Der Rechtswissenschaftler Ekkehart Reimer hat kurz vor dem Eklat um die gescheiterte Wahl der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht deren Wikipedia-Eintrag verändert. Das berichtet das Nachrichtenportal „T-Online“. Reimer bestätigte den Vorgang.
Demnach hat Reimer, der an der Universität Heidelberg Öffentliches Recht und Internationales Steuerrecht lehrt, die Wikipedia-Seite um Brosius-Gersdorfs Position zum Schwangerschaftsabbruch ergänzt. Dass Brosius-Gersdorf für das Amt nominiert werden würde, sei da bereits bekannt gewesen, schrieb Reimer der Redaktion.
Demnach habe er – bewusst unter Verwendung seines Klarnamens – den Eintrag bearbeitet, „weil diese Frage in der in diesen Tagen aufkeimenden politischen und wissenschaftlichen Diskussion zentral, in der vorherigen Wikipedia-Fassung aber unterbelichtet, ungenau und unbelegt war“, wird Reimer zitiert. Dem Bericht zufolge war dies erst der dritte Wikipedia-Artikel, der von Reimers seit rund 13 Jahren bestehenden Profil in der Online-Enzyklopädie bearbeitet wurde.
Brosius-Gersdorf, die an der Universität Potsdam lehrt, war in den öffentlichen Fokus geraten, nachdem sie von der SPD als Richterin am Bundesverfassungsgericht nominiert worden war. Zahlreiche kritische Berichte, auch in den sozialen Medien, die teils frühere Äußerungen der Juristin aus dem Kontext rissen, hatten die Debatte um die Nominierung eskalieren lassen. Schlussendlich wurde ihre Wahl im Bundestag abgesetzt, nachdem klar wurde, dass es innerhalb der Unionsfraktion großen Widerstand gegen sie gibt. Brosius-Gersdorf erwiderte, dass ihre Positionen wissenschaftlich haltbar und in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt, jedoch teils verzerrt dargestellt worden seien.
„Ich nehme sie als Aktivistin wahr“, sagt Reimer
Auf ihrem Wikipedia-Eintrag derweil lässt sich seit Beginn der öffentlichen Auseinandersetzung rege Aktivität feststellen, von weiteren Bearbeitungen einzelner Passagen – unter anderem erneut von Reimer – bis zu einer Debatte im Diskussionsforum, das jedem Wikipedia-Artikel angehängt ist.
Reimer betonte gegenüber „T-Online“, dass er Brosius-Gersdorfs Nominierung kritisch sehe: „Ich nehme sie als Aktivistin wahr, die über eine Neuinterpretation des Grundgesetzes ein deutsches ‚Roe v. Wade‘ erreichen will“, sagte er. Roe v. Wade ist ein Urteil des US-amerikanischen Supreme Courts, in dem Anfang der 70er-Jahre bundesweit das Recht auf Abtreibung legalisierte. 2022 wurde das Urteil vom – inzwischen durch Nominierungen von Präsident Donald Trump konservativ besetzten – Supreme Court gekippt.
In Brosius-Gersdorfs Positionen jedenfalls sieht Reimer einen „Bruch mit der gesamten bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 2 GG“ – in diesem Artikel des Grundgesetzes heißt es: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“
Im Zentrum der Kritik steht unter anderem ein Satz der Verfassungsrechtlerin in einem Kommissionsbericht zum Thema Abtreibung aus dem vergangenen Jahr. Darin schreibt sie: „Es gibt gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.“
Gegen Vorwürfe setzte sich Brosius-Gersdorf jedoch zur Wehr. In der ZDF-Talkshow von Markus Lanz sagte die Juristin am Dienstagabend: „Ich bin nie eingetreten für eine Legalisierung oder Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt.“ Falsch sei auch, „dass ich gesagt haben soll oder geschrieben haben soll, dass der Embryo kein Lebensrecht hat“.
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