Das Marinegeschäft von Thyssenkrupp wächst, maßgeblich durch Rüstungsaufträge. Jetzt wird Deutschlands größter Marineschiffbauer selbstständig und geht an die Börse - nicht ohne Konsequenzen.

Aktionärinnen und Aktionäre von Thyssenkrupp sind Kummer gewohnt. Der Industriegigant aus dem Ruhrgebiet steckt seit vielen Jahren in der Krise. Seit Februar bietet sich den Aktionären aber plötzlich ein ungewohntes Bild, wenn sie auf den Aktienkurs ihres Unternehmens blicken. Innerhalb eines halben Jahres hat sich der Kurs mehr als verdoppelt.

Als maßgeblicher Treiber dieser Entwicklung gilt die Marinesparte. Der globale Rüstungsboom sorgt für volle Auftragsbücher bei Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS). Von Norwegen bis Singapur werden U-Boote bestellt. Ausgerechnet diese Perle innerhalb des eigenen Unternehmens will Thyssenkrupp nun teilweise abgeben. Was steckt dahinter?

Vom Tanker zum flexiblen Schnellboot

Innerhalb der Seefahrtslogik kann man es so ausdrücken: Das Marinegeschäft löst sich vom großen Tanker Thyssenkrupp und soll so zu einem flexiblen Schnellboot werden. "Höhere Agilität", verspricht sich Thyssenkrupp-Chef Miguel Lopez davon. Außerdem bringe der Schritt finanzielle Vorteile mit sich. "TKMS bekommt direkten Zugang zum Kapitalmarkt und kann Investitionen in neue Technologien und Märkte aus eigener Kraft vorantreiben", so Lopez.

Der Gesamtkonzern will auch weiterhin von der Marinesparte profitieren. Mit 51 Prozent der Anteile soll Thyssenkrupp Mehrheitseigner bleiben. Der restliche Teil von TKMS geht anteilsmäßig an die bestehenden Aktionäre des Gesamtkonzerns.

Unternehmenschef Lopez spricht von einem "Schritt, der in eine neue Zeit führt". Das Ziel sei es, Thyssenkrupp in eine strategisch geführte Holding umzuwandeln. Damit wäre das Unternehmen eine Art Muttergesellschaft mit eigenständigen Tochterunternehmen. Eine solche Tochter ist bereits das Wasserstoffunternehmen Thyssenkrupp Nucera. Kritikerinenn und Kritiker sprechen hingegen von einer Zerschlagung des Traditionskonzerns.

Thyssenkrupp-Aktie ohne Marinesparte weniger attraktiv?

Ohne die boomende Marinesparte könnte der Gesamtkonzern weniger attraktiv für Investoren werden. Die DZ-Bank (Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank) rät bereits seit Ende Juli zu einem Verkauf der Thyssenkrupp-Aktie. Die Erwartung einer Abspaltung von TKMS sei bereits weitgehend im Preis enthalten. Weitere kurzfristige Kurstreiber seien derzeit kaum erkennbar, so die Analyse. "Es besteht die Gefahr, dass vor allem schwächere Einheiten in der Holding verbleiben", sagt Dirk Schlamp von der DZ-Bank.

Die Gewerkschaft IG Metall fordert einen Einstieg des Staates bei TKMS. "Nur so können wir auf Augenhöhe mit europäischen Wettbewerbern, bei denen überall der Staat beteiligt ist, mithalten", sagt die Geschäftsführerin der IG Metall Kiel-Neumünster, Stephanie Schmoliner. Eine Staatsbeteiligung ist durch die Bundesregierung derzeit offenbar nicht vorgesehen, allerdings steht ein Vorkaufsrecht für den Bund im Raum. Insgesamt sieht die IG Metall die Abspaltung als Schritt in die richtige Richtung.

Aktionäre stimmen mit großer Mehrheit für Abspaltung

Auch Aktionärsvertreter äußerten sich bei der außerordentlichen Hauptversammlung mehrheitlich positiv zu den Plänen. "Wir sehen deutlich mehr Chancen als Risiken", sagt Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, einer Interessensvereinigung von Aktienbesitzern. Durch die abgegrenzten Geschäftsmodelle steige die Attraktivität für Investoren. "Eine klare Fokussierung auf das jeweilige Geschäft kann zu einer besseren Unternehmensführung und damit zu besseren Entscheidungen führen", so Tüngler.

Die Zustimmung der Aktionärinnen und Aktionäre fiel schließlich sehr deutlich aus. 99,96 Prozent der abgegebenen Stimmen waren für die Abspaltung des Marinegeschäfts. Thyssenkrupp rechnet damit, dass es bereits im Oktober zum Börsengang kommen wird.

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