Das japanische Spielzeug-Ei Tamagotchi erlangte in den 1990er-Jahren auch hierzulande Kultstatus. Nun kehrt es zurück, mit farbigem Display. Warum interessiert das Ei in Zeiten von Smartphones noch?

Mittwochmorgen, Punkt 10 Uhr in einem Kaufhaus im Tokioter Stadtteil Ikebukuro: Die Rolltore gehen hoch, der Laden öffnet und sofort stürmen mindestens zwei Dutzend Männer und Frauen los. Ihr Ziel: der Tamagotchi-Stand. Alle sind sie scharf auf das neue Modell "Tamagotchi Paradise". Es dauert keine 60 Sekunden und sämtliche für diesen Tag vorrätigen Exemplare sind Tag vergriffen.

Ein Hype, der an die Anfangsjahre des ikonischen Spielzeugs erinnert: Hersteller Bandai bringt 1996 ein tragbares und digitales Haustier heraus. Der Name setzt sich aus dem japanischen Wort für Ei (tamago) und dem englischen Begriff "to watch" (beobachten) zusammen. Allein in den ersten zweieinhalb Jahren verkaufen sich weltweit 40 Millionen Tamagotchis. Der Boom endet schnell, die Verkäufe brechen ein, der Hersteller schreibt Verluste.

Die japanische Erfinderin Aki Maita posiert mit dem von ihr kreiertem digitalen Haustier.

Seit Jahren Umsatzrekorde für den Hersteller

Inzwischen steht Bandai besser da denn je. Nicht nur die Tamagotchi-Verkäufe ziehen wieder an, vor allem im Bereich Videospiele kann Bandai Namco seine Gewinne innerhalb eines Jahres verzehnfachen. Der Konzern besitzt Lizenzen für bekannte Marken wie Dragon Ball oder Elden Ring. Neue Spiele und Erweiterungen werden hauptsächlich digital verkauft. Das spart Kosten und erhöht den Gewinn.

Der hohe Kultfaktor und die gezielte Vermarktung über mehrere Plattformen sind ein weiterer Erfolgsfaktor. Es werden eben nicht nur die Spiele verkauft, sondern auch passende Figuren, klassische Spielzeuge, Sammlerstücke und Live-Events. Die Aktie von Bandai Namco ist inzwischen gut 20-mal so wertvoll wie noch vor 15 Jahren.

Neue Tamagotchi-Generation wird zum Verkaufsschlager

Mit dem im Juli gestarteten "Tamagotchi Paradise" scheint das Unternehmen den nächsten Volltreffer gelandet zu haben. Das Display des deutlich größer gewordenen Eis ist inzwischen farbig, es hat eine Zoom-Funktion, es ist in neun Sprachen verfügbar und man kann es mit anderen Geräten verbinden - zum "digitalen Eierlegen".

Das Tamagotchi geht eben mit der Zeit, aber eben ohne seinen nostalgischen Charakter, die Einfachheit und das Puristische zu verlieren. Es ist eben kein High-End-Smartphone, das alles kann. Es ist zu groß und zu dick für die Hosentasche und im Internet surfen kann man damit auch nicht. Aber offenbar suchen die Kunden genau das: digitaler Detox mit einem digitalen Haustier.

Die Käufer von heute sind vielfach "Tamagotchi-Herrchen" von damals. Sie besaßen Ende der 1990er-Jahre ein Exemplar der ersten Generation und greifen jetzt wieder zum Ei. Kindheitserinnerungen eben. Dafür stellt man sich auch mit Ende 30 oder Anfang 40 gerne nochmal morgens in die Schlange und rennt zum Verkaufsstand.

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