Ein Überraschungssieger der CDU in Dortmund und erstmals ein grüner Rathaus-Chef in Münster: Bei der Stichwahl sind wichtige Entscheidungen gefallen, welche Oberbürgermeister künftig die Geschicke der großen Städte in Nordrhein-Westfalen lenken. Ein Überblick:
Dortmund: CDU-Mann erobert überraschend das Rathaus
Alexander Omar Kalouti ist der erste CDU-Politiker seit fast acht Jahrzehnten, der den Chefposten im Dortmunder Rathaus gewinnt und damit eine SPD-Tradition zu Fall bringt. Kalouti, geboren in Beirut im Libanon und aufgewachsen in Deutschland, war zuletzt als Leiter der Presseabteilung im Dortmunder Theater tätig.
Politisch gearbeitet hat er bisher eher im Hintergrund, etwa im bayerischen Wirtschaftsministerium. Er schreibt sich auf die Fahnen, Dortmund zu einer „Modellstadt für Innovation und Zusammenhalt“ machen zu wollen.
Studium und Beruf führten den 57-Jährigen unter anderem nach London, Berlin und Stuttgart. Er arbeitete an mehreren Theatern in Deutschland, will in der Ruhrgebietsstadt Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft besser verzahnen. Kalouti war mal FDP-Mitglied, ist erst vor einigen Jahren in die CDU eingetreten. Nun wird er in der drittgrößten NRW-Stadt das OB-Amt antreten, nachdem die Rathausspitze zuvor sehr lange rot war – durchgängig seit Herbst 1946.
Köln: SPD-Mann Burmester übernimmt Millionenmetropole
Zehn Jahre wurde die größte Stadt Nordrhein-Westfalens von der parteilosen Henriette Reker regiert, jetzt übernimmt SPD-Mann Torsten Burmester. Der gebürtige Niedersachse ist alles andere als ein „waschechter“ Kölner: weder dort geboren noch Typ „joviale Stimmungskanone“.
Stattdessen tritt er betont nüchtern auf und spricht leise. Aber offenbar war in Köln eine Mehrheit der Meinung, dass genau so jemand jetzt gebraucht wird.
„Sicherheit und Sauberkeit“ stand auf Burmesters Plakaten. Denn die Vermüllung und Verwahrlosung der Stadt ist seit Monaten ein beherrschendes Thema. Burmester will hier eine spürbare Veränderung gleich in den ersten Wochen seiner Amtszeit bewirken.
Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa betont der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbunds: „Um Köln zu führen, muss man nicht unbedingt Kölsch sprechen können. Aber man muss eins können: Man muss die Fähigkeit haben, auf Menschen zuzugehen.“ Diese Fähigkeit sprechen ihm selbst politische Gegner nicht ab.
Düsseldorf: Verwaltungsprofi bleibt am Ruder
Stephan Keller kann beides: Köln und Düsseldorf. Der 55-jährige CDU-Politiker bleibt weitere fünf Jahren Oberbürgermeister der NRW-Landeshauptstadt. Doch bevor Keller 2020 erstmals zum Düsseldorfer OB gewählt wurde, war er fast vier Jahre Stadtdirektor in Köln. In beiden Städten machte er sich einen guten Namen.
Bis 2016 war der promovierte Jurist bereits mehrere Jahre Dezernent für Recht, Ordnung und Verkehr in Düsseldorf. In diese Zeit fiel der Bau einer international beachteten neuen U-Bahnlinie. Keller bringt eine langjährige Verwaltungserfahrung mit sich, war auch mal Richter und gilt als effektiv.
Als Düsseldorfer Stadtoberhaupt baute Keller den Ordnungs- und Servicedienst der Stadt aus, auch um das Sicherheitsgefühl in der Altstadt zu stärken. Im Wahlkampf versprach er, die Straßen-Obdachlosigkeit zu beenden.
Im Sommer brachte der dreifache Vater mit dem Badeverbot im Rhein seine Stadt in die Schlagzeilen, nachdem mehrere Menschen in dem Fluss ertrunken waren. Von Duisburg bis Köln folgten Städte am Rhein dem Düsseldorfer Vorbild. Heftig diskutiert wird in der Landeshauptstadt allerdings der geplante Opernneubau. Keller macht sich für das Milliardenprojekt stark.
Duisburg: SPD-Politiker kämpft gegen Sozialbetrug
Sören Link galt vielen zuletzt als Beispiel dafür, wie auch ein SPD-Politiker erfolgreich auf Themen wie Armutsmigration und ein schwindendes Sicherheitsgefühl der Menschen reagieren kann. Seit 13 Jahren ist der Duisburger Oberbürgermeister seiner Geburtsstadt und wurde nun zum zweiten Mal wiedergewählt.
Link kämpft gegen Sozialleistungsmissbrauch – etwa mit großangelegten Kontrollen in Brennpunkt-Vierteln wie den berühmten „Weißen Riesen“. Für den 49-Jährigen ist der Kampf gegen Sozialbetrug ein Kampf für soziale Gerechtigkeit – das sei man denen schuldig, die hart arbeiten und früh aufstehen, sagte er kürzlich. Auch von der Parteispitze forderte er zuletzt überraschend deutlich, sich wieder mehr für Arbeiter und soziale Gerechtigkeit einzusetzen.
Gelsenkirchen: Sozialpolitikerin in der AfD-Hochburg
Andrea Henze tritt als Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen einen Job an, um den die SPD-Politikerin nicht viele beneiden werden. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, Bilder heruntergekommener Straßenzüge sind schon fast sinnbildlich für Gelsenkirchen – und die leere Stadtkasse lässt der Politik kaum Handlungsspielraum. Außerdem wird die AfD-Fraktion im Stadtrat künftig genauso groß sein wie die von Henzes SPD.
Die Sozialpolitikerin betont, sie finde Gelsenkirchen „unfassbar schön“ und wolle die Stadt nach vorn bringen. Ihr Wahlprogramm hat sie „Aufstiegsplan“ genannt. Mit einem Fokus auf Kitas und Schulen soll Bildung zu einem „Motor des Aufstiegs“ für Gelsenkirchen werden. Es gehe darum, „dass sich die Stimmung dreht und wir wieder mehr Selbstvertrauen spüren“.
Essen: Amtsinhaber mit Haushaltsdisziplin
Seit zehn Jahren steht Thomas Kufen an der Spitze der Essener Stadtverwaltung, gilt als ein pragmatischer Vertreter moderater Positionen. Im Wahlkampf hat der 52-jährige CDU-Politiker versprochen, Kurs zu halten – mit Haushaltsdisziplin und gleichzeitig Investitionen etwa in Bildung und öffentliche Sicherheit.
Dabei steht Essen vergleichsweise gut da, hat den Wandel von einer Stahl- und Bergbaustadt zum modernen Wirtschaftsstandort erfolgreicher gemeistert als andere im Ruhrgebiet. Helfen dürfte Kufen auch in der neuen Legislaturperiode, dass er als geschickter Strippenzieher gilt, der im Land und im Bund gut vernetzt ist.
Münster: Erstmals Grüner im OB-Amt
Die CDU hat in den vergangenen Jahrzehnten in Münster, der westfälischen Uni-, Versicherungs- und Bischofsstadt, mit einer kurzen Ausnahme immer den Oberbürgermeister gestellt. Zuletzt war das Markus Lewe. Jetzt hat der dreifache Vater Tilman Fuchs diese CDU-Hochburg für die Grünen erobert. Und damit das vollendet, was sich im Rat der Stadt seit Jahren angedeutet hatte: Das bürgerlich-konservative Lager hatte im Rat der Stadt keine Mehrheit mehr. Die Politik in der Stadt wurde zuletzt von Grünen, SPD, Linken und Volt dominiert.
Fuchs ist bekennender Fan des Fußball-Zweitligisten Preußen Münster. Die Stadt verlassen hat der 55-Jährige nur für den Job, nicht als Wohnort. „Ich bin stolz, Münsteraner zu sein“, sagte er im Wahlkampf den „Westfälischen Nachrichten“. Fuchs ist Dezernent für Schule, Sport, Kultur und Jugend im Kreis Steinfurt.
Hagen: CDU-Mann will gegen Schrotthäuser vorgehen
Seit fast vier Jahren ist Dennis Rehbein Kreisvorsitzender der CDU in Hagen. Im Wahlkampf hatte er auch das Problem krimineller Geschäftsmodelle rund um Schrottimmobilien und Sozialleistungsmissbrauch angesprochen. Diese Missstände werde er prioritär angehen, hatte der 36-Jährige versichert.
Der Bankkaufmann präsentierte sich zudem als tief verwurzelter Hagener, der seiner strukturschwachen Stadt wieder zu mehr Selbstbewusstsein und einer erstarkten Wirtschaft verhelfen will.
Anders als in vielen Ruhrgebietsstädten mit traditioneller SPD-Dominanz hatte die CDU in Hagen in den letzten zwei Jahrzehnten bei den Stadtratswahlen meist die Nase vorn, so auch 2020 und 2025. Einen eigenen OB-Kandidaten jedoch hatte sie seit 2009 nicht ins Rennen geschickt. Rehbein löst nun den parteilosen Erik O. Schulz ab, der nicht mehr angetreten war.
Reaktionen von Land und Bund
Die SPD hat ernüchtert auf das Ergebnis bei den kommunalen Stichwahlen in Nordrhein-Westfalen reagiert, während sich die CDU zufrieden zeigte. Mit dem Gesamtergebnis der Kommunalwahl sei die SPD „nicht zufrieden“, sagte Landeschefin Sarah Philipp am Montag im Deutschlandfunk. Es habe „Licht und Schatten“ gegeben, an einigen Stellen aber auch „Grund zur Freude“.
Es sei sinnvoll, nun „demütig und in Ruhe“ auf die Ergebnisse zu schauen, betonte Philipp. „Die Kommunalwahl ist für uns mit dem gestrigen Tag nicht abgeschlossen“, fügte die SPD-Landeschefin hinzu.
„Das ist eine schmerzvolle Niederlage, das tut weh“, sagte Philipp mit Blick auf Dortmund. Es müsse nun aufgearbeitet werden, was vor Ort passiert sei. Dennoch habe keine Partei irgendwo ein Rathaus „gepachtet“, betonte Philipp.
SPD-Chef Lars Klingbeil äußerte sich erleichtert über den Ausgang der Stichwahlen. „Die AfD konnte sich in keiner einzigen Stichwahl durchsetzen“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die SPD gewinne mit Köln die größte Stadt zurück und stelle mit insgesamt 13 Oberbürgermeistern weiterhin die meisten in Nordrhein-Westfalen, hob Klingbeil hervor.
AfD-Landeschef Martin Vincentz zeigte sich trotz der Niederlagen bei den Stichwahlen im Ruhrgebiet zufrieden. Die AfD habe „zwar nicht gewonnen“, sei aber „heimlicher Gewinner“, sagte er in einem auf Facebook veröffentlichten Video. In Gelsenkirchen etwa habe sich das gesamte bürgerlich-konserative Lager hinter der AfD versammelt.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erklärte, nach den Stichwahlen stehe einmal mehr fest, dass die CDU Kommunalpartei Nummer eins in Nordrhein-Westfalen sei. Seine Partei sei in wichtigen Städten und im ländlichen Regionen „flächendeckend erfolgreich“.
Der aus Nordrhein-Westfalen stammende Unionsfraktionschef im Bundestag, Jens Spahn (CDU), nannte den Sieg in Dortmund „historisch“. Darüber hinaus werde die CDU nach den Siegen in Düsseldorf, Essen und Dortmund in drei der fünf größten Städte in Nordrhein-Westfalen regieren, hob Spahn in der „Rheinischen Post“ hervor. „Dazu Siege in Aachen, Bonn, Leverkusen, Bielefeld und Hagen sowie beim Landrat in Herford und Lippe“, ergänzte Spahn.
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