Die Bundesregierung plant eine neue Abgabe für alle Stromkunden, sobald die Reservekraftwerke an den Start gehen. Das geht aus einer schriftlichen Frage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Michael Kellner an das Bundeswirtschaftsministerium hervor, die dem Pro-Newsletter „Industrie & Handel“ des Nachrichtenmagazins „Politico“ vorliegt. „Das EU-Beihilferecht fordert im Fall eines Kapazitätsmarkts eine verursachergerechte Refinanzierung“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung.
Zum Hintergrund: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) plant, Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung bis zu 20 Gigawatt bis zum Jahr 2030 als Reserve auszuschreiben. Damit sich die Gaskraftwerke finanziell für die Betreiber lohnen, muss ein Kapazitätsmechanismus geschaffen werden, der die Energieunternehmen allein für die Bereitstellung der Reserve bezahlt. „Die Bundesregierung beabsichtigt die Einführung eines umfassenden Kapazitätsmechanismus, der sich an die Ausschreibungen der überarbeiteten Kraftwerksstrategie anschließt“, heißt es in der Antwort auf die schriftliche Frage dazu.
Grünen-Wirtschaftspolitiker Kellner kritisiert die Bundesregierung für die neue Abgabe: „Es ist klar, dass die Pläne von Katherina Reiche teuer werden, und die Antwort belegt, dass die Kosten auch die Industrie tragen muss.“ Wie hoch die Umlage sein wird, lässt sich der Bundesregierung zufolge noch nicht sagen. „Peinlicherweise verschweigt die Regierung, wie hoch genau, obwohl Berechnungen im Ministerium noch aus der letzten Legislaturperiode vorliegen sollten“, sagte Kellner, „Politico“.
Erste Pläne für einen Kapazitätsmarkt gab es schon unter Reiches Vorgänger Robert Habeck (Grüne). Kellner war damals parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Für einen zentralen Kapazitätsmechanismus ging die damalige Ampel-Regierung von mindestens zwei Cent pro Kilowattstunde als geplante Abgabe auf den Strompreis aus.
Die neuen Kraftwerke sollen in Dunkelflauten und bei Preisspitzen laufen. Reiche hat bereits angekündigt, in diesem Jahr mit ersten Ausschreibungen zu starten.
Eigentlich hatte die schwarz-rote Koalition versprochen, die Strompreise massiv zu senken. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD sind fünf Cent Rabatt pro Kilowattstunde versprochen. Für kommendes Jahr sind im Haushalt 30 Milliarden Euro Entlastungen für den Strompreis festgehalten, darunter Zuschüsse für die Übertragungsnetzkosten, die EEG-Umlage und die Gasspeicherumlage.
Doch schon bei der Stromsteuer konnte die Koalition ihr Versprechen nicht halten. Die vergünstigte Steuer gilt nun doch nur für Industrie und Landwirtschaft, während Handwerker und private Haushalte weiterhin den vollen Satz zahlen müssen. Auch die neue Abgabe widerspricht dem Versprechen der Regierung, die Strompreise zu senken.
Tom Schmidtgen ist Reporter für Industrie und Handel bei „Politico“.
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