Der Gedanke liegt nahe: Die Sommerferien einfach mal nicht im Süden, sondern in kühleren Breitengraden verbringen. Wie ausgeprägt ist dieses "Coolcation" genannte Phänomen?
"Bei 40 Grad in der Sonne braten? Diesmal nicht! Wir gehen in Schottland wandern!" So oder ähnlich mag das schon manche oder mancher von Bekannten gehört haben - oder selber gedacht. Aber abseits von solcher anekdotischer Evidenz - gibt es bereits einen klaren Trend im Tourismus, angesichts der zunehmend heißen Sommer in kühlere Regionen auszuweichen?
Einen Namen hat das Phänomen mit "Coolcation" schon. Aber die großen Reiseveranstalter tun sich schwer, einen klaren Trend auszumachen. Denn der Drang in den Süden ist scheinbar ungebrochen. Die Sommerbuchungen für Spanien, die Türkei oder Griechenland sind seit dem Corona-Einbruch stabil, und die Urlauberinnen und Urlauber lassen sich offensichtlich auch nicht von höheren Preisen abhalten.
"Nordische Länder im Trend"
"'Coolcation' ist in den letzten zwei Jahren als vermeintlich neuer Trend entstanden - die Umsätze sind hier aber sehr gering, vor allem im Vergleich zum klassischen Badeurlaub in Südeuropa", heißt es etwa vom größten deutschen Reiseveranstalter TUI.
"Die nordischen Länder liegen tatsächlich im Trend", bestätigt Wettbewerber DERTOUR. "Es ist aber nicht so, dass sie den warmen Badedestinationen den Rang ablaufen, und Reisende ihren Sommerurlaub im großen Stil in kühlere Regionen verlagern."
Die Reiseveranstalter weisen aber auch darauf hin, dass nordeuropäische Länder keine klassischen Destinationen für Pauschaltourismus sind. "Die Hotel-Infrastruktur ist eine andere als in den Badezielen rund um das Mittelmeer und der Urlaub in den nordischen Ländern individueller", so DERTOUR. Gerade Skandinavien wird eher von Individualtouristen besucht, die oft auch mit dem eigenen Auto anreisen und teils gar nicht über Reiseveranstalter buchen.
Noch keine belastbaren Daten
Kann die Wissenschaft mehr zu dem vermeintlichen Trend sagen? Bisherige Umfragen ergeben jedenfalls noch kein klares Bild. Forscherinnen und Forscher verweisen darauf, dass sich das Reiseverhalten typischerweise nur langfristig ändert. "Wir wissen, dass Touristen sehr standorttreu sind, und etwa selbst nach Katastrophen häufig ihre gewohnten Ziele besuchen", erklärt Tourismusforscher Harald Zeiss von der Hochschule Harz in Wernigerode.
"Wir sehen aber auch bereits, dass das Buchungsverhalten kurzfristiger wird, wegen politischer Krisen, aber auch wegen der Klimabedingungen." Gerade ältere Menschen seien hier sensibel und zeigten eine Tendenz weg von den Sommermonaten in die Randsaison. Ein wissenschaftlich untermauerter Trend sei zwar bisher nicht auszumachen, so Zeiss. "Ich gehe aber auch davon aus, dass sich das Reise- und Buchungsverhalten angesichts der weiter steigenden Temperaturen verändern wird."
EU-Studien prognostizieren starke Veränderungen
Häufig wird auf eine Studie der EU aus dem Jahr 2023 verwiesen, die Zusammenhänge zwischen den klimatischen Bedingungen und den Tourismusströmen untersucht hat. Diese beruht allerdings stark auf Verhaltensannahmen und nicht auf repräsentativen Umfragen. Die Studie geht in verschiedenen Klimaszenarien insgesamt von starken Veränderungen der Tourismusnachfrage aus. "Die nördlichen Regionen profitieren vom Klimawandel, während die südlichen Regionen mit erheblichen Rückgängen der Tourismusnachfrage konfrontiert sind", prognostizieren die EU-Forscher.
Eine weitere EU-Studie aus dem vergangenen Dezember wiederum hebt hervor, dass Europas wärmere südliche Küstenregionen in den Wintermonaten vermehrt Touristen anzögen. Daraus lässt sich zumindest eine leichte saisonale Verteilung der Touristenströme in die südlichen Regionen ableiten, die unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten durchaus wünschenswert wäre.
Jedenfalls mehren sich die Hinweise, dass die anekdotische Evidenz aus dem privaten Umfeld nicht trügt und deutsche Urlauberinnen und Urlauber zunehmend über Reisen in kühlere Regionen nachdenken. Ein solcher Hinweis mögen auch steigende Buchungszahlen in umgekehrter Richtung sein: So hat die Region Hochschwarzwald in den vergangenen Jahren vermehrt Besucher aus Südeuropa, insbesondere Spanien verzeichnet, die vor der dortigen Sommerhitze fliehen.
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