte Bewunderung für seine künstlerische Radikalität als Modeschöpfer. Für seinen Mut zur Provokation. Für die Konsequenz, mit der er sich selbst zur Ikone stilisierte.
Der Mode-Guru galt jedoch auch als unnahbar, als arroganter Sonderling und Selbstdarsteller. Herablassende Bemerkungen zu Menschen mit Übergewicht oder polemische Kommentare zu Geflüchteten taten das Ihre.
Karl Lagerfeld wurde 1933 in Hamburg geboren. Als er 2019 in Neuilly-sur-Seine bei Paris verstarb, war er weltberühmt. Unter anderem weil er als Kreativdirektor und Chefdesigner von Chanel Modegeschichte schrieb. Und doch blieb der Exzentriker stets ein Mysterium.
Kunstfigur im Bild
Die Graphic Novel «Lagerfeld» geht einen originellen Weg, um etwas Licht ins Dunkel zu bringen: Sie erzählt mit ausdrucksstarken Zeichnungen das Leben des fürs Zeichnen berühmten Modeschöpfers. Und kommt ihm dabei erstaunlich nah.

Gezeichnet hat den Band der mehrfach preisgekrönte deutsche Comic-Künstler Simon Schwartz. Er stützt sich dabei auf den 2020 erschienenen Biografie-Bestseller «Karl Lagerfeld – Ein Deutscher in Paris» des Journalisten Alfons Kaiser, der auch als Co-Autor der Graphic Novel fungiert.
Das Buch gibt dank seiner sorgfältigen und ästhetischen Zeichnungen niederschwellig Einblicke in das Leben Karl Lagerfelds. Und da ist bisweilen Haarsträubendes zu erfahren.
Etwa wenn Lagerfelds Mutter Elisabeth das Baby Karl auf den Armen schaukelt, diesem jedoch nicht die Brust, sondern die Flasche gibt – weil sie nicht bereit sei, ihren Busen «für so etwas herzugeben».
Oder wenn der im Hitler-Deutschland aufwachsende Junge in der Schule permanent gehänselt wird. Er ist ein unsportlicher Träumer, der am liebsten zeichnet. Der «in den Pausen oft abseits» steht, wie in Sprechblasen der Schulkameraden zu lesen ist.
Der «auffällig gepflegt» ist. Der früh merkt, dass er schwul ist. Der darunter leidet, jedoch kaum je darüber spricht. Der eine ungesund nahe Bindung zu seiner Mutter unterhält.
Ein Deutscher in der Stadt der Liebe
Auch Zeithistorisches fängt das Buch treffend ein. Etwa den Argwohn, dem Lagerfeld im Paris der 1950er-Jahre begegnete. Dort begann seine Karriere: mit dem ersten Platz bei einem Wettbewerb für den Entwurf eines Mantels.
Ausführlich erzählt die Graphic Novel die Geschichte von Lagerfelds Liebe des Lebens: Jacques de Bascher. Jacques sei absolut anders gewesen als er, sagt Lagerfeld in einer Sprechblase, und deshalb hätten sie zusammengepasst.
In schrillen Farben erzählt das Buch, wie sich der Modeschöpfer Yves Saint Laurent an Jacques heranmachte. Auch, um dem Konkurrenten Lagerfeld den Lebenspartner abzujagen. So zumindest die These.
Im Rausch der Party
Jacques de Bascher hatte viele Affären, veranstaltete Gang-Bang-Partys und hing sadomasochistischen Praktiken an. Er machte damit ungehemmt weiter, als zu Beginn der 1980er-Jahre das HI-Virus auftrat. 1989 starb Jacques an Aids.
Der Modezar Lagerfeld lebte fortan bevorzugt allein. Nur mit seiner Katze. Karl Lagerfeld als entrückte Kunstfigur, als Mensch gewordenes Logo.
«Lagerfeld» überzeugt. Der Band ist linear erzählt, übersichtlich gegliedert, und er vermittelt Einblicke hinter die schillernde Fassade des weltbekannten Unbekannten Karl Lagerfeld.
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