• Auch Kretschmer für Änderung der Regeln – aber Klingbeil dagegen
  • Söder fordert Bürgergeld-Entzug für Ukrainer: Kritik von Sozialverbänden
  • Arbeitsmarktexperten sind gegen Bürgergeld-Kürzungen für Ukrainer.
  • Inzwischen sind mehr Ukrainer in Arbeit gekommen.

Auch die Ministerpräsidenten von Thüringen und Sachsen, Mario Voigt und Michael Kretschmer, unterstützen den jüngsten Vorstoß ihres bayerischen Amtskollegen Markus Söder, den in Deutschland lebenden Ukrainern das Bürgergeld zu entziehen. Voigt etwa sagte dem MDR, wer nach Deutschland komme, werde bedingungslos versorgt. Das aber passe nicht zum "deutschen Lebensmodell". Das Land lebe von Arbeit, nicht von staatlicher Versorgung. Wer arbeiten könne, müsse das auch, sagte der CDU-Politiker.

Kretschmer fordert Änderung der Regeln

Und sein Amtskollege im benachbarten Sachsen, Michael Kretschmer, verwies bei MDR AKTUELL darauf, dass Deutschland 47 Milliarden Euro für Bürgergeld ausgebe. Diese Zahl müsse runter, sagte der CDU-Politiker dazu. Alle würden Beispiele kennen, dass Menschen Geld bekämen, die es eigentlich nicht nötig hätten. Und das gelte für Schutzsuchende in besonderer Weise.

Bei den ukrainischen Flüchtlingen habe man den Vergleich zu Frankreich, Polen oder Tschechien, äußerte Kretschmer: "Überall dort ist die Quote der Menschen, die arbeiten, viel, viel höher als bei uns." Das liege aber nicht an den Ukrainern, "sondern an unseren eigenen Regeln", die zu ändern seien, damit sich Leistung wieder lohne: "Wir müssen an unsere eigenen Regeln rangehen, nur dann werden wir wieder zu neuem Wachstum kommen."

Klingbeil erteilt Söder-Vorstoß Absage

Unterdessen erklärte Vizekanzler Lars Klingbeil, er halte wenig von Söders Vorschlag, allen Geflüchteten aus der Ukraine statt Bürgergeld die geringeren Asylbewerberleistungen zu gewähren. Der SPD-Chef sagte am Rande seines Antrittsbesuchs bei US-Finanzminister Scott Bessent: "Mancher Vorschlag, der jetzt in den letzten Tagen gemacht wurde, trägt, glaube ich, nicht dazu bei, dass wir in der Koalition gemeinsam vorankommen." Im Koalitionsvertrag sei klar vereinbart, dass neu ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine kein Bürgergeld mehr erhalten sollten. Das sei eine Entscheidung, die er für richtig halte und die jetzt auch "so schnell wie möglich" umgesetzt werde.

Söder fordert Bürgergeld-Entzug für Ukrainer

Söder hatte am Sonntag im ZDF gefordert, ukrainischen Geflüchteten in Deutschland grundsätzlich kein Bürgergeld mehr zu gewähren, sondern Leistungen wie Asylbewerbern. Diese fallen geringer aus und werden oft als Sachleistungen oder per Bezahlkarte gewährt. Der CSU-Chef hatte in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" unter anderem argumentiert, dass Bürgergeld sei ein Grund, warum hierzulande "so wenige Menschen aus der Ukraine in Arbeit" seien, obwohl sie eine gute Ausbildung hätten.

Kritik von Sozialverbänden

Sozialverbände warnten vor populistischen Überspitzungen in der Debatte um das Bürgergeld. Die Diskussion vergifte das gesellschaftliche Klima, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Und Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch betonte, die überwiegende Mehrheit der Bürgergeld-Bezieher bemühe sich, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Sie hätten "populistische Stimmungsmache nicht verdient".

Auch der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev kritisierte die Debatte um das Bürgergeld für seine Landleute in Deutschland. Im Deutschlandfunk sagte Makeiev, er könne die Diskussion hierzulande zwar nachvollziehen: "Aber die Ukrainer zum Sündenbock zu machen, finde ich nicht richtig."

Arbeitsmarktexperte gegen Bürgergeld-Aus

Aus Sicht von Arbeitsmarktforschern sollten Geflüchtete aus der Ukraine weiter Bürgergeld erhalten. Wenn sie bei den Jobcentern eingebunden seien, helfe das bei der Integration in den Arbeitsmarkt, sagte Herbert Brücker, Leiter des Forschungsbereichs Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung dem Bayerischen Rundfunk. Den Vorschlag von Söder bezeichnete er als "Schnellschuss, der nicht zum Ziel führen wird".

Immer mehr Ukrainer in Arbeit

Aus aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit geht hervor, dass mehr Ukrainer in Deutschland arbeiten. Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland unter Berufung auf die BA berichtet, stieg die Zahl der mit Sozialversicherung beschäftigten Flüchtlinge aus der Ukraine zuletzt um rund 80.000 gegenüber dem Vorjahr auf knapp 272.000.

Zum März hatten demnach rund 701.000 Menschen ukrainischer Staatsbürgerschaft in Deutschland Anspruch auf Bürgergeld. Darunter seien 502.000 Erwerbsfähige gewesen. Arbeitslos gemeldet seien aktuell 217.000 Ukrainer. Davon suchten den Angaben zufolge 58 Prozent eine Helfer- und 36 Prozent eine qualifizierte Tätigkeit. Etwa 24.000 Ukrainer besuchten im Mai einen vom Jobcenter geförderten Berufssprachkurs.

dpa/AFP/epd/KNA/MDR (dni,mbe,ksc)

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.