Der mutmaßliche Attentäter von Manchester ist nach Angaben der Polizei zum Zeitpunkt der Tat auf Kaution auf freiem Fuß gewesen. Kürzlich sei der 35 Jahre alte britische Staatsbürger syrischer Abstammung wegen Vorwürfen der Vergewaltigung festgenommen worden und dann auf Kaution frei gekommen, teilte die Anti-Terroreinheit der Polizei in Manchester mit. Der mutmaßliche Täter habe eine kriminelle Vorgeschichte, sei der Anti-Terroreinheit aber unbekannt gewesen. Man gehe aber davon aus, dass er von einer „extrem islamistischen Ideologie“ beeinflusst worden sei.
Am Donnerstag, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, hatte ein Angreifer nach Angaben der Polizei vor der Synagoge ein Auto in Menschen gesteuert und dann mit einem Messer zugestochen. Er soll zudem versucht haben, in das Gebäude zu gelangen. Er wurde von der Polizei erschossen. Bei den Getöteten handelt es sich um Mitglieder der jüdischen Gemeinde, zwei Männer im Alter von 53 und 66 Jahren, die aus der Gegend stammten, teilte die Polizei am Freitag mit. Drei weitere Personen wurden noch mit schweren Verletzungen im Krankenhaus behandelt.
Eines der beiden Todesopfer sei möglicherweise durch einen Schuss der Polizei getötet worden. Der Polizeichef von Greater Manchester, Stephen Watson, sagte am Freitag, ein forensischer Gutachter habe vorläufig festgestellt, dass einer der Toten eine Wunde aufweise, die zu einer Schussverletzung passe. Der Angreifer hatte laut Watson bei seiner Tat am Donnerstag aber keine Schusswaffe bei sich. Die einzigen Schüsse in der Umgebung der Synagoge seien von der Polizei abgegeben worden.
Watson sprach von einer „tragischen und unvorhergesehenen Folge der dringend erforderlichen Maßnahmen“ seiner Beamten, die den Täter davon abhielten, in die Synagoge einzudringen. Er ließ offen, ob die Schusswunde die Todesursache war. Auch eines der verletzten Opfer, die sich derzeit im Krankenhaus befinden, habe eine Schussverletzung erlitten, die jedoch nicht lebensgefährdend sei. Die Polizei nehme an, dass sich beide Opfer hinter der Tür der Synagoge befanden, als sie getroffen wurden.
Großbritanniens Premierminister Keir Starmer zeigte sich besorgt über die Sicherheitslage von Jüdinnen und Juden. „Wir müssen es klar benennen, es ist ein Hass, der wieder aufflammt, und Großbritannien muss ihn erneut besiegen“, sagte der Labour-Politiker nach einer Sitzung des nationalen Krisenstabs Cobra in London in einer Ansprache. Einige israelische Politiker äußerten Kritik an seiner Regierung.
Der israelische Staatspräsident Izchak Herzog sagte, in Großbritannien und weiteren Ländern hätten „Fälle von gewalttätigem Antisemitismus ein beispielloses Ausmaß erreicht“. Er legte einen Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg nahe – und betonte: „Die freie Welt kann und darf nicht zulassen, dass der Konflikt zu einem politischen Instrument gegen das jüdische Volk wird.“ Den Opfern sprach er sein Beileid aus.
Der mutmaßliche Täter, ein 35-jähriger Brite mit syrischen Wurzeln, war als Kind ins Land eingereist und bereits 2006 Staatsbürger geworden. Sieben Minuten nach Beginn des Angriffs wurde er von der Polizei erschossen.
Zudem seien zwei Männer im Alter zwischen 30 und 40 Jahren und eine Frau in den Sechzigern im Zusammenhang mit der Tat festgenommen worden, teilte die Greater Manchester Police mit. Sie stehen unter dem Verdacht der Begehung, Vorbereitung und Anstiftung zu Terroranschlägen.
Augenzeuge: Opfer „verblutete auf dem Boden“
Die Polizei lobte die „schnelle Reaktion“ eines Zeugen, der den Angreifer daran hinderte, die Synagoge zu betreten. Ein Augenzeuge erzählte der BBC, er sei zum Zeitpunkt der Tat mit seinem Lieferwagen im Verkehr aufgehalten worden. Er sei von einem „normalen Unfall“ ausgegangen, doch als er sich näherte, habe er einen Mann gesehen, der „auf dem Boden verblutete“.
Der mutmaßliche Angreifer sei mit einem Messer bewaffnet gewesen und habe „auf das Fenster“ eines nahegelegenen Gebäudes „eingestochen“, um hineinzukommen. „Innerhalb von Sekunden traf die Polizei ein, sie gaben ihm ein paar Warnungen, er reagierte nicht, also eröffneten sie das Feuer“, erklärt der Zeuge. Der Mann „begann dann wieder aufzustehen und sie schossen erneut auf ihn“. Ein Video in den sozialen Netzwerken zeigte die Szene.
Direkte Kritik an London kam von Israels Außenminister Gideon Saar: „Ich stehe an der Seite der wunderbaren jüdischen Gemeinde Großbritanniens, die derzeit unter einer schrecklichen Welle des Antisemitismus leidet.“ Britische Behörden hätten dem nichts entgegengesetzt, sagte er. Israel erwarte von der Regierung „einen Kurswechsel“ und „eine konsequente Bekämpfung der grassierenden antisemitischen und antiisraelischen Hetze in Großbritannien“.
Der Ministerpräsident des Landes, Benjamin Netanjahu, drückte seine Anteilnahme aus. „Israel trauert mit der jüdischen Gemeinde in Großbritannien nach dem barbarischen Terroranschlag“, sagte er nach Angaben seines Büros. „Schwäche gegenüber Terrorismus führt nur zu mehr Terrorismus“, warnte er zugleich.
Der britische Oberrabbiner Ephraim Mirvis sagte, der Angriff sei das Ergebnis einer „unerbittlichen Welle von Judenhass“ in Großbritannien. „Dies ist der Tag, von dem wir gehofft hatten, ihn niemals erleben zu müssen, von dem wir aber tief in unserem Inneren wussten, dass er kommen würde“, schrieb er auf der Plattform X.
Innenministerin Shabana Mahmood sagte, der Angreifer sei der Polizei und den Mitarbeitern des Antiradikalisierungs-Programms Prevent nicht bekannt gewesen. Die Polizei ermittelte am Freitag weiter. Drei Verdächtige wurden am Donnerstag unter dem Verdacht festgenommen, die Tat mit vorbereitet zu haben, zwei Männer in etwa dem gleichen Alter wie der Angreifer und eine ältere Frau.
UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte die Tat scharf. „Einen heiligen Ort anzugreifen, den Menschen aufsuchen, um Frieden zu finden, ist besonders niederträchtig“, sagte Guterres einer Mitteilung zufolge. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb auf X, ihre Gedanken seien bei den Opfern, deren Familien und der jüdischen Gemeinde Großbritanniens. Antisemitismus jeglicher Art müsse bekämpft werden, teilte die CDU-Politikerin mit.
Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich besorgt über den Judenhass in Europa. Der Angriff habe erneut die tödliche Dimension von Antisemitismus in Europa gezeigt, sagte Klein der Deutschen Presse-Agentur. „Dass er ausgerechnet am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur stattgefunden hat, offenbart einmal mehr den grenzenlosen Hass des mutmaßlichen Täters.“
Das schnelle Eingreifen der Polizei habe weitere Opfer verhindert, sagte Klein weiter. „Ich begrüße es sehr, dass auch hierzulande die Sicherheitsbehörden seit dem Anschlag an Jom Kippur auf die Synagoge in Halle 2019 an diesem wichtigen Tag jüdische Einrichtungen besonders im Blick haben.“ 2019 hatte ein Rechtsextremist in Halle versucht, in die dortige Synagoge einzudringen. Als dies misslang, ermordete er zwei unbeteiligte Menschen.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.