Inmitten einer innenpolitischen Krise und begleitet von landesweiten Protesten hat Frankreichs neuer Premierminister Sébastien Lecornu bei seinem Amtsantritt Veränderungen in Aussicht gestellt. „Es wird Brüche geben müssen und nicht nur in der Form, nicht nur bei der Methode, auch inhaltliche Brüche“, sagte er. Man müsse die Kluft zwischen der politischen Situation und den Erwartungen der Bürger beenden.

Lecornu betonte in seiner kurzen Antrittsrede, dass man sich auch ändern müsse. Man müsse kreativer, teils technischer sein und ernsthafter in der Art, mit der Opposition zu arbeiten. Genauer ging er nicht auf die von ihm gewünschten Veränderungen ein.

Amtseinführung während landesweiter Protestblockaden

Lecornus Versprechen von Veränderung dürfte ein Versuch sein, die erhitzten Gemüter in Frankreich etwas zu besänftigen. Zehntausende Menschen äußerten in Frankreich ihren Unmut über geplante Sparpläne der Vorgängerregierung. Ein diffuses Bündnis hatte seit Längerem zu Blockaden aufgerufen. Die Behörden sind in Alarmbereitschaft, rund 80.000 Sicherheitskräfte wurden mobilisiert. Auf Videos waren Ausschreitungen zu sehen. Innenminister Bruno Retailleau warf den Verursachern vor, ein „Klima des Aufruhrs“ in Frankreich schaffen zu wollen. Retailleau warnte zudem, dass für den späteren Tagesverlauf geplante Kundgebungen von gewaltbereiten, linksextremen Gruppen unterwandert werden könnten.

Mülltonnen brannten, Straßen blockiert. Mit den Demonstrationen soll das ganze Land blockiert werden. Sie stehen unter dem Motto „Bloquons tout“ („Lasst uns alles blockieren“). Dem Innenministerium zufolge wurden knapp 300 Menschen festgenommen, mehr als die Hälfte davon im Raum Paris. Unter anderem sei in Rennes ein Bus in Brand gesteckt worden. Im Südwesten sei durch Schäden an einer Oberleitung eine Zugstrecke blockiert worden.

Die Protestaufforderungen erfolgten dezentral, viele verschiedene Seiten wollen ihrem Ärger Luft machen. Unter anderem Linke, Gelbwesten-Gruppierungen und Gewerkschaften wie etwa die der Eisenbahner riefen zum Protest auf.

Im täglichen Leben kann es zu Einschränkungen kommen, sagte der Innenminister weiter. Die französische Bahn kündigte Beeinträchtigungen im Regionalverkehr an. Auch die Abläufe an französischen Flughäfen könnten ins Stocken geraten, warnte die französische Zivilluftfahrtbehörde DGAC. Auch in Unternehmen und an Universitäten soll es französischen Medien zufolge Protestaktionen geben.

Lecornus Versprechen von Veränderung dürfte ein Versuch sein, die erhitzten Gemüter in Frankreich etwas zu besänftigen. Nach seiner Blitz-Ernennung durch Präsident Emmanuel Macron will der neue Premier direkt an die Arbeit gehen.

Noch am Nachmittag wollte er sich mit Vertretern von Parteien zusammensetzen. Weitere Treffen mit Politikern und Gewerkschaften sollten folgen. Auch weil das hoch verschuldete Frankreich einen Haushalt für das kommende Jahr braucht, drängt die Zeit.

Auch Macron in der Schusslinie der Proteste

Unter Druck steht aber auch Staatschef Macron. Die altlinke Partei LFI forderte seinen Rücktritt. Die Rechtsnationalen wollten mit einer Parlamentsauflösung den Weg für Neuwahlen freimachen. Dass Macron schon einen Tag nach der verlorenen Vertrauensfrage von François Bayrou einen neuen Premier ernannte, kann auch als Versuch gewertet werden, selbst aus der Schusslinie zu kommen.

Der neue Premierminister und frühere Verteidigungsminister Lecornu gilt als sein Vertrauter – ob das Macron hilft, bleibt abzuwarten. Die ersten Reaktionen der bisherigen Opposition fielen alles andere als positiv aus.

Seit der Parlamentswahl im vergangenen Jahr ist die Nationalversammlung tief gespalten. Macrons Mitte-Leute, Le Pens Rechtsnationale und das linke Lager stehen sich als drei große Blöcke gegenüber. Eine eigene Mehrheit hat keiner von ihnen.

Lecornu wird nachgesagt, einen gewissen Draht zu der rechtsnationalen Führungsfigur Marine Le Pen zu haben. Er gilt als Politiker, der von der bürgerlichen Rechten toleriert wird und dem im linken Lager zumindest keine Komplett-Ablehnung entgegenschlägt.

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