Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bietet bislang eine Informationsbroschüre zum Thema Bürgergeld in verschiedenen Fremdsprachen an – neben Deutsch auch auf Arabisch, Bulgarisch, Englisch, Französisch, Farsi, Rumänisch, Russisch, Ukrainisch und Türkisch. Künftig soll das Merkblatt jedoch ausschließlich auf Deutsch und in leichter Sprache zur Verfügung gestellt werden. Eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit teilte diese Entscheidung der „Bild“-Zeitung am Montag mit.

Auf Anfrage von WELT erklärt die Bundesagentur für Arbeit: „Die Downloads der fremdsprachigen Merkblätter zum Bürgergeld waren zuletzt relativ gering, der Pflegeaufwand bei Aktualisierungen aber hoch. Da mittlerweile zudem fast alle Browser eine Übersetzungsmöglichkeit integriert haben, ist die Entscheidung gefallen, bei den nächsten wesentlichen Änderungen die Merkblätter nicht mehr in anderen Sprachen zur Verfügung zu stellen.“

Wie reagieren die Parteien im Bundestag auf diese Neuerung?

Ottilie Klein (CDU), Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, sagt WELT, sie halte die Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit für richtig: Wer bedürftig sei, solle Hilfe bekommen und das auch in mehreren Sprachen – vor Ort im Jobcenter. „Aber Online-Auftritte, die mehrsprachig für staatliche Sozialleistungen werben, sind etwas völlig anderes“, so Klein, denn: „Das untergräbt das Vertrauen in unseren Sozialstaat und liefert Munition für populistische Stimmungsmache. Deutschland braucht mehr qualifizierte Zuwanderung – nicht mehr Einwanderung in den Sozialstaat.“ Die Visavergabe für Fachkräfte müsse schneller und digitaler werden. Gleichzeitig müsse das System regelmäßig auf Fehlanreize geprüft werden, – „um es fair und zukunftsfest zu halten“.

Die Fraktion des Unions-Koalitionspartners SPD beantwortete eine entsprechende WELT-Anfrage nicht. Schwarz-Rot plant laut Koalitionsvertrag, das Bürgergeld zu reformieren und durch eine „Grundsicherung“ zu ersetzen. Dabei soll es auch um härtere Sanktionen gegen arbeitsunwillige Bezieher gehen.

Wie das Sozialministerium auf AfD-Anfrage mitteilte, gab der Staat im vergangenen Jahr rund 47 Milliarden Euro für die Leistung aus – rund vier Milliarden mehr als im Vorjahr. Demnach sind unter den Empfängern Hunderttausende Ukraine-Flüchtlinge. An sie seien 2024 rund 6,3 Milliarden Euro geflossen. Nach Zahlen der BA, über die der „Münchner Merkur“ berichtete, sind rund 48 Prozent der Bürgergeld-Empfänger Ausländer. Ukrainer sind unter ihnen die größte Gruppe, gefolgt von Syrern, Afghanen und Türken.

AfD greift Nahles an – und die Linke die AfD

Bereits am Sonntag – also einen Tag vor Bekanntwerden der Entscheidung der Arbeitsagentur – hatte sich René Springer, Sprecher für Arbeit und Soziales der AfD-Bundestagsfraktion, auf X über die Merkblätter beschwert. Er schrieb: „Kein Wunder, dass die Einwanderung in unsere Sozialsysteme explodiert – die Bundesregierung macht mit solchen Broschüren regelrecht Werbung dafür.“

Auf Anfrage von WELT erklärt Springer, die Merkblätter hätten eine weltweite Signalwirkung: „In Deutschland gibt es sehr großzügige Sozialleistungen – ohne jede Bindung an das Land und fast ohne Gegenleistung.“ Das sei ein Pull-Faktor, der sofort abgeschaltet werden müsse. Seine Fraktion fordere deswegen: Bürgergeld dürfe es nur für Deutsche geben – und für alle anderen erst nach zehn Jahren existenzsichernder Erwerbstätigkeit und unter Nachweis guter Deutsch-Kenntnisse, befristet auf ein Jahr.

Die Abschaffung der fremdsprachigen Broschüren erklärt Springer für einen allenfalls symbolischen Schritt. „Fakt ist: Früher oder später haben praktisch alle Ausländer in Deutschland Anspruch auf Bürgergeld oder vergleichbare Leistungen. Solange dieses System bestehen bleibt, bleibt Deutschland ein Magnet für Sozialmigration.“

Dass die Abschaffung der fremdsprachigen Broschüren erst nach öffentlicher Kritik erfolgt sei, zeige, dass es bei der Bundesagentur für Arbeit keinerlei Problembewusstsein gebe. „Frau Nahles ist an der Spitze der BA völlig fehl am Platz“, kritisiert Springer. Andrea Nahles ist seit 2022 Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit; zuvor war sie lange Jahre SPD-Politikerin, unter anderem war sie Bundesarbeitsministerin sowie Parteivorsitzende. „Diese Behörde braucht eine Führung, die bereit ist, den Sozialstaats-Magneten endlich abzuschalten“, fordert Springer.

Die Linke kritisiert die Abschaffung der übersetzten Bürgergeld-Merkblätter: „Es gibt kaum etwas Sinnloseres, als den Zugang zu Informationen zu erschweren. In den vielerorts ohnehin schon überlasteten Ämtern wird das zu Missverständnissen und längeren Bearbeitungszeiten führen“, sagt die flucht- und innenpolitische Sprecherin Clara Bünger WELT.

„Für Menschen, die wenig oder kein Deutsch verstehen, aber Bürgergeld beantragen möchten, bedeutet die Entscheidung Schikane“, sagt Bünger. „Sie wird aber sicher nicht dazu führen, dass Menschen massenhaft auf Bürgergeld verzichten oder gar aus Deutschland ausreisen, wie es sich Rassisten von der AfD erträumen.“ Die Linke-Politikerin findet deutliche Worte in Richtung Bundesagentur für Arbeit: „Dieses Einknicken vor rechter Stimmungsmache ist dumm und erbärmlich, sonst gar nichts.“

Auch Andreas Audretsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, steht der Abschaffung der fremdsprachigen Merkblätter kritisch gegenüber: „Die Jobcenter müssen in Arbeit, Aus- und Weiterbildung vermitteln, das ist Priorität Nummer eins.“ Dazu müssten sich die Jobcenter aber mit den Menschen verständigen können – und dafür im Zweifelsfall auch Fremdsprachen nutzen. „Verständnisprobleme bringen niemanden in Arbeit“, moniert Audretsch. „Es sind dieselben Leute, die einerseits Menschen im Bürgergeld als faul beschimpfen und zugleich die Jobcenter daran hindern wollen, Menschen in Arbeit zu bringen. Das zeigt, wie verkommen die Debatte mittlerweile ist.“

Auch Verbände kritisieren die Entscheidung. So fordert Elena Weber, Referentin für Arbeitsmarktpolitik bei der Diakonie: „Auch Bezugsberechtigte, die wegen ihres Alters oder aus anderen Gründen keine automatisierten Übersetzungsdienste aus dem Internet benutzen können, müssen ihr Recht wahrnehmen können.“ Kostensenkende Auswirkungen seien nur in geringem Maße zu erwarten.

Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, sagt: „Die Behauptung, dass Übersetzungen von Informationen und Rechtshinweisen eine ‚Einladung zum Sozialtourismus‘ seien, ist infam und falsch. In den Flyern wird im Gegenteil betont, dass Menschen mit ausländischem Wohnsitz und Asylbewerber in der Regel keinen Anspruch haben.“ Es brauche eher mehr Aufklärung über soziale Rechte, – denn etwa die Hälfte der Berechtigten nehme ihre Ansprüche gar nicht wahr. „Der Nichtgebrauch sozialer Leistungen, nicht deren angeblicher Missbrauch, prägt die sozialstaatliche Realität“, so Rock.

Weiter konstatiert Rock: „Bestehende Informationsangebote zu kappen, ist ein Bürokratieförderprogramm erster Klasse.“ Er prognostiziert, die Streichung von niedrigschwelligen Informationsangeboten werde zu unnötigen und aussichtslosen Antragsverfahren und vermeidbarem Beratungsaufwand führen – und damit zu einem erheblichen zusätzlichen Aufwand einerseits und Frustration und Enttäuschung andererseits.

Uma Sostmann ist Volontärin bei WELT. Ihr Stammressort ist die Innenpolitik.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.