Inhalt des Artikels:

  • Werden in Deutschland nun flächendeckend Schutzräume eingerichtet?
  • Welche Bauten kommen in Mitteldeutschland infrage?
  • Wie soll die Bevölkerung den nächsten Schutzraum finden?
  • Welche Ausstattung sollen Zivilschutzräume haben?
  • Wogegen sollen die geplanten Räume überhaupt schützen?
  • Wie viele Schutzräume gibt es momentan noch in Deutschland?
  • Warum wurden ältere Schutzräume und Bunker geschlossen?
  • Gibt es in anderen Ländern noch zivile Schutzräume oder Schutzbunker?
  • Gibt es Anbieter, die für Privatleute Schutzräume bauen?

Werden in Deutschland nun flächendeckend Schutzräume eingerichtet?

Das ist nicht entschieden. Bund und Länder arbeiten derzeit an einem Konzept für Schutzräume, das voraussichtlich im Herbst veröffentlicht werden soll.

Einzelheiten stehen noch nicht fest. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt deutete jedoch im Juli an, dass die Bundesregierung vor allem Mehrzweckbauten im Sinn hat. Der CSU-Politiker sprach seinerzeit in der ARD von "Parallelnutzungen". Das bedeutet vermutlich, dass öffentliche Bauten wie Bahnhöfe oder Tiefgaragen künftig wieder als mögliche Zufluchtsorte ausgestattet werden sollen. Solche Vorrichtungen gab es auch während des Kalten Krieges.

Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler, nannte ebenfalls Tunnel, U-Bahnhöfe, Tiefgaragen und Keller öffentlicher Gebäude, die als Schutzräume ertüchtigt werden sollen. So könnten nach seiner Aussage schnell eine Million Schutzplätze geschaffen werden. Der Neubau von Bunkern dauere zu lange. "Wir benötigen eine schnellere Lösung", sagte Tiesler.

Wie das BBK auf Anfrage von MDR AKTUELL mitteilte, werden derzeit Kriterien für "öffentliche Zufluchtsorte" abgestimmt, um "eine Identifikation geeigneter Bausubstanz zu ermöglichen". Anschließend sollen die passenden Bauwerke bundesweit zügig erfasst werden.

Welche Bauten kommen in Mitteldeutschland infrage?

Da die Kriterien noch unklar sind, kann darüber nur spekuliert werden. Allerdings liegen einige Optionen auf der Hand. Der Leiter der Stabsstelle Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz bei der Stadt Leipzig, Uwe Efer, nannte im Gespräch mit der "Leipziger Volkszeitung" zum Beispiel den Citytunnel als potentiellen Zufluchtsort. Daneben gebe es noch zahlreiche weitere Objekte in der Stadt, die im Angriffsfall einen Schutz bieten könnten.

Thüringens Innenminister betonte die Bedeutung von Tiefgaragen. "Es gibt so viele Tiefgaragen, die wirklich auch tief gehen", sagte er. Es sei in der konkreten Notsituation und angesichts des Zeitdrucks nicht entscheidend, dass die Garagen für diesen Zweck nicht gebaut wurden. "Man sieht das in Kiew, dass die U-Bahn da eigentlich der größte Schutzraum ist. Die ist auch nicht dafür gebaut worden", sagte der SPD-Politiker.

Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang bemängelte jüngst, dass es in den östlichen Bundesländern "aktuell überhaupt keine öffentlichen Schutzräume" gebe und Sachsen-Anhalt "auch nicht auf U-Bahnstationen oder Tunnel zurückgreifen" könne. Daher brauche es dringend eine konzeptionelle Antwort "für einen flächendeckenden physischen Schutz der Bevölkerung", sagte die CDU-Politikerin.

Wie soll die Bevölkerung den nächsten Schutzraum finden?

Künftig soll es den Bürgerinnen und Bürgern möglich sein, den nächstgelegenen Schutzraum per Handy zu finden. Warnapps oder Kartendienste sollen die Informationen liefern. Über die Umsetzung würden derzeit Gespräche geführt, erklärte das BBK.

Welche Ausstattung sollen Zivilschutzräume haben?

Auch dies wird derzeit noch ausgearbeitet. Das BBK schreibt dazu: "Konkret geht es um einfache, mobile Ausstattungen wie Feldbetten, mobile sanitäre Anlagen sowie die Bereitstellung von Wasser und Lebensmitteln, die einen Aufenthalt in den Zufluchtsorten auch über mehrere Stunden hinaus ermöglichen sollen."

Die Bundesregierung plant zu dieser Frage ab 2026 Pilotprojekte. "In einem solchen Pilotverfahren soll gelernt werden, was Menschen in Zufluchtsorten tatsächlich über welchen Zeitraum benötigen – und welche Ausstattung dabei gegebenenfalls zu viel oder zu wenig ist", informiert das BBK.

Wogegen sollen die geplanten Räume überhaupt schützen?

Politiker aller Parteien verweisen auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der die Sicherheitslage verändert habe. Die Bundesregierung schrieb in einer Antwort auf eine Parlamentsanfrage im Januar davon, dass "heute zielgenaue Angriffe auf Kritische Infrastrukturen im Fokus des maßgeblichen Bedrohungsszenarios" stünden. Dies könne "zu Kollateralschäden in benachbarten Siedlungsgebieten führen". Insbesondere seien Menschen gefährdet durch indirekte Auswirkungen von Luftwaffen durch Druckwellen, Splitter und Trümmer.

Fachleute mahnen an, dass sich Bedrohungsszenarien schnell ändern können. Daher sollten die Schutzräume für mehrere Zwecke ausgelegt sein, etwa auch als Zufluchtsorte bei Hochwasser oder Pandemien.

Im Detail hängt es von der Bauweise und Ausstattung ab, wogegen und wie lange Räume Schutz bieten können. In der Zeit des Kalten Krieges mussten öffentliche Schutzräume einen sogenannten Grundschutz bieten. Das bedeutet, dass die Räume schützen mussten gegen herabfallende Trümmer, radioaktive Niederschläge, Brandeinwirkungen sowie chemische und biologische Kampfstoffe. Dies setzte unter anderem den Einbau von Luftfilteranlagen und gewissen Mauerstärken voraus.

In der Schweiz, wo für jeden Bürger ein Schutzraumplatz bereitgehalten wird, verfügen Schutzräume unter anderem über Explosionsschutzventile, Gasfilter, eine Belüftungsanlage und einen Notausstieg.

Wie viele Schutzräume gibt es momentan noch in Deutschland?

Derzeit gibt es keinen einzigen offiziellen Schutzraum für den Katastrophenfall in Deutschland. Es existieren jedoch aus früherer Zeit noch 579 Schutzräume, die grundsätzlich reaktiviert werden könnten. Das ist das Ergebnis einer Prüfung durch die zuständige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine durchgeführt wurde. Die genannten Schutzräume sind allerdings sanierungsbedürftig, da sie seit Jahrzehnten nicht mehr gepflegt wurden. Theoretisch böten sie Platz für 478.000 Menschen.

Keiner dieser Schutzräume befindet sich in Ostdeutschland. Die in der DDR bestehenden Schutzräume wurden im Zuge der Wiedervereinigung nicht in das Schutzraumkonzept des Bundes übernommen. Sie waren deshalb nie Teil des Zivilschutzes und sind daher nicht erfasst.

Warum wurden ältere Schutzräume und Bunker geschlossen?

In dem Gebiet der alten Bundesrepublik gab es ehemals rund 2.000 öffentliche Schutzraumanlagen. Manche mit tausenden Plätzen. Aufgrund einer veränderten Sicherheitslage, insbesondere nach Ende des Kalten Kriegs, wurde 2007 beschlossen, die Anlagen aufzugeben. Nach Angaben des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz gingen Fachleute auch davon aus, dass Schutzräume keine ausreichende Sicherheit gegen die Katastrophenszenarios der Gegenwart bieten würden. Mit Kriegsbeginn in der Ukraine wurde der Prozess der Abwicklung der alten Schutzräume dennoch vorerst gestoppt.

Auch in der ehemaligen DDR gab es selbstverständlich Bunker und Schutzräume. Diese wurden nach der Wiedervereinigung, wie gesagt, nicht für den Zivilschutz übernommen. Wenn es sie heute noch gibt, ist das ein Verdienst von privaten Initiativen, wie Experten dem MDR schon vor Jahren berichteten.

Gibt es in anderen Ländern noch zivile Schutzräume oder Schutzbunker?

In den allermeisten Staaten gibt es kein flächendeckendes Netz öffentlicher Schutzräume. Auch in anderen Nato-Ländern wurden bestehende (Atomschutz-)Bunker nach Ende des Kalten Krieges aufgegeben, unter anderem auch in den USA.

Nur wenige Länder verfügen über eine größere Zahl von Zivilschutzräumen. Einen herausgehobenen Ausnahmefall stellt die Schweiz dar. Dort existieren tatsächlich rund 370.000 private und öffentliche Schutzräume, um für jeden der rund 8,9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner einen Schutzplatz bereitzuhalten. Für den Bau der Räume gibt es entsprechende rechtliche Vorgaben.

Eine ebenfalls sehr hohe Abdeckung erreicht Finnland. Dort gab es Anfang 2020 über 54.000 Zivilschutzräume mit insgesamt 4,4 Millionen Plätzen, wie aus einem Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hervorgeht. Nach heutiger Bevölkerungszahl entspricht das einer Abdeckung von rund 80 Prozent. Bei der Mehrzahl der Schutzräume handele es sich um private Stahlbetonschutzräume, die an Wohn- und Geschäftshäuser angeschlossen sind. Auch in Felsen gebaute Schutzräume, die von mehreren Grundstücken gemeinsam genutzt werden, seien in Gebrauch.

Viele Schutzräume hält demnach auch Schweden instand. Dort gibt es rund 64.000 Schutzräume, die Platz für etwa sieben Millionen Menschen bieten. Schweden hat ungefähr 10,5 Millionen Einwohner.

Gibt es Anbieter, die für Privatleute Schutzräume bauen?

Ja, es gibt im deutschsprachigen Raum wenige spezialisierte Firmen, die Bunker oder Schutzräume bauen. Die Kosten für einen privaten Schutzraum hängen sehr von den gegebenen Voraussetzungen, der gewünschten Größe sowie der Ausstattung ab. Die Firma Deutsches Schutzraum Zentrum nennt Einstiegskosten von etwa 40.000 Euro, falls der Schutzraum schon beim Bau eines Hauses mitgeplant wird. Beim nachträglichen Einbau kostet ein Zehn-Quadratmeter-Bunker bereits mindestens rund 80.000 Euro, wie der Website der Firma BSSD Defense zu entnehmen ist. Nach oben sind die Grenzen offen.

Die Nachfrage nach privaten Schutzräumen habe mit Kriegsbeginn in der Ukraine stark zugenommen, sagten die oben genannten Firmen verschiedenen Medien in den vergangenen Jahren. Dennoch handelt es sich um eine Nische. Die Firma BSSD nannte dem "Tagesspiegel" vor einem Jahr die Zahl von insgesamt etwa 130 laufenden Projekten, teils im Ausland.

Mehrere Baufirmen aus Mitteldeutschland sagten dem MDR auf Anfrage, dass noch nie ein Kunde nach einem Schutzraum gefragt habe. Keinem der angefragten Unternehmen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist der Bau eines einzigen privaten Schutzraums bekannt. Lediglich eine von sechs angefragten Baufirmen erklärte, dass es private Bauherren von Schutzräumen gäbe. Allerdings wollte die Firma dazu keine weiteren Angaben machen.

Das BBK will dieses Jahr noch Empfehlungen dazu veröffentlichen, wie private Kellerräume "niedrigschwellig" zu schutzbietenden Räumen hergerichtet werden können.

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