Hunderttausende Menschen haben in Frankreich gegen mögliche Sparmaßnahmen in dem hoch verschuldeten Land protestiert. Gut 500.000 Menschen beteiligten sich nach Angaben des Innenministeriums vom frühen Abend landesweit an Demonstrationen. Die Gewerkschaft CGT sprach von mehr als einer Million Demonstranten. Behörden hatten zuvor mit etwa 700.000 bis 800.000 Teilnehmern gerechnet.

Etliche Menschen in Frankreich ließen aus Protest die Arbeit ruhen. Zahlreiche Apotheken blieben wegen des Streiks geschlossen, Lehrkräfte fehlten in den Schulen und bei Bussen und Bahnen gab es Ausfälle und Verzögerungen.

Bis zum Nachmittag kam es am Rand der Demonstrationen zu kleineren Ausschreitungen. In Paris schleuderten vermummte Demonstranten Flaschen und Gegenstände auf Sicherheitskräfte, wie ein AFP-Journalist beobachtete. In Lyon wurden bei Zusammenstößen zwischen vermummten Demonstranten und Sicherheitskräften mehrere Menschen verletzt, darunter ein Journalist. Die Polizei setzte Tränengas ein. Auch in Rennes kam es zu Ausschreitungen. Insgesamt wurden laut Innenministerium landesweit elf Sicherheitskräfte und elf weitere Menschen verletzt.

Am Vormittag hatte es in verschiedenen Landesteilen Blockaden gegeben – etwa an Busdepots, Verkehrsachsen und weiterführenden Schulen. Kurzzeitig waren Dutzende Demonstranten in den Hof des Wirtschaftsministeriums eingedrungen. 309 Menschen wurden landesweit festgenommen nach Angaben des geschäftsführenden Innenministers Bruno Retailleau vom Abend, 134 befänden sich in Polizeigewahrsam.

Straße will Druck auf neuen Premier machen

Der Streik richtet sich gegen Sparmaßnahmen, die auf die Menschen in Frankreich zukommen könnten. Das Land hat gemessen an der Wirtschaftsleistung mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. In absoluten Zahlen lastet auf Frankreich mit rund 3.300 Milliarden Euro der höchste Schuldenberg in der Eurozone. Auch die Staatsausgaben gehören zu den höchsten in Europa. Das Haushaltsdefizit lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Die EU hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet.

Ein breites Gewerkschaftsbündnis hatte zu dem Arbeitsausstand aufgerufen. Sparpläne der mittlerweile zurückgetretenen Regierung erachten die Gewerkschaften als brutal. Sie kritisierten, dass vor allem die Arbeiterinnen und Arbeiter, Rentner, Kranke und Menschen in prekären Verhältnissen unter den Kürzungen zu leiden hätten. Besonders stark in der Kritik stand der Vorschlag, zwei Feiertage zu streichen.

Frankreichs neuer Premier Sébastien Lecornu kündigte an, diesen Plan nicht umzusetzen. Am Abend der Proteste teilte er zudem auf der Plattform X mit, dass die Forderungen der Gewerkschaftsvertreter, die von den Demonstranten in den Protestzügen vorgebracht wurden, im Mittelpunkt der von ihm eingeleiteten Gespräche stünden. Er werde die Gewerkschaften in den kommenden Tagen erneut empfangen.

Lecornu berät derzeit über einen neuen Aufschlag für einen Sparhaushalt. Noch ist sehr wenig darüber bekannt, wo der neue Regierungschef sparen will. Mit dem Protest wollen die Demonstranten auch Druck auf ihn ausüben.

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