D ie vom Inlandsnachrichtendienst 2021 eingeführte Extremismus-Kategorie „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ verliert offenbar zunehmend an Bedeutung. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfahren hat, ist unter den Verfassungsschützern in Bund und Ländern zuletzt die Zahl derjenigen, die sie inzwischen für verzichtbar halten, gestiegen. Sachsen hat schon entschieden, die Kategorie künftig nicht mehr zu nutzen. Die Umstellung soll aus praktischen Gründen zum 1. Januar 2026 vollzogen werden.
Die Kategorie war während der Corona-Pandemie eingerichtet worden. Der neue Phänomenbereich diente damals als eine Art Auffangbecken für extremistische Akteure, die sich auf den ersten Blick keiner der bekannten Kategorien - Islamismus, Rechtsextremismus, Linksextremismus, auslandsbezogener Extremismus, sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter - zuordnen lassen.
Extremisten bleiben weiter im Blick des Verfassungsschutzes
Für Menschen, die aktuell dieser Kategorie zugeordnet werden, heißt das aber nicht automatisch, dass der Inlandsgeheimdienst sie künftig nicht mehr im Blick hat. „Die Beobachtung der Personen, die eine verfassungsschutzrelevante Delegitimierung betreiben, ist nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden im Rahmen des gesetzlichen Auftrags weiterhin erforderlich“, sagt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums der dpa. Ob dahinterstehende extremistische Bestrebungen in der Unterrichtung der Öffentlichkeit als eigener Phänomenbereich dargestellt würden, bleibe jedoch den jeweils zuständigen Behörden vorbehalten.
Mit anderen Worten: Die Verfassungsschutzabteilungen und -ämter in den einzelnen Bundesländern können es nun im Prinzip jeweils so handhaben, wie sie es vor Ort für sinnvoll erachten.
„Ich begrüße, dass das Themenfeld „Verfassungsschutz relevante Delegitimierung des Staates“ nunmehr abgeschlossen wird“, sagt Sachsens Innenminister, Armin Schuster (CDU), der dpa. Die kleine Gruppe der weiterhin beobachtungsrelevanten Akteure, die bisher im Freistaat diesem Phänomenbereich zugeordnet sind, bleibe gleichwohl im Blick der Verfassungsschützer.
Aus Sicht von Schuster bedeutet die geplante Abschaffung dieser Kategorie, nicht, dass die Entscheidung für ihre Einrichtung 2021 falsch war. Er sagt: „Mit diesem Schritt tritt der Verfassungsschutz den Beweis an, dass er Phänomene lageangemessen einstuft und einordnet.“
Linken ist die Kategorie zu „schwammig“
Clara Bünger, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, fand den neuen Phänomenbereich dagegen immer schon überflüssig. „Die 2021 eingeführte Kategorie „Delegitimierung des Staates" ist nicht nur schwammig, sondern zersplittert die Bedrohungslage künstlich und verharmlost damit vor allem rechtsextreme Gruppen, die dieses Ziel teilen“, sagt sie.
Der umstrittenen Kategorie wurden laut Verfassungsschutzbericht 2024 bundesweit rund 1.500 Menschen zugerechnet, nach 1.600 „Delegitimierern“ im Jahr zuvor, von denen damals rund 250 als gewaltbereit eingeschätzt wurden. Laut BfV machen Akteure aus diesem Spektrum „demokratische Entscheidungsprozesse und Institutionen verächtlich oder rufen dazu auf, behördliche oder gerichtliche Anordnungen und Entscheidungen zu ignorieren“.
Im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), der die Entwicklungen im Jahr 2025 abbildet, wird die Kategorie sicher noch auftauchen. Langfristig könnte sie jedoch auch auf Bundesebene abgeschafft werden.
Minister Dobrindt hält sich noch bedeckt
Eine Entscheidung darüber wird allerdings erst erwartet, wenn Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) über die neue Aufstellung der BfV-Spitze entschieden hat. Dazu, wann dies der Fall sein könnte, hält sich sein Ministerium bedeckt.
Bereits seit November 2024 stellt sich die Frage, wer die Nachfolge von Thomas Haldenwang an der Spitze des Bundesamtes für Verfassungsschutz übernimmt. Der Inlandsnachrichtendienst wird seit seinem Ausscheiden gemeinsam von Vizepräsident Sinan Selen und Vizepräsidentin Silke Willems geleitet.
Über die Nachfolge werde der Minister zu gegebener Zeit entscheiden, lautet die Standardantwort, wenn man im Bundesinnenministerium dazu nachfragt.
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