Nazem Said Ahmad inszenierte sich gerne als Mäzen. Der libanesische Diamantenhändler und Kunstsammler ließ in seiner Galerie in Abidjan großformatige abstrakte Gemälde ausstellen, veranstaltete Vernissagen und pflegte den Ruf eines Förderers zeitgenössischer Kunst. Doch nach Überzeugung der amerikanischen Justiz dienten seine Räume in der Hauptstadt der Elfenbeinküste als Schaltzentrale für ein globales Geldwäsche-Netzwerk zugunsten der schiitischen Terrormiliz Hisbollah.

Zwischen 2020 und 2022, so die Anklage, soll Ahmad dreistellige Millionenbeträge durch Firmengeflechte in den Libanon geschleust haben. Diamanten und Kunst haben den Vorteil, dass sie sich leicht transportieren lassen und schwer zu bewerten sind. US-Ermittler beschlagnahmten bei Ahmad Gemälde zeitgenössischer Künstler, die als Sicherheiten für Transaktionen dienten.

Der Fall steht exemplarisch für eine Schattenwirtschaft, die immer professioneller wird. Während die Hisbollah im Libanon stark geschwächt ist, bis Ende des Jahres entwaffnet und in eine rein politische Partei umgewandelt werden soll, ist sie in anderen Teilen der Welt erschreckend aktiv.

Ein aktueller Bericht der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und der Forschungsorganisation Counter Extremism Project (CEP) mit dem Titel „West Africa’s Terrorist Challenge“ (Westafrikas Terrorismus-Herausforderung) beschreibt den Westen Afrikas als globales Scharnier der Hisbollah-Finanzierung. Das System funktioniert über Geldwäsche durch Import-Export-Firmen und Devisenbüros. Hinzu kommen Einnahmen aus Drogenhandel, Schmuggel und kriminellen Diamantgeschäften.

So wird etwa Bargeld aus Kokainverkäufen in Westafrika gesammelt, andernorts in Konsumgüter oder Autos investiert, die dann in die Region exportiert werden. Der Erlös wird bar nach Beirut gebracht oder über das informelle Hawala-Transfersystem weitergeleitet. In den USA sei dieses Verfahren unter dem Codenamen „Projekt Cassandra“ gelaufen, schreiben die Autoren des KAS/CEP-Berichts. Die Ermittler dokumentierten, wie die libanesisch-kanadische Bank LCB monatlich Hunderte Millionen Dollar gewaschen haben soll.

Die Auswirkungen auf die Region sind gravierend. Schattenwirtschaft und Korruption verstärken kriminelle Strukturen. Lokale Unternehmen geraten ins Hintertreffen, weil Konkurrenten durch Schmuggelgewinne und illegale Kapitalströme subventioniert werden. Behörden verlieren das Vertrauen der Bevölkerung, weil sie die Geschäfte zumindest dulden oder einige der Beamte selbst Begünstigte der Geldflüsse sind.

Justiz und Finanzaufsicht wirken machtlos, was wiederum dschihadistischen Gruppen in der Region zugutekommt: Wo staatliche Strukturen geschwächt sind, öffnen sich Räume für islamistisch beeinflusste Milizen, die von denselben Schmuggelrouten profitieren. So verstärkt die Hisbollah die Instabilität Westafrikas – ohne je selbst Anschläge in der Region verübt zu haben.

Konkrete Fälle machen diese abstrakte Geldmaschinerie greifbar: So baute Kassim Tajideen, der vom US-Finanzministerium als einer der „größten Hisbollah-Financiers“ bezeichnet wird, in Westafrika ein Firmenimperium auf, das Lebensmittel, Baustoffe und Diamanten vertrieb – und Millionen nach Beirut umgeleitet haben soll. Sein Netzwerk reichte den Erkenntnissen zufolge von Sierra Leone über Angola bis zu Offshore-Firmen auf den Britischen Jungferninseln.

Damit solche Geldflüsse ungestört funktionieren, braucht es politischen Schutz. In Guinea soll der Unternehmer Ali Saade – selbst auf einer US-Sanktionsliste – seinen Geschäftspartnern Zugang zu korrupten Regierungsmitgliedern verschafft haben. Saade und sein Kompagnon Ibrahim Taher sollen zudem ihre Positionen als libanesische Honorarkonsuln genutzt haben, um mit diplomatischen Privilegien Bargeld und Dokumente ohne Zollkontrollen zu transportieren. Die Autoren des KAS-Reports fordern deshalb strengere internationale Regeln für Honorarkonsuln, deren Status immer wieder missbraucht werde.

Tajideen wurde in Marokko verhaftet, in die USA ausgeliefert und zu einer Strafe von 50 Millionen Dollar verurteilt. Seine Brüder Ali und Husayn, ebenfalls auf US-Sanktionslisten, führten Teile des Firmengeflechts weiter.

Ebenso spektakulär war der Fall Mohammad Bazzi in Gambia, einem der einflussreichsten Mitglieder der dortigen Geschäftselite und ein enger Partner des früheren Diktators Yahya Jammeh. Bazzi kontrollierte über Jahre den Treibstoffimport des winzigen Landes, soll seine Nähe zur Präsidialverwaltung genutzt haben, um staatliche Gelder zu veruntreuen. Millionen sollen an die Hisbollah geflossen sein. Im Jahr 2024 wurde er in Rumänien festgenommen und in die USA ausgeliefert, wo er inzwischen wegen Sanktionsumgehung schuldig gesprochen wurde.

Ob die Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bei einem israelischen Luftangriff im September 2024 und die geplante Entmachtung der Miliz im Libanon auch die Strukturen in Westafrika nachhaltig schwächen werden, ist unklar. Manche Analysten prognostizieren das, andere jedoch fürchten eine Intensivierung der Aktivitäten in Afrika, um die Verluste auszugleichen. „Die Gruppe wird voraussichtlich auch auf ihre Unterstützer in Afrika zurückgreifen, um neue Einnahmen zu generieren“, heißt es in dem KAS-Report.

Allein in der Elfenbeinküste leben rund 100.000 Libanesen. In Abidjan, im libanesisch geprägten Viertel Marcory, blieben nach Nasrallahs Tod einige Geschäfte geschlossen, berichtete die französische Zeitung „Le Monde“. Das gleiche gilt für die große schiitische Al-Mahdi-Moschee der Stadt.

Christian Putsch ist Afrika-Korrespondent. Er hat im Auftrag von WELT seit dem Jahr 2009 aus über 30 Ländern dieses geopolitisch zunehmend bedeutenden Kontinents berichtet.

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