Die EU muss vieles erklären, seit sie sich am Sonntag zugestimmt hat, den USA Energie für eine gigantische Summe abzukaufen. Trump passt die Ankündigung wohl ins Konzept.
Sie hatten sich kaum eine Stunde zur Verhandlung zurückgezogen, da sitzen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump am Sonntag schon wieder nebeneinander vor den Kameras. Die Einigung ist da. Es ist der Moment der ersten Botschaften, die die Nachrichten über den Deal prägen werden.
Trump hat einen Zettel in der Hand. Als erstes Detail nennt er: "Die Europäische Union wird sich bereit erklären, von den USA Energie im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen." Zur Sicherheit wiederholt er diese Summe gleich nochmal.
Es ist eine Zahl, die beeindruckend klingt, aber auch Fragen aufwirft. Hat die Kommissionspräsidentin überhaupt die Macht, um so ein Versprechen abzugeben? Warum will die EU so viel Geld für fossile Brennstoffe ausgeben? Hatte doch von der Leyen den Weg zur Klimaneutralität einst als Europas "Mann auf dem Mond"-Moment ausgerufen.
Eine wohlklingende Erfolgsmeldung für Trump
Mittlerweile verstärkt sich der Eindruck, dass Trump am Sonntag die Gelegenheit geboten wurde, eine für ihn wohlklingende Erfolgsmeldung zu verkünden. In der Substanz sind die 750 Milliarden Dollar mehr ein Versprechen als eine Verpflichtung.
Kurz vor dem Abflug aus Schottland sagte von der Leyen zu diesem Thema: Man wolle absolut weg von fossiler Energie aus Russland. Deshalb sei es gut, mehr erschwingliches und besseres Flüssiggas von den USA zu kaufen. Die Schätzung sei, dass man 250 Milliarden pro Jahr hinbekommen könne. Über drei Jahre. Das entspricht der restlichen Amtszeit von Trump.
Jedes Jahr Energie aus den USA für 250 Milliarden? Schon die schiere Menge an fossiler Energie, die die EU kaufen müsste, erscheint unrealistisch. Im Jahr 2024 geschah das im Wert von 76 Milliarden Dollar. Das müsste sich jetzt verdreifachen.
Arturo Regalado, Analyst beim Datenanbieter Kpler, sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Entweder müssten die US-Ölexporte vollständig in die EU umgeleitet werden oder der Wert der LNG-Importe aus den USA müsste sich versechsfachen."
"Wir können Unternehmen zu nichts zwingen"
Und so hat die EU-Kommission auch zwei Tage nach der Einigung in Schottland eine Menge Fragen zu diesem Thema zu beantworten. In ihrer täglichen Pressekonferenz liefert sie Details, die das Bild etwas klarer werden lassen. Zur Vorbereitung auf die Verhandlung befragte die EU-Kommission Unternehmen zu ihren Plänen und Absichten: Was wollen Sie in den USA kaufen oder investieren? Natürlich, so sagt es Handelssprecher Olof Gill, könne die Kommission nicht diktieren, was am Ende passiert: "Wir können das nicht durchsetzen. Wir können Unternehmen zu nichts zwingen."
Wie setzen sich nun die 250 Milliarden Dollar pro Jahr zusammen? Die EU-Kommission spricht von einem "geschätzten Durchschnitt" aller EU-Energie-Importe aus den USA. Eingeflossen seien dabei: Erstens die aktuellen Importe von US-Flüssiggas, Öl, Kernbrennstoffen und entsprechenden Dienstleistungen. Nach Kommissionsangaben sind das bereits jetzt zwischen 90 und 100 Milliarden Dollar. Zweitens: zusätzliche Menge dieser Produkte. Drittens: zentrale Technologie-Exporte und Investitionen, besonders bei der Atomkraft. Aktuell sind in mehreren EU-Ländern Projekte mit Atomkraft in der Diskussion. In den meisten Fällen käme dabei Technologie von US-Unternehmen zum Einsatz. Würde alles realisiert, ginge es laut EU-Kommission um insgesamt ungefähr 300 Milliarden Dollar.
Anna-Kaisa Itkonen, Sprecherin für Energie, sagt, man dürfe die Zahlen nicht so lesen, als würden pro Jahr fossile Brennstoffe für 250 Milliarden Euro gekauft: "Nein. Das ist nicht korrekt."
Wie gut kannte Trump selbst die Details?
Unter dem Strich stellt sich Trumps Aussage, dass die EU sich bereit erkläre, Energie im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen, etwas anders dar. Egal, ob dem US-Präsidenten die Einzelheiten und Details bewusst waren, in seine Kommunikation - auch in die Heimat - hat die von ihm verkündete Erfolgsmeldung gepasst.
Ein wenig erinnert es an einen anderen Deal. 2018 hatte der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Donald Trump während dessen erster Amtszeit von einem Handelskrieg abgebracht. Er hatte unter anderem versprochen, dass die EU mehr Sojabohnen und Flüssiggas kaufen werde. Niclas Poitiers vom Forschungsinstitut Bruegel sagt im Gespräch mit dem ARD-Studio Brüssel: "Das waren aber wie jetzt reine Absichtserklärungen, bedeutsame Schritte sind dem nicht gefolgt."
Mitarbeit: Laura-Charlotte Costan und Lea Hillebrand, ARD-Studio Brüssel
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