Während die neue schwarz-rote Bundesregierung mit Startschwierigkeiten kämpft, verteidigt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in der ARD-Talkshow „Maischberger“ die Handlungsfähigkeit der Koalition. „Alle, die in dieser Bundesregierung arbeiten, wissen doch, dass es jetzt wirklich gelingen muss – nach der Streiterei in der Ampel“, sagte Wüst. Der Start der Großen Koalition sei „besser als ihr Ruf“.
Mit dem „Herbst der Reformen“, den Bundeskanzler Friedrich Merz ausgerufen hatte, würden jetzt die Sozialthemen angegangen werden, so Wüst. Den Vorschlag von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, Totalverweigerern im Bürgergeld die Bezüge komplett zu streichen, schwächte Wüst ab: „Ganz streichen werden wir am Ende verfassungsrechtlich eh nicht können“, räumte er ein. Passieren müsse da aber dennoch etwas. „So weit wie man es kann, wird am Ende dabei herauskommen. Warten wir es ab.“
Wüst zeigte sich überzeugt, dass Union und SPD bei Sozialthemen wie den viel diskutierten Reformen beim Bürgergeld zusammenfinden werden. „Wer kann, muss mit anpacken, und wer nicht kann, dem wird geholfen. Das ist Solidarität“, so der CDU-Politiker. An dem „wer kann, muss mit anpacken“, daran müsse man jetzt noch arbeiten. „Da werden wir auch mit der Partei der Arbeit keinen Dissens haben.“ In den „grundlegenden Dingen“ werde es in der schwarz-roten Koalition Einigkeit geben, meinte er.
An zwei Aspekten übte er Kritik. Zur Übernahme der kompletten Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger äußerte Ministerpräsident Wüst Zweifel. Es müsse geprüft werden, „ob das unter dem Gesichtspunkt Gerechtigkeit zu vereinbaren ist im Verhältnis zu Leuten, die mit einem kleinen Einkommen das mit ihren Steuern bezahlen“. Es sei die Frage, wie lang und wie hoch man einem Arbeitslosen, der ins Bürgergeld kommt, die „Hausfinanzierung“ bezahlt, sagte Wüst.
Besonders kritisch äußerte er sich zur EU-Regelung, wonach auch neu eingereiste Europäer Bürgergeld beziehen können. Bei der europäischen Freizügigkeit sah er Reformbedarf. Aktuell können EU-Bürger nach Deutschland kommen, Bürgergeld beziehen und mit einem Minijob aufstocken, dabei Kinder- und Wohngeld erhalten – ohne je ins deutsche System eingezahlt zu haben. „Das war nicht die Idee von europäischer Freizügigkeit“, sagte der CDU-Politiker. „Ich glaube, wir sollten es ändern.“
Wüst bekräftigte seine Ablehnung von Steuererhöhungen, wie sie vom Koalitionspartner im Bund, den Sozialdemokraten, immer wieder gefordert werden. „Ich finde, Steuererhöhungen sind das falsche Signal. Wir haben gerade Steuersenkungen beschlossen, die müssen erst mal wirken“, sagte Wüst und bezog sich etwa auf die 50 Milliarden Euro Steuerentlastung für Unternehmen, die kurz vor der politischen Sommerpause beschlossen wurden. Mit Blick auf die Erbschaftssteuer verteidigte er die bisherigen Ausnahmen für Betriebsvermögen. „Wir brauchen eine Lösung dafür, dass Menschen, die ein Unternehmen erben, nicht unter Druck verkaufen müssen“, sagte er. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch hatte zuletzt gefordert, diese Regeln zu überprüfen. Wüst hingegen will sie beibehalten: „In der Regel wird nicht viel Geld, sondern ein Unternehmen vererbt.“ Dafür müsse es weiterhin Sonderregeln geben, sagte der CDU-Mann.
Als Beispiel für die geplanten Investitionen des Bundes gilt das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen, aus dem Nordrhein-Westfalen 21 Milliarden Euro erhalten soll. Ein Großteil solle direkt in die Kommunen fließen. „Die Bürger werden im nächsten Jahr die eine oder andere Baustelle sehen, worauf sie schon lange gewartet haben“, sagte Wüst.
„Das müssen unsere Kinder erst mal alles wieder erarbeiten“
Dann zeigte er sich aber angesichts der hohen Neuverschuldung unwohl: „So richtig leicht fällt mir das nicht mit diesen ganzen Schulden, denn das müssen unsere Kinder erst mal alles wieder erarbeiten und davon Steuern bezahlen.“ Entscheidend sei aber nun, dass die Mittel zielgerichtet eingesetzt würden.
Zum Schluss wollte Moderatorin Sandra Maischberger noch wissen, wie es um die Karrierepläne des Ministerpräsidenten steht. Wüst bekleidet das Amt in NRW seit 2021, wurde aber bereits mehrfach auch als möglicher Kanzlerkandidat der Union gehandelt. Bei Maischberger winkte er erst einmal ab: „Ich wollte Landtag und habe das gemacht und mache Landespolitik auch aus Überzeugung“, so der 50-Jährige. Mit einem Verweis auf sein Alter ließ er aber offen, in welche Richtung es in Zukunft noch für ihn gehen könnte.
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