Vier von fünf Landkreisen in Deutschland schreiben rote Zahlen. Viele müssen kürzen, in Bereichen wie dem öffentlichen Nahverkehr und der Gesundheitsversorgung. Das verärgert Bürgerinnen und Bürger.

1.892 Euro - so viel kostet der Schulbus für die vier Kinder von Familie Lamparth pro Jahr: "Das geht doch nicht", findet Mutter Katrin Lamparth. Vor Kurzem kostete der Schulbus für die Lamparths noch weniger als die Hälfte: Familien mit mehreren Kindern mussten nur für die ersten zwei bezahlen, und Grundschulkinder waren ohnehin von den Kosten befreit.

Doch beides gilt nun nicht mehr: Alle müssen bezahlen, und für jedes einzelne Kind auch noch mehr als bisher. Entschieden hat das der Kreistag von Calw, dem Landkreis im Nordschwarzwald, in dem Familie Lamparth lebt.

Sabine Zenker sitzt für die CDU im Kreistag und verteidigt die Entscheidung: "Der Eigenanteil der Eltern musste leider steigen." Zenker verweist auf die finanzielle Lage des Landkreises: "Wir haben dieses Jahr ein Defizit von 27 Millionen Euro." Zuschüsse für den Schulbus gebe es weiterhin, nur nicht mehr im gleichen Ausmaß wie bisher: "Es ist eine freiwillige Leistung, die wir leider finanziell nicht mehr zur Verfügung stellen können."

Löcher in Straßen und Brücken

Lokalpolitikerin Zenker sitzt nicht nur im Kreistag von Calw, sie ist auch Bürgermeisterin von Enzklösterle, einer kleinen Gemeinde in dem Landkreis. Hier arbeitet sie in einem alten Rathaus, das längst saniert werden müsste - doch das wäre viel zu teuer.

Die Brücke über den Hirschbach hatte Löcher, die nur notdürftig mit Beton aufgefüllt wurden: "Das ändert aber leider nichts an der mangelnden Substanz dieser Brücke", sagt die Bürgermeisterin: "Die gehört dringend repariert, aber es fehlt das Geld dafür." Das gelte auch für viele Straßen im Ort, die zahlreiche Schlaglöcher aufweisen.

Deutscher Landkreistag beklagt "Perspektivlosigkeit"

Enzklösterle und der Landkreis Calw sind keine Ausnahme, im Gegenteil: Mittlerweile schreiben mehr als 80 Prozent der Landkreise in Deutschland rote Zahlen, haben also keinen ausgeglichenen Haushalt. Bei den Kommunen insgesamt liegt das bundesweite Defizit mittlerweile bei knapp 25 Milliarden Euro.

Achim Brötel (CDU) ist seit den späten 1990er-Jahren Kommunalpolitiker, fungiert inzwischen auch als Präsident des Deutschen Landkreistags, der Interessenvertretung der Landkreise. "Eine so desaströse Lage, auch so perspektivlos - das habe ich noch nie erlebt", sagt er.

"Das Vertrauen der Bürger leidet"

Er betont die Bedeutung der kommunalen Ebene: "Die Bürgerinnen und Bürger erleben ihren Staat ganz überwiegend vor Ort, im Rathaus oder im Landratsamt." Wenn der Staat dort nicht mehr handlungsfähig sei, leide das Vertrauen der Bürger in Politik und Rechtsstaat, sagt Brötel: "Das bringt am Ende auch die Demokratie in Gefahr."

Zumindest das Vertrauen in den Kreistag hat auch bei Katrin Lamparth gelitten. Gegen dessen Entscheidung, bei den Zuschüssen zum Schulbus zu kürzen, hat sie eine Petition gestartet - und innerhalb kurzer Zeit mehr als 4.000 Unterschriften gesammelt. Trotzdem wurde sie im Kreistag mit ihrem Anliegen nicht einmal angehört. "Denen geht's einfach darum, Kosten zu sparen", sagt sie. Ein Vorwurf, dem die Kreistagsmitglieder angesichts der desaströsen finanziellen Lage in ihrem Landkreis wohl nicht mal widersprechen würden.

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