Bürokratie, Energiekosten und Zölle können Firmen ebenso in die Insolvenz treiben wie schlechtes Management. Doch manchmal gibt es für die Pleite auch sehr individuelle Gründe.
Das Glas sei dreiviertel voll, ließ Kanzler Friedrich Merz vorige Woche verlauten und forderte eine bessere Grundstimmung in der Wirtschaft. Dem folgte ein "Investitionsgipfel" mit führenden Unternehmen im Kanzleramt und dem Versprechen hoher Investitionen am Standort Deutschland.
Aufschwung? Noch nicht, denn die blanken Zahlen der Wirtschaftsinstitute und des Statistischen Bundesamts sprechen immer noch von Stagnation und Pleitewelle - die Zahl der Unternehmensinsolvenzen soll 2025 zum fünften Mal in Folge steigen.
Erfolgreich in die Pleite
Getroffen hat es in diesem Monat auch die Firma Vulkan Technic in der Vulkaneifel in Rheinland-Pfalz. Das hochspezialisierte Unternehmen baut Produktionsroboter für namhafte Kunden wie BMW, Tesla, Miele oder Thyssenkrupp, hat für seine Innovationen Fördermittel und Preise erhalten. Das Geschäft, vor allem mit Herstellern von E-Autos, lief. Sogar mit dem Bau einer zusätzlichen Produktionshalle hatte man begonnen.
Doch dann standen die Stromer plötzlich wie Blei bei den Autohändlern. "Dadurch wurden Großaufträge für das Unternehmen immer wieder zeitlich verschoben. Diese Verschiebungen führten zu Leerläufen und damit zu finanziellen Belastungen. Die Fixkosten liefen weiter, während die Einnahmen ausblieben", sagt Pietro Nuvoloni, der Kommunikationsberater des Insolvenzverwalters.
Investor gesucht
Jetzt übernimmt für zwei Monate die Bundesagentur für Arbeit die Löhne der 85 Mitarbeiter, während der Geschäftsbetrieb weiterläuft. Für die Zeit danach muss ein Investor gefunden werden. "Es geht um den Erhalt der Arbeitsplätze und die Sicherung der Zukunft für ein stark spezialisiertes Unternehmen mit Innovationskraft. Und ja, es gibt bereits intensive und konstruktive Gespräche mit zahlreichen Interessenten", versichert Nuvoloni.
Innovation und Geld im E-Auto-Bereich kommt derzeit vor allem aus China. Braindrain, also der Verlust von Fachwissen durch die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte, ist zusätzliches Gift für den Standort Deutschland. Für Vulkan Technic geht es aber ums Überleben: "Häufig setzt sich der Preis bei dem Wettbewerb um die besten Köpfe und Innovationen durch. Die Konkurrenz, sei es aus Fernost oder den USA, lockt innovative Unternehmen mit attraktiven Rahmenbedingungen an. Deutschland muss in der Tat wettbewerbsfähiger werden und innovative Firmen mehr fördern, bevor diese von ausländischen Wettbewerbern aufgekauft werden", so Nuvoloni.
Wegen der Absatzkrise bei Fahrzeugen versucht Vulkan Technic sich jetzt stärker auf Medizintechnik und Konsumgüter zu verlagern, was bisher noch nicht den gewünschten Erfolg zeigt, sagt der Sprecher: "Eine Diversifizierung macht sicherlich Sinn, gleicht aber den Anteil unserer Leistungen und Volumina im Automobilbereich derzeit bei weitem nicht aus." Doch auch den Staat sieht er in der Pflicht, weil dessen Wirtschafts- und Steuerpolitik mittelständische Unternehmen zu wenig im Blick habe und eher auf Großkonzerne abgestimmt sei.
Kapitalhahn zugedreht
Ein weiterer Mittelständler in Schieflage, für den Nuvoloni spricht, ist die Stürtz Maschinenbau GmbH aus Neustadt (Wied) im Westerwald. Der Hersteller von Komplettanlagen für die Kunststofffenster-Produktion hat volle Auftragsbücher, produziert vollumfänglich weiter und ist bis Mitte 2026 ausgelastet.
Für die Produktion der teuren Maschinen benötigt die Firma allerdings laufend Kapital, um für Rohstoffe, Energie, Logistik, IT und Personal in Vorleistung gehen zu können. Einnahmen realisiert Stürtz jedoch erst nach Auslieferung seiner Maschinen. Das Kapital kam viele Jahre vom einzigen Gesellschafter, einem Privat-Equity-Unternehmen aus Berlin. Jetzt war der Gesellschafter nicht mehr bereit, weitere Mittel in das Unternehmen zu investieren. In einem zweiten Schritt, so Nuvoloni, habe das dazu geführt, dass sich auch die finanzierenden Banken zurückgezogen hätten.
Die Konsequenz: Stürtz sei für die Zeit der vorhandenen Aufträge nicht durchfinanziert. Der Liquiditätsengpass hatte letztlich den Insolvenzantrag zur Folge. "Ziel ist es, einen verlässlichen Partner zu gewinnen, der die Weiterentwicklung von Stürtz unterstützt und eine tragfähige Zukunftsperspektive realisiert", sagt Nuvoloni weiter.
Die Krise ist nicht immer schuld
Auffallend bei der Stürtz-Insolvenz: Die Firma war unabhängig von aktuellen Marktgegebenheiten wie gestiegenen Energiekosten, ausufernder Bürokratie, hoher gesetzlicher Vorgaben, dem Zinsniveau, kriselnder Bauindustrie und drohender US-Zölle erfolgreich. Allein die Investitionsentscheidung eines Gesellschafters brachte den Maschinenbauer ins Schlingern.
Nuvoloni bringt es für diesen Auftraggeber so auf den Punkt: "Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland wird keine Maßnahmen treffen können, die die aktuelle Situation bei Stürtz verbessern können."
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