Vor dem dritten Koalitionsausschuss von Union und SPD an diesem Mittwoch in Berlin verschärft sich der koalitionsinterne Streit über die Zukunft des Sozialstaats. „Deutschland muss wieder wettbewerbsfähig werden. Das Land braucht tiefgreifende Strukturreformen in allen Zweigen der Sozialversicherungen“, sagte Gitta Connemann, Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion von CDU/CSU, dem „Spiegel“. Die CDU-Politikerin pocht auf Einschnitte: „Die Sozialausgaben wachsen schneller als die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Wenn wir nur zusehen, sind Finanzierungslücken und höhere Lohnnebenkosten vorprogrammiert.“

Grundlegende Reformen fordert auch der CDU-Arbeitsmarktpolitiker Kai Whittaker. „Die Menschen zahlen immer mehr und bekommen immer weniger zurück – am Ende fühlen sich gerade die hart Arbeitenden benachteiligt. Das ist gefährlich, und da müssen wir unbedingt als Koalition ran“, sagte Whittaker dem Magazin. Der Koalitionsvertrag sei eine gute Grundlage zum Umbau des Sozialstaats, nötig seien aber weitere große Strukturreformen. „Dafür braucht es jetzt Mut und Kompromissbereitschaft von allen Seiten, ohne Denkverbote und mit dem klaren Ziel, die notwendigen Reformen endlich anzupacken“, sagte der Bundestagsabgeordnete.

Die SPD lehnt Einsparungen in den sozialen Sicherungssystemen ab. „Wir werden uns in dieser Frage nicht von der Union treiben lassen“, sagte der Bundestagsabgeordnete Helge Lindh. „Wenn der Eindruck erweckt wird, dass Deutschland sich einen Sozialstaat nicht mehr leisten könne, ist das Quatsch.“ Sparen allein mache die Sozialversicherungssysteme nicht besser.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Tanja Machalet mahnte gegenüber dem SPIEGEL: „Es darf jetzt nicht um Sozialkürzungen gehen – gerade in Zeiten, in denen wir auf der anderen Seite massiv die Verteidigungsausgaben steigern.“

Streit um Steuererhöhungen und Bürgergeld

Union und SPD wollen bei ihrem ersten Treffen im Koalitionsausschuss nach der Sommerpause eigentlich vor allem gemeinsam Anlauf für ihre nächsten Vorhaben nehmen. Bereits die Fraktionsspitzen von Union und SPD hatten bei einer Klausur im fränkischen Würzburg Einigkeit beschworen und einen Fahrplan für Gesetzespläne für den Herbst vorgelegt. Von günstigeren Energiepreisen über Bürokratieabbau bis zur Planungsbeschleunigung reichen die Versprechen.

Doch die SPD drängt weiter auf Steuererhöhungen für Wohlhabende – und die Union auf Einschnitte im Sozialstaat.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) setzte Arbeitsminister Bärbel Bas (SPD) zuletzt mit einer Milliarden-Sparvorgabe beim Bürgergeld unter Druck. „Wenn wir uns nicht mehr trauen, in einem Transfersystem, das in die falsche Richtung läuft, zehn Prozent einzusparen, dann versagen wir vor dieser Aufgabe“, sagte Merz in einem Interview mit Sat.1.

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