Der Außenminister hat sich im Vergleich zum Kanzler an diesem Montag den deutlich angenehmeren Job gesichert. Während Friedrich Merz (CDU) in Washington erneut damit beschäftigt ist, US-Präsident Donald Trump in dessen Initiativen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs irgendwie wieder auf europäischem Kurs zu führen, ist des Kanzlers Chefdiplomat Johann Wadephul (CDU) zum Auftakt seiner ersten Asien-Reise in Japan eingetroffen, dem, wie er sagt, deutschen „Premium-Partner“ in Fernost.
Deutschland verbinde mit Japan „eine langjährige, tiefe Freundschaft und eine enge Kooperation. Wir teilen gemeinsame Werte, wir haben gemeinsame Interessen“, sagte Wadephul nach dem Treffen mit seinem japanischen Amtskollegen Takeshi Iwaya in Tokio. Das deutlich zu machen, sei „in einer Zeit von Krisen und Kriegen von herausgehobener Bedeutung“.
Zunächst aber beschäftigte Russlands Angriff auf die Ukraine Wadephul auch rund 9000 Kilometer von der Heimat entfernt. Die ganze Welt blicke nach Washington, auf die Gespräche des amerikanischen Präsidenten mit Merz, den Europäern und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, sagte Wadephul in der japanischen Hauptstadt. Dabei müsse es zentral um „feste Sicherheitsgarantien“ als Element einer Verhandlungslösung gehen, so der deutsche Außenminister: „Denn die Ukraine muss auch nach einem Waffenstillstand und Friedensschluss in der Lage sein, sich wirkungsvoll zu verteidigen.“
Kanzler Merz habe bei dieser Aufgabe bewusst eine Führungsrolle übernommen, hatte Wadephul bereits bei seinem Abflug formuliert: „Wir wissen, dass wir in entscheidenden Tagen von Verhandlungen sind und werden unser gesamtes außenpolitisches Gewicht dafür zur Verfügung stellen, dass diese Woche eine gute für die Ukraine wird.“ Es gehe um einen gerechten Frieden, „der grundlegende Sicherheitsinteressen der Ukraine und Europas wahrt“. Dafür müsse sich Moskau „endlich bewegen. Bis das passiert, muss der Druck auf Russland erhöht werden, auch mit verstärkten Ukraine-Hilfen“, sagte Wadephul.
Wie derlei feste Garantien für die Ukraine aussehen könnten, dazu hatte der Minister nur Hoffnungswerte zu bieten. Er verwies auf die allgemeine Ankündigung Trumps, dass die USA bereit sein könnten, sich an Sicherheitsgarantien zu beteiligen. Die Bundeswehr dagegen könne das nicht, sagte der Minister „Table Media“ am Rande seines Besuchs; die deutschen Streitkräfte seien mit ihren Aufgaben in der Nato wie der Aufstellung einer Kampfbrigade zur Stationierung in Litauen umfänglich ausgelastet.
Damit legte Wadephul das deutsche Dilemma offen: Man hofft weiterhin, die Amerikaner in Europa irgendwie im Boot halten zu können. Die Erwartung der USA aber, dass die Europäer bei der Absicherung der Ukraine in der ersten Reihe stehen, vermag die Bundesregierung mangels ausreichender militärischer Fähigkeiten auch über drei Jahre nach Ausrufung der sogenannten „Zeitenwende“ nicht zu erfüllen.
„Europäische und asiatischer Sicherheit aufs Engste verknüpft“
Immerhin die Japaner weiß Wadephul an der Seite Europas – und will die ohnehin enge Kooperation mit dem asiatischen Verbündeten deshalb weiter vertiefen. „Unsere Freiheit, unser Wohlstand und unsere Sicherheit – die Ziele, die mich als Außenminister leiten – entscheiden sich nicht allein in Europa“, sagte Wadephul. „Sie entscheiden sich gerade auch im Zusammenspiel mit starken Partnern weltweit.“
Wadephul dankte den Japanern „für die fortdauernde politische, wirtschaftliche und humanitäre Unterstützung der Ukraine“. So beteiligt sich Tokio an der Umsetzung der europäischen Sanktionen gegen Russland und hat die Ukraine darüber hinaus mit bislang rund zwölf Milliarden Dollar Finanzhilfen unterstützt. Die japanischen Freunde, gestand der Minister laut Redemanuskript in einem Vortrag bei der Sasakawa Peace Foundation ein, hätten „vielleicht noch früher“ als Deutschland erkannt, „dass europäische und asiatische Sicherheit aufs Engste miteinander verknüpft sind“.
Der russische Angriffskrieg etwa betreffe auch die Stabilität im Indopazifik: „Wenn Russland heute vor allem nordkoreanische Artilleriegranaten auf die Ukraine abfeuert, dann untergräbt das die Sicherheitsordnung Europas – aber es bringt auch die Kräftebalance in Asien aus dem Gleichgewicht.“ Denn es sei absehbar, dass Russland sich dafür gegenüber Nordkorea erkenntlich zeigen werde – etwa durch den Transfer von Technologie und militärischer Expertise.
Russlands Krieg werde außerdem und vor allem durch entscheidende chinesische Unterstützung ermöglicht, führte Wadephul aus: „80 Prozent der Dual-Use-Güter, die Russland verwendet, kommen aus China. Und zugleich ist China der größte Abnehmer von russischem Öl und Gas.“ Peking predige zwar die Prinzipien der Nichteinmischung und territorialen Integrität, untergrabe sie in Wahrheit aber in der Ukraine. Deshalb seien durch den Krieg in dem Land nicht nur europäische, sondern auch asiatische Sicherheitsinteressen massiv betroffen.
Das ist alles richtig beschrieben, nur kann die angestrebte „strategische Partnerschaft“ keine Einbahnstraße sein. Das deutsche Engagement zur Unterstützung der asiatischen Verbündeten wie Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland erschöpft sich bislang vor allem in Symbolik. Wadephul verwies auf die seit 2021 regelmäßig praktizierten gemeinsamen Übungen von Land-, Luft- und Seestreitkräften: „Mit den Fregatten, die wir nun schon mehrmals entsandt haben, zeigen wir unser Interesse an der Sicherheit und Geltung des Völkerrechts auch im Indopazifik“, so der Minister. Die Freiheit der Seewege zum Beispiel in der Straße von Taiwan oder die Überwachung der internationalen Sanktionen gegen Nordkorea sei nicht nur für Japan, sondern auch für Deutschland „ein zentrales außen- und sicherheitspolitisches Interesse“.
Merz allerdings hatte das „indopazifische Deployment“ der Bundeswehr und anderer Europäer noch im Bundestagswahlkampf als reichlich dürftigen Beitrag eingeordnet. „Unsere Partner im Indopazifik brauchen ein Signal, dass unsere Präsenz vor Ort nicht mit der gelegentlichen Durchfahrt einer Fregatte erschöpft ist“, hatte der damalige Kanzlerkandidat Ende Januar in einer außenpolitischen Grundsatzrede postuliert. „Unsere Verbündeten in dieser geostrategisch zentralen Region müssen wissen, dass wir aktiv zu Stabilität und Freiheit in der Region beitragen wollen. Deshalb rege ich an, eine dauerhafte europäische Marinebasis im Indopazifik zu errichten.“ Dieser Vorschlag aber hat es nicht in den Koalitionsvertrag von Union und SPD geschafft, er steht deshalb nicht auf Wadephuls Reiseagenda.
Der Minister gibt sich in Tokio eher als sicherheitspolitischer Lehrling. So sei Japan ein „globaler Vorreiter“ beim Thema Wirtschaftssicherheit und habe es geschafft, seine Rohstoffabhängigkeit von China drastisch zu reduzieren – anders als die Bundesrepublik. So würden die jüngsten chinesischen Exportkontrollen unter anderem für Seltene Erden etwa zur Chipherstellung japanische wie deutsche Firmen gleichermaßen treffen. „Gerade dabei, gefährliche Abhängigkeiten kritisch in den Blick zu nehmen, Verwundbarkeiten zu reduzieren und wirtschaftliche Resilienzen aufzubauen, können wir als Deutschland noch viel von Japan lernen“, sagte Wadephul.
Für Deutschland gehe es jetzt sehr konkret darum, Lieferketten zu diversifizieren und zügig kritische Abhängigkeiten zu minimieren. Japan sei bei diesem „De-Risking“ schon sehr weit, habe beispielsweise früh eine eigene Wirtschaftssicherheitsstrategie entworfen und massiv in die Diversifizierung der Rohstoffimporte investiert. Auch im Bereich der Exportkontrolle von Hochtechnologiegütern habe Tokio sehr viel dafür getan, „dass Schlüsseltechnologien wie KI, Halbleiter, Robotik und Biotechnologie nicht ungewollt an Konkurrenten abfließen, die sich nicht dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb stellen müssen“.
Immerhin, auch im Auswärtigen Amt in Berlin gebe es mittlerweile „ein eigenes Referat für Wirtschaftssicherheit“. Er wolle die Partnerschaft mit Japan auf diesem Gebiet und auch in der Rüstungsindustrie oder der Cybersicherheit weiter vertiefen, kündigte Wadephul an.
Privat ist der Minister dabei schon um einiges weiter. Seit seine Töchter auf einem Gymnasium in Kiel Japanisch gelernt und das Land im Rahmen eines Schüleraustausches bereist haben, beschäftigt sich Wadephul intensiv mit Politik und Kultur Japans. Der Lohn für dieses persönliche Engagement: Der Deutsche wird in Tokio nicht nur vom Außen- und einigen weiteren Ministern empfangen, sondern auch von Ministerpräsident Shigeru Ishiba.
Der politische Korrespondent Thorsten Jungholt schreibt seit vielen Jahren über Bundeswehr und Sicherheitspolitik. Seinen Newsletter „Best of Thorsten Jungholt“ können Sie hier abonnieren.
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