Der deutsche Meisterbrief gilt als Gütesiegel. Doch immer häufiger werden im Internet gefälschte Dokumente angeboten. Die Handwerkskammer Dortmund hat ihnen den Kampf angesagt.

Intern heißt sie "Meisterjägerin". Wir nennen sie Claudia, sie will unerkannt bleiben. Kurz nach neun Uhr bereitet sich die Außendienstmitarbeiterin im Innenhof der Handwerkskammer Dortmund auf ihre Kontrollfahrt vor. "Sieben, maximal neun Betriebsleiterkontrollen habe ich heute vor mir", sagt sie. "Ich bin gespannt, ob ich alle Betriebsleiter vorfinde." Ihre Besuche sind unangekündigt. In den Betrieben will sie herausfinden, ob dort die Meister anwesend sind, die in den Papieren angegeben sind.

Die HWK Dortmund ist in Deutschland federführend im Kampf gegen Betrug beim Meistertitel. Rechtsgrundlage für diese Einsätze liefert die Handwerksordnung, erklärt Kammer-Jurist Lothar Kauch: "Wir dürfen prüfen, ob Handwerk ausgeübt wird, ob der Betrieb eingetragen sein muss - und ob der Betriebsleiter oder die Betriebsleiterin tatsächlich im Unternehmen arbeitet." Im Fokus stehen Betriebe, die im Verdacht stehen, dass sie Meister oder Betriebsleiter nur zum Schein benannt haben.

Professionelle Fälschungen im Netz

Neben solchen "Leih-Meistern" bereiten auch gefälschte Urkunden zunehmend Probleme. "Die Zahl der Versuche, mit gefälschten Meisterbriefen die Eintragung in die Handwerksrolle zu erlangen, hat in den vergangenen Jahren merklich zugenommen", sagt Kauch.

Besonders besorgniserregend: professionelle Anbieter im Ausland: "Auf einer Internetseite werden täuschend echte Meisterbriefe angeboten - mit Siegel und Logo der Kammer", berichtet Henrik Himpe, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der HWK Dortmund. "Da der Anbieter im Ausland sitzt, haben wir keine Chance auf Sanktionen. Zudem ändert die Seite ständig ihren Namen."

Von "Spaß-Urkunden" bis zu hochprofessionellen Fälschungen reiche die Palette. Ursache sei die technische Entwicklung: "Heute kann jeder mit einfachen Bildbearbeitungsprogrammen täuschend echte Vorlagen erstellen", so Kauch.

Kontrollen in Betrieben

Die Tour von Claudia führt zunächst in einen Friseursalon, in dem die eingetragene Betriebsleiterin angeblich nie anwesend sei. Eine Meisterurkunde an der Wand reicht der Kontrolleurin nicht. Claudia fragt nach dem offiziellen Betriebsausweis. Doch die zuständige Meisterin sei im Urlaub - niemand könne einspringen, so die Antwort eines Mitarbeiters. "Gerade bei Neueröffnungen ist das unverständlich", sagt Kauch. "Wir werden weitere Unterlagen anfordern und den Betrieb weiter im Blick behalten." Die "Meisterjägerin" bestätigt: "Gerade in Friseursalons fehlt oft ein echter Meister."

Weiter geht es zu einer anderen kritischen Branche: Metzgereien. Fleischermeister Michael Ehlert ist zwar überrascht vom Besuch, zeigt aber Verständnis. Hier ist alles in Ordnung. Probleme hat die Kontrolleurin eher mit den Fleischtheken in Supermärkten. Auf diese Konkurrenz ist auch Meister Ehlert nicht gut zu sprechen: "Die haben zwar Meister, die sich Fleischermeister nennen dürfen; aber die haben leider wenig mit unserm Handwerk zu tun. Die können ein bisschen Fleisch beschneiden, die können ein paar Spieße stecken und das war’s, leider."

Fairer Wettbewerb und Verbraucherschutz

Ziel der Kontrollen sei der Schutz von Kundinnen und Kunden sowie fairer Wettbewerb. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) begrüßt das Vorgehen. Eine Sprecherin erklärt: "Die Kammern gehen konsequent gegen diese strafrechtlich relevanten Fälle vor. Wir setzen uns zudem dafür ein, dass das Vorlegen gefälschter Zeugnisse ausdrücklich als bußgeldbewährtes Vergehen in die Handwerksordnung aufgenommen wird."

Künftig soll auch die Digitalisierung helfen: Eine kostenlose Zeugnis-Check-App ermöglicht bereits heute die Überprüfung von Dokumenten. Der Datenbestand werde laufend erweitert.

Konsequenzen für uneinsichtige Betriebe

Sollte ein Betrieb keinerlei Einsicht zeigen, gebe es Sanktionsmöglichkeiten, erklärt Jurist Kauch: "Dann können wir den Betrieb aus der Handwerksrolle löschen. Damit verliert er die Berechtigung, das Handwerk auszuüben. Das Ordnungsamt könnte ihn in der Folge schließen."

Die HWK Dortmund will ihre Kontrollen weiter intensivieren. Meisterjägerin Claudia ist drei Mal pro Woche in der Stadt und der Region unterwegs.

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