Der vergangene Mittwoch war ein guter Tag für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Ein sehr guter sogar. Denn das Bundeskabinett gab grünes Licht für eine gewaltige Zahl neuer Stellen in der Bundeswehr. Demnach wächst die Armee um 10.000 neue Planstellen für Soldaten, dazu werden absehbar 20.000 Stellen für den neuen Wehrdienst finanziert. Und auch die Wehrverwaltung, also der zivile Arm der Truppe, kann sich über mehr Personal freuen. 2000 neue Stellen sind für Angestellte und Beamte vorgesehen. Denn: Auch hier sorgt der demografische Wandel für einen Bedarf.
Vor diesem Hintergrund für Kopfschütteln im Verteidigungsministerium sorgen nun schon im Februar überraschend geänderte Ruhestands-Regelungen für Beamte. Bis dahin galt ein Erlass von September 2018, wonach Beamte nur dann in den vorzeitigen Ruhestand mit 60 gehen können, wenn dienstliche Belange dem nicht entgegenstehen. Mit anderen Worten: Wer früher in Rente gehen wollte, dem konnte das Ministerium das verweigern.
„Friendly fire“ für Pistorius
Hintergrund war, dass bis dahin sehr viele Beamte solche Anträge auf vorzeitigen Ruhestand stellten, die Bundeswehr aber personell wachsen sollte. Folglich behielt sich die Personalabteilung fortan Einzelfallprüfungen vor. Am 24. Februar dieses Jahres hob die Abteilung von Pistorius’ oberster Personalchefin Oda Döring diese Regelungen in einem internen Dokument (liegt WELT vor) jedoch auf. Begründung: Seit 2020 gebe es nur noch wenig solcher Anträge, weshalb eine restriktive Regelung nicht mehr nötig sei. Nun sollen die Anträge ohne Einschränkungen möglich sein.
Dass es die wenigen Fallzahlen möglicherweise aber genau wegen dieser restriktiven Regelung gab und die Bundeswehr jetzt wieder wachsen will, scheint man offenbar in Dörings Abteilung anders oder gar nicht gesehen zu haben. Ministeriumsintern wird so oder so bereits scherzhaft von kommunikativem „friendly fire“ für Pistorius gesprochen. Tatsache ist aber auch: Wer tatsächlich in den vorzeitigen Ruhestand gehen will, muss Abschläge von bis zu elf Prozent seines Ruhegeldes hinnehmen. Daher ist offen, wie viele Leute das Angebot wirklich annehmen. Die Zahl sei zuletzt gestiegen, heißt es, aber nicht sehr hoch.
Eine wiederholte Anfrage ließ das Ministerium am Donnerstag zunächst unbeantwortet. Am Freitagnachmittag teilte eine Sprecherin schließlich mit: „Sowohl das geringe Antragsaufkommen nach § 52 Abs. 3 BBG in der Bundeswehrverwaltung auf der einen Seite als auch die weiterhin erfreuliche Bewerbungslage für die Bundeswehrverwaltung im Bereich der Beamtinnen und Beamte führen zu keinerlei personalstrategisch erheblichen Auswirkungen, weder im Hinblick auf die Regeneration des ausscheidenden Personals noch insgesamt mit Blick auf den weiteren angestrebten personellen Aufwuchs im zivilen Bereich.“
Zudem betont der Verband der Beamten und Beschäftigten in der Bundeswehr am Freitag, dass die grundsätzliche Antragsmöglichkeit nie beschränkt war. Und auch jetzt würden Anträge „nicht einfach gewährt.“ Im eigenen Fachblatt heißt es dagegen in der April-Ausgabe selbst: „Antrag auf vorzeitigen Ruhestand nach § 52 Abs. 3 BBG wieder ohne Einschränkungen möglich“
Lars Petersen ist Leiter National im Investigativ-Team von WELT, Business Insider Deutschland und Politico Deutschland und kümmert sich seit Jahren um Machtkämpfe und Affären hinter den Kulissen von Wirtschaft und Politik. Sie haben Hinweise für ihn? Dann melden Sie sich gerne beim Autor, auch vertraulich – per E-Mail oder über den verschlüsselten Messenger Threema (WTJPZ7PN).
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