Es dauert keine Stunde, bis Rechtsanwalt Philip von der Meden sauer wird. „Was Sie machen, ist doch das Waschen von Schmutzwäsche! Das ist eine Show für die Presse!“, motzt er quer durch den Saal zu Ingo Bott herüber, dem Verteidiger von Christina Block.

Der befragt gerade von der Medens Mandanten Stephan Hensel. Der Ex-Mann der Hauptangeklagten nimmt am Verfahren als Nebenkläger teil. Bei der Entführung zweier seiner Kinder am Neujahrsmorgen 2024 schlugen ihn die Täter zu Boden und verletzten ihn dabei. Block soll die Rückholaktion in Auftrag gegeben haben.

Da wäre einiges zu klären. Zuerst, ob sich die Vorwürfe der Anklage beweisen lassen. Wie das genau ablief. Wer seine Finger im Spiel hatte und wer möglicherweise nicht. Wie es den Kindern danach ging. Fragen, die sich um juristische Begriffe wie Täterschaft und Tatherrschaft drehen, also wer Täter war und wer nur Gehilfe. Aber im Saal 237 ging es auch am Dienstag um Fragen wie die, ob Hensel seine Frau 2014 einmal im Streit um den Esstisch gejagt habe (Hensel bestreitet das). Oder ob er bei der Taufe seines Sohnes Theo einen Familienstreit vom Zaun gebrochen habe, der das Ende seiner Ehe markierte.

Zum eigentlichen Tatgeschehen schweigen die Angeklagten in der Regel – oder tragen nichts dazu bei, die Dinge zu erhellen. Das müssen sie natürlich auch nicht. Dafür verwandeln einige Block-Verteidiger die Verhandlung in eine Art Parallel-Familiengericht, in dem sie alle möglichen Ereignisse dazu verwenden, Hensel als schlechten Vater darzustellen. Es geht um PR, die Schlacht um die Deutungshoheit in einem undurchdringlichen Sorgerechtsstreit, der üblicherweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird – und der hier nun in epischer Breite besprochen wird.

Bott tut alles dafür, Hensel als gekränkten Mann darzustellen, der seine Kinder der Mutter entzogen habe, um seiner Ex-Frau maximal zu schaden. Keine einzige seiner Fragen dreht sich um die Ereignisse der Silvesternacht. Seiner Mandantin droht im Falle eines Schuldspruchs eine mehrjährige Haftstrafe. Hilft er ihr so? Sät er Zweifel an den Vorwürfen, wenn er versucht, den Ex-Mann zu desavouieren?

Für Hensels Anwalt steckt dahinter eine Strategie: „Es geht hier offenkundig um eine Strafmaßverteidigung“, sagt er im Anschluss an den Prozesstag. Der Vater solle als manipulativer Lügner dargestellt werden, um die Entführung – oder die Beteiligung an der solchen – in einem milderen Licht dastehen zu lassen. „Das ergibt aber keinen Sinn, da ja alle auf Freispruch plädieren“, sagt von der Meden.

Die Kinder habe er ungewaschen übernommen

Hensel wiederum teilt ebenfalls aus. Er berichtet, dass seine Kinder sich über Medien genau über den Prozess informierten. „Die Kinder wundern sich, dass Frau Block immer noch nicht die Wahrheit sagt.“ Die Kinder verstünden nicht, dass die Mutter nicht zu der Entführung stehe und „auch alle anderen hier“ nicht. Wieder behauptet er, dass er die Kinder ungewaschen und mit dreckigen Kleidern übernommen habe, als er noch das gemeinsame Umgangsrecht mit Christina Block pflegte.

Auch Rechtsanwalt Ingo Voss, Verteidiger des Mit-Angeklagten Andreas C., versucht, Hensel zu diskreditieren. Er zitiert aus verschiedenen Beschlüssen zum Umgangsrecht mit den Kindern. Sein Mandant soll die Entführung nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft mitgeplant haben. Kein Wort dazu von Voss oder seinem Mandanten. Stattdessen geht es immer wieder um einzelne Sätze aus Urteilen, die wohl belegen sollen, dass Hensel ein schlechter Vater sei. „Sie haben die Sache so rausgeschnippelt, wie es Ihnen gerade passt“, sagt Hensel. „Ich zitiere korrekt, und das wissen Sie auch“, gibt Voss zurück.

Erstmals spricht der Vater vor Gericht über den Augenblick des Wiedersehens mit seinem Sohn und seiner Tochter auf einer Hamburger Polizeistation vier Tage nach der Entführung. „Sie sind mir in die Arme gelaufen“, sagt Hensel über die Begegnung am 5. Januar 2024. „Das war ein sehr emotionaler Augenblick.“ Die Kinder hätten angefangen zu weinen und zu schreien – vor Freude.

Relativ schnell hätten der damals zehnjährige Junge und das 13-jährige Mädchen begonnen, von dem Erlebten zu erzählen. Doch er habe gewollt, dass sie das gleich direkt bei der Polizei in Deutschland aussagen. Daraufhin seien die Kinder vernommen worden.

Bott fragt Hensel, ob der Sohn den Wunsch geäußert habe, seine Mama regelmäßig zu sehen und anzurufen. Das verneint der Vater – und wirbt erneut dafür, dass seine heute 15 Jahre alte Tochter vor Gericht aussagen wolle. Die beiden Kinder sind als Zeugen vorgesehen. Unter welchen Umständen sie aussagen werden, ist noch nicht geklärt.

Die Anwältin Gül Pinar hält davon nichts. „Herr Hensel, ich wünsche mir sehr, dass Ihre Kinder hier nicht aussagen müssen“, so Pinar. „Aber das hier ist kein Wunschkonzert.“

Chefreporter Per Hinrichs schreibt über Kriminalität, Justiz und weitere Gesellschaftsthemen.

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