- Die meisten älteren Männer werden als berufserfahrene Fachkräfte gebraucht, die ohnehin in vielen Branchen fehlen.
- Viele Ältere haben bereits den Wehrdienst absolviert und könnten eher als Reservisten infrage kommen.
- Wegen fehlender Mehrheiten im Bundestag, ist eine Rückkehr zum alten Wehrdienst-Modell am wahrscheinlichsten.
Die Frage, warum ausgerechnet junge Menschen wieder zum Wehrdienst eingezogen werden sollen, findet der Dresdner Militärpfarrer Klaus Kaiser nachvollziehbar: "Bei allen Pflichten, die jetzt so anstehen, wird immer gedacht: 'Ja, was könnte mal die Jugend für uns tun?' Und gleichzeitig haben wir den Eindruck, schon in der Corona-Zeit haben die eigentlich am meisten abbekommen. Das tut uns hinterher furchtbar leid, aber bei der Wehrpflicht sind sie dann auch wieder dran. Insofern finde ich dieses Gefühl, dass dort eine Gerechtigkeitslücke besteht, zutreffend."
Fachkräftemangel versus Einberufung
Kaiser gibt aber zu bedenken: Die "Boomer" und "Generation X" aus dem Beruf zu ziehen, das bedeute auch, man reiße Menschen mit jahrelanger Berufserfahrung aus ihrer Tätigkeit als Fachkräfte – die ohnehin an allen Ecken fehlen. Auch die Handwerkskammern warnen vor der Einziehung von dringend benötigten Fachkräften.
Jens Lehmann, Bundestagsabgeordneter der CDU und Mitglied im Verteidigungsausschuss, führt ähnliche Argumente an: "Es ist ein Dienst an der Gesellschaft für unser Land. Und da, finde ich, muss man irgendwo anfangen. Und da ist es am gerechtesten, am effektivsten – auch von der Leistungsfähigkeit her – junge Menschen einzuziehen, wenn sie 18 sind, wenn sie noch am Anfang ihrer Karriere stehen, auch beruflich."
Ältere Männer haben oft schon "gedient"
Patrick Sensburg, Präsident des Reservistenverbands, fügt hinzu: Der Großteil der älteren Männer in Deutschland habe den Wehrdienst – oder Ersatz dafür – bereits abgeleistet. "Und da glaube ich, dass die Heranziehung auch junger Menschen, junger Jahrgänge keine Benachteiligung ist. Sondern es bietet auch die Chance, dass man beispielsweise bei den Eltern einmal nachfragt: 'Wie war denn dein Dienst eigentlich damals?' Die müssten eigentlich alle gedient haben." Auch diese ehemaligen Soldaten würden bei einer neuen Wehrpflicht wieder mehr in den Fokus rücken und ihren Teil zu einer größeren Bundeswehr beitragen, so Sensburg.
Militärpfarrer Kaiser sieht bei den Boomern und frühen Gen Xern trotzdem Potenzial, auch um ein paar weniger dienstwillige junge Menschen vor der Pflicht zu bewahren. "Weil ja die Wehrpflicht auch das Ziel hat, die Zahl der Reservisten zu vergrößern: Ob man tatsächlich unter den Boomern nochmal sehr gezielt nachfragt, wer gedient hat und wer sich unter den veränderten Bedingungen jetzt eventuell für einen Reservedienst zur Verfügung stellen würde, was er direkt nach Ableistung der Wehrpflicht nicht gemacht hat – oder vielleicht auch aussortiert worden ist." Vermutlich würde das die Zahl der Reservisten jedoch nur moderat erhöhen.
Rückkehr zum alten System wahrscheinlicher
Das zeigt das Dilemma der Bundesregierung, die gerade ein Gesetz vorbereitet: Bleibt der Wehrdienst freiwillig, fehlen Soldaten. Reaktiviert man die Wehrpflicht, würde das Massenmusterungen von 18-jährigen Männern bedeuten – wie sie bis 2011 stattfanden. Oder es wäre eine Reform per Verfassungsänderung nötig, um etwa auch Frauen einzuschließen.
Der CDU-Abgeordnete Jens Lehmann hält so vorerst nur eine Rückkehr zum alten System für realistisch: "Alles andere? Da sehe ich im Bundestag absolut keine Chance, dafür irgendwann eine Zweidrittelmehrheit zu bekommen."
Dass eine Wehrpflicht nicht zwangsläufig den Dienst an der Waffe bedeute, betonen alle von MDR AKTUELL Befragten. Und wer sich freiwillig ausbilden lassen wolle, könne das jederzeit tun, sagt Reservistenverbandschef Sensburg, ob mit Vorerfahrung bei der Bundeswehr oder ohne. Die Altersgrenze für Reservisten liegt nämlich bei 65 Jahren.
MDR AKTUELL
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