Donald Trump fand vermeintlich einfache Worte, als er vergangenen Montag mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte im Oval Office saß. „Wir sind sehr unglücklich mit dem, was Russland tut. Wenn wir nicht binnen 50 Tagen einen Deal haben, dann werden wir heftige Zölle verhängen. In Höhe von 100 Prozent, Sekundärzölle nennt man das. Sie wissen, was das heißt. Das ist ganz simpel.“
Schon kurz darauf wurde offensichtlich, dass Trumps geplante Strafmaßnahmen alles andere als simpel sind. Zum einen, weil Trump unklar formulierte. Sein Handelsminister sah sich gezwungen, den US-Präsidenten zu berichtigen. Trump habe „Sekundärsanktionen gemeint, nicht Sekundärzölle“. Zölle seien aber durchaus ein Werkzeug für Sanktionen, so Howard Lutnick.
Unabhängig davon, welche Art Strafen Trump am Ende Russland androht, stellen sich Fragen. Wie funktioniert die Umsetzung? Welche Wirkung könnten sie auf die „sekundär“ sanktionierten Länder haben? Und würde das Moskau zum Einlenken bringen?
Theoretisch kann Trump den Startschuss zur Umsetzung schnell geben. Sollte Wladimir Putin bis zum 1. September keine Anstalten machen, eine Waffenruhe in der von ihm überfallenen Ukraine herbeizuführen, kann der US-Präsident Sanktionen oder Zölle per Dekret anordnen.
Das tat Trump bereits im vergangenen März, als er allen Staaten 25 Prozent Sekundärzölle aufdrückte, die Öl aus Venezuela kaufen. Heißt: Drittstaaten, die noch Öl-Geschäfte mit Caracas machen, bekommen 25 Prozent Zoll aufgebrummt auf alle Waren, die sie in die USA verkaufen.
Zölle als Instrument einer aggressiven US-Diplomatie sind eine Neuerung. Der venezolanische Ölexport ist Berichten zufolge seither gesunken. Spanien beispielsweise, das zuvor 15 Prozent seiner Rohöleinfuhren aus Venezuela bekam, stoppte diese zum 1. April komplett.
Allerdings ist die Durchsetzung dieser Zölle komplex, sagen Experten. Sie erfordern die Kooperation der betreffenden Länder und eine international geltende Rechtsbasis. Spanien ist ein kleines Land – anders als China und Indien, die Russland mittlerweile bis zu 90 Prozent seiner Energieexporte abnehmen.
Washington müsste unter anderem Satellitenüberwachung und das Tracking von Schiffen einsetzen, um den Import russischen Öls nachzuweisen. Auch das Überwachen von Finanzströmen ist aufwändig, wenn sie nicht über international anerkannte Transaktionswege wie Swift laufen.
Ohnehin seien „Sekundärsanktionen ein besser funktionierendes Werkzeug als Sekundärzölle. Sanktionen zielen klarer auf ein Unternehmen oder Personen ab. Zölle hingegen gelten flächendeckend“, sagt John Hardie, Russlandexperte der Foundation for Defense of Democracies in Washington.
Solche Sanktionen werden beispielsweise gegen Firmen oder individuelle Geschäftsleute verhängt, die nachweislich das Strafregime der USA gegen Moskau unterbinden. Die Regierung von Joe Biden verhängte etwa Sanktionen gegen chinesische Unternehmen, die Bauteile für Drohnen nach Russland liefern.
„Sekundärsanktionen können zum Beispiel gegen eine chinesische Raffinerie angewendet werden, die gegen den Preisdeckel für russisches Öl verstößt“, erklärt Hardie. Die G-7-Staaten hatten Ende 2022 einen Preisdeckel von 60 US-Dollar pro Barrel verhängt. Das sollte Moskaus Staatskasse, die sich zu rund 30 Prozent aus Energieexporten speist, und damit Putins Kriegsmaschine zusetzen.
Allerdings fanden die Russen schnell Wege, durch die sogenannte Schattenflotte ihr Öl weiter an Länder wie China und Indien zu verkaufen. Erst seit Ende 2024 sanktioniert die Europäische Union einige Schiffe dieser Flotte – Washington aber nicht. Damit blieb Putin lange Zeit ein lukratives Schlupfloch, um sein Öl zum Preis oberhalb der G-7-Deckelung zu verkaufen.
China braucht das billige Öl
Sekundärsanktionen würden Peking empfindlich treffen, da die energiehungrige Industrie auf billige russische Rohstoffe angewiesen ist. Entsprechend scharf reagierte die chinesische Regierung. Außenamtssprecher Lin Jian erklärte, man lehne „illegale einseitige Sanktionen und Lange-Arm-Rechtsprechung entschieden ab“ und halte an der Position fest, dass der Ukrainekrieg nur durch Verhandlungen zu beenden sei.
Am selben Tag bekräftigten Xi Jinping und Russlands Außenminister Sergej Lawrow bei einem Treffen in Peking ihre strategische Partnerschaft und riefen dazu auf, den Globalen Süden und die internationale Ordnung „gerechter“ zu gestalten. Sollten die Sanktionen tatsächlich verhängt werden, müsste China seine Ölimporte kurzfristig auf teurere Lieferanten aus dem Mittleren Osten umstellen, was Produktionskosten und Inflation im Inland steigen ließe und den Druck auf die bereits schwächelnde Wirtschaft weiter erhöhen könnte.
Indien ist nach China der zweitgrößte Abnehmer russischen Öls und versucht, zwischen den geopolitischen Fronten zu lavieren. Offiziell zeigen sich indische Regierungsvertreter gelassen: Trumps Zollankündigungen seien vor allem Verhandlungstaktik, China das Hauptziel, und die engen Beziehungen zu Washington würden Neu-Delhi abschirmen.
Auch EU-Staaten setzen aus russisches Gas
Aber nicht nur China und Indien kaufen in Russland ein. Einige der 27 EU-Staaten importieren weiterhin russisches Erdgas. 2024 machte es noch 19 Prozent der gesamten EU-Gasimporte aus. Ungarn und die Slowakei sind besonders aktiv, aber auch Tschechien, Frankreich und Spanien importieren weiter russisches LNG über Häfen. Die EU hat aber bereits ein stufenweises Auslaufen der Importe bis 2028 begonnen. Wie die Sanktionen konkret ausgestaltet würden – und damit auch, welche Folgen sie für die betroffenen Staaten hätten – ist bisher noch unklar.
Trumps angedrohter Zollhammer ist derweil nur die Sanktionsvariante des Weißen Hauses. Bereits im April legte US-Senator Lindsey Graham ein Paket vor, das sogar 500 Prozent Zoll für Länder vorsieht, die Russland weiter Energielieferungen abnehmen. Allerdings herrscht Einigkeit, dass Grahams nach eigenen Worten „für Russland Knochen brechende Sanktionen“ keinesfalls in dieser Form kommen.
„Die Formulierung des Sanktionsgesetzes ist nicht umsetzbar. In dieser Form wird es nicht durch den US-Kongress gehen“, sagt Hardie vorher. Trotzdem habe es grundsätzlich die Funktion, Trump die Hände zu binden, weil das Erheben von Sekundärzöllen gesetzlich verankert würde. Aber auch hier nennt Hardie eine Einschränkung. US-Senator Graham will Trump im Rahmen des Gesetzes „so viele präsidentielle Vorrechte“ einräumen, dass Trump „komplette Flexibilität“ bei der letztlichen Umsetzung von Putins Strafen hätte.
Putin lässt sich offensichtlich nicht von angedrohten neuen Sanktionen oder neuen Waffenlieferungen beeindrucken. Moskau setzt seine nächtlichen Angriffe auf die Ukraine mit Hunderten Drohnen und ballistischen Raketen ungerührt fort. Aus dem Kreml verlautete, der Diktator sei „bereit, mit allem klarzukommen“.
Stefanie Bolzen berichtet für WELT seit 2023 als US-Korrespondentin aus Washington, D.C. Zuvor war sie Korrespondentin in London und Brüssel. Hier finden Sie alle ihre Artikel.
Christina zur Nedden berichtet im Auftrag von WELT seit 2022 aus Asien.
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