Die Co-Chefin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, will sich nicht erneut zur Wahl stellen. Das teilte die 26-Jährige im sozialen Netzwerk Instagram mit. Bis zur Neuwahl des Bundesvorstands der Grünen-Nachwuchsorganisation beim Bundeskongress Mitte Oktober in Leipzig bleibt sie noch im Amt.

„Allerliebste Grüne Jugend“, begann Nietzard ihre knapp dreiminütige Video-Botschaft. „Ich habe die letzten neun Monate versucht, eine linke Hoffnung, eine linke Stimme in den Grünen zu sein.“

„Bei den Grünen sind meine Gedanken nicht immer auf Gegenliebe gestoßen“, sagte Nietzard. Schon seit einiger Zeit sei klar, dass sie keine Zukunft „in diesem Bundesvorstand“ haben könne und beklagte Anfeindungen. „Mal wurde ich in Fraktionssitzungen ausgebuht, mal wurde ich von Realo-Spitzenpersonal angeschrien oder von Ministerpräsidenten oder solchen, die es werden wollten, wurde mein Rücktritt gefordert“, sagte sie in Anspielung auf den baden-württembergischen Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und Cem Özdemir, der ihm nachfolgen will.

„Ganz ehrlich, das sollte nicht der Alltag von der Grünen-Jugend-Sprecherin sein.“ Seit einiger Zeit sei klar, dass sie „in diesem Bundesvorstand“ der Partei keine Zukunft haben könne. „Bei ständigen Anfeindungen kann einfach keine gute Politik entstehen und wenn die Parteispitze es nicht schafft, dass diese Anfeindungen enden, dann ziehe ich eben die Konsequenzen für meinen Jugendverband“, resümierte Nietzard.

Nietzard hatte mit Äußerungen in sozialen Medien immer wieder Ärger und Unverständnis in den Reihen der Grünen ausgelöst. Anfang Juni entschuldigte sie sich für ein kurz zuvor hochgeladenes Video zu Gaza und Israel. Die Grüne Jugend erklärte in einem Transparenzhinweis, in der vorherigen Version des Videos sei „nicht deutlich genug geworden, dass der 7. Oktober ein antisemitischer Terroranschlag war“.

In der zu diesem Zeitpunkt bereits geänderten Version hatte Nietzard Medienberichten zufolge geäußert, seit dem 7. Oktober 2023 seien „über 50.000 Palästinenser und 1200 Israelis bei militärischen Operationen umgekommen“.

Nicht die erste Kontroverse

Es war nicht das einzige Mal, dass Nietzard Kopfschütteln bei Grünen-Mitgliedern auslöste. Kurz zuvor, im Mai, hatte sie sich auf ihrem privaten Instagram-Kanal mit einem Pullover gezeigt, auf dem das Kürzel „ACAB“ zu lesen war. Es steht für „All Cops Are Bastards“. Dazu trug sie eine Kappe mit der kapitalismuskritischen Aufschrift „Eat the rich“.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann forderte Nietzard zum Parteiaustritt auf. „Ich verstehe überhaupt nicht, was die bei uns will“, sagte der Grünen-Politiker. Für die Positionen, die Nietzard vertrete, gebe es mit der Linken ein passendes Angebot im Parteienspektrum.

Grünen-Chef Felix Banaszak nannte Nietzards Beurteilung der Polizei „inakzeptabel“. Cem Özdemir, Spitzenkandidat der Partei für die kommende Landtagswahl in Baden-Württemberg, kritisierte, bei den Grünen sei falsch, wer nicht kapiere, dass die Polizei auch Grünen-Werte verteidige.

Nietzard distanzierte sich ein wenig von ihrer Pullover-Aktion. Sie „glaube nicht, dass das der richtige Weg war, um auf die Probleme aufmerksam zu machen“, erklärt sie in einem „Stern“-Podcast. Den Pulli besitze sie „als Privatperson“. Nietzard ist seit Oktober 2024 Co-Sprecherin der Grünen Jugend.

Es war nicht das erste Mal, dass Nietzard provozierte. Erst kürzlich hat Nietzard in einem RBB-Podcast Überlegungen zu möglichem Widerstand gegen eine Regierungsbeteiligung der AfD angestellt – und dabei auch die Option bewaffneter Mittel in den Raum gestellt. Die Aussagen fielen im Format „Freitag Salon“, das von Jakob Augstein moderiert und gemeinsam mit der Wochenzeitung „der Freitag“ produziert wird.

Nach Angaben von Nutzern hatte sie zu Silvester in sozialen Medien gepostet: „Männer die ihre Hand beim Böllern verlieren können zumindest keine Frauen mehr schlagen.“ Der Beitrag wurde nach Kritik gelöscht.

Den Rückzug von FDP-Chef Christian Lindner nach dem desaströsen Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl quittierte sie auf X mit den Worten: „Ich freue mich, dass der Mann von @francalehfeldt jetzt kürzer tritt um ihr Karriere und Kind zu ermöglichen“. Parteikollegin Renate Künast kommentierte den Post. „Jette, das ist unsouverän und macht Dich sehr klein“, schrieb sie.

Zu zweifelhaften Belästigungsvorwürfen gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar erklärte Nietzard, die Unschuldsvermutung gelte vor Gericht. „Aber wir sind eine Organisation, und wir sind kein Gericht.“

„Immer nach oben getreten“

In Ihrem Instagram-Statement betonte Nietzard nun: „In der ganzen Zeit habe ich versucht, Aufmerksamkeit auf linke Themen und auf Ungerechtigkeiten zu lenken. Und auch wenn man meine Art und meinen Weg dabei vielleicht kritisieren will, egal ob bei Polizei oder bei übergriffigen Männern oder beim Rechtsruck in der Migrationspolitik: Ziel meiner Kritik waren immer Menschen in Machtpositionen, die ihrer Verantwortung halt einfach nicht gerecht wurden.“

Sie erklärte: „Man kann vieles über mich sagen, aber auf eins werde ich immer stolz sein, und zwar, dass ich immer nach oben getreten habe und nie nach unten.“ Ihrer Partei gab sie mit: „Grüne müssen Konflikte da führen, wo sie sich für die Menschen lohnen. Das ist mit Superreichen, das ist mit Immobilienkonzernen, die halt dafür verantwortlich sind, dass unsere Scheiß-Mieten so viel zu hoch sind.“ Auch mediale Kampagnen beklagte sie.

Innerhalb des grünen Meinungsspektrums vertritt die Grüne Jugend traditionell sehr linke Positionen. Nietzard war gemeinsam mit Jakob Blasel, ihrem Co-Bundessprecher, wie das Führungsamt in der Grünen Jugend heißt, im Oktober letzten Jahres mitten in einer Krise gewählt worden. Zuvor war der vorige Vorstand zurückgetreten und hatte das mit Entfremdung von den Grünen begründet, bei denen es „mittelfristig keine Mehrheiten (...) für eine klassenorientierte Politik gibt, die soziale Fragen in den Mittelpunkt rückt und Perspektiven für ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem aufzeigt“.

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