Schon zu Beginn machte Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek im ARD-Talk „Maischberger“ klar, wie wenig sie von der Regierung hält – und die SPD mache beim „Angriff auf den Sozialstaat“ mit, warf sie ihrem Diskussionspartner, dem neuen SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf, vor. Der widersprach scharf und verteidigte die schwarz-rote Koalition gegen den Vorwurf von „Grausamkeit“.

Reichinnek listete weitere Missstände auf, etwa beim Bürgergeld, bezahlbarem Wohnraum oder die Politik rund um Kinder und Familien. „Es gibt nichts, was sich diese Regierung ins Schaufenster stellen könnte.“ Es fehle an spürbaren Entlastungen und an einer echten sozialen Handschrift.

Klüssendorf verteidigte den Regierungskurs. So habe man bei der angekündigten Senkung der Stromsteuer für alle zuerst „klare Priorität auf den Erhalt der Arbeitsplätze“ gesetzt. Die Entlastung kommt erst nur für Unternehmen, später müsse die Entlastung aber auch „für alle kommen“. „Das ist etwas, das wir dringend noch nachholen müssen“, sagte er.

Dann sprach sich Klüssendorf für eine gerechtere Vermögensverteilung aus: „Die Konzentration von Wohlstand in Deutschland ist mittlerweile auf einem Level, das demokratiegefährdend ist“, warnte er. „Natürlich ist eine gerechtere Besteuerung ein Weg, um da anzugreifen.“ Es ginge dabei nicht um Steuererhöhung, sondern um Steuergerechtigkeit, sagte der SPD-Politiker. Dass sich zuletzt auch Unionsmitglieder offen für eine Reform der Erbschaftssteuer zeigten, freute ihn. Über diese Reform werde daher noch in der laufenden Legislaturperiode entschieden, meinte er.

Anschließend nahm Klüssendorf die Arbeit der schwarz-roten Koalition in Schutz und auch Kanzler Friedrich Merz (CDU): „Er macht außenpolitisch eine gute Figur“, sagte Klüssendorf. Zugleich betonte er, er kämpfe dafür, „dass es nicht auf ewig Koalitionen zwischen Schwarz und Rot gibt“. Doch im Moment brauche es Stabilität: „Was die Leute von uns erwarten, ist, dass wir in der Mitte der Gesellschaft jetzt was zustande bekommen.“

„Ich erwarte von der SPD, dass sie Debatten führt, auch gegen die Union“

Reichinnek hielt dagegen, die Sozialdemokraten versäumten es, soziale Konflikte offensiv auszutragen: „Ich erwarte von der SPD, dass sie Debatten führt, auch gegen die Union.“ So brauche es im Gesundheitswesen eine Bürgerversicherung statt weiterer Kürzungen, forderte die Linken-Fraktionsvorsitzende. Sie sprach von „sozialen Grausamkeiten“, die von der Koalition kämen, etwa bei der Diskussion über die Abschaffung des Pflegegrades 1.

Klüssendorf konterte: „Von Grausamkeiten zu sprechen, wird uns nicht gerecht. Das, was wir in Deutschland tun, ist nach bestem Wissen und Gewissen alles, um Solidarität zu organisieren. Wir haben da in den vergangenen Jahren sehr viel geleistet“. Reichinnek sah das nicht so: „Aber es ist grausam, wenn die Hälfte aller Eltern im Bürgergeld jetzt schon auf Essen verzichtet, damit die Kinder genug haben.“ Klüssendorf blieb ruhig und entgegnete: Über sinnvolle Maßnahmen könne man sprechen, „etwa kostenlose Mittagessen in Schulen und Kitas“. Doch Sanktionen gegen Menschen, „die sich über Monate nicht zurückmelden“, seien keine „Grausamkeit“. Stattdessen müsse da gesagt werden: „Irgendwie passt es nicht, mit dem, was wir an Gemeinschaft von euch erwarten.“

Beim Thema Migration forderte Reichinnek mehr Menschlichkeit und Pragmatismus. „Mir konnte noch niemand logisch erklären, warum das hier unsere Sicherheit erhöht oder dafür sorgt, dass weniger Menschen herkommen“, sagte sie mit Blick auf die Beschränkungen beim Familiennachzug. Die Integration vor Ort in Wohnungen, also nicht in Massenunterkünften, helfe auch bei der Integration in den Arbeitsmarkt, so die Linke-Politikerin. „Was Union und SPD gerade machen, konterkariert das alles, weil man irgendeinen rechten Zeitgeist folgt. Weil man sich nicht traut, dagegenzustellen und zu sagen, diese Menschen gehören hierher. Die wollen wir integrieren und mit ihnen gemeinsam das Land voranbringen.“

Aus den Kommunen komme aber das klare Signal, dass es so „nicht mehr schaffbar“ sei, widersprach der SPD-Generalsekretär. Die europäische Reform des Asylsystem sei ein wichtiger Schritt. Dennoch räumte er ein: „Wir haben viel zu wenig in Integrationsmaßnahmen investiert.“ Das müsse sich ändern, „und das fordern wir auch“.

Friedenstüchtigkeit statt Wehrtüchtigkeit?

Auch bei der Frage nach der Wehrpflicht zeigte sich zwischen den beiden Politikern keine Einigkeit. Reichinnek erklärte, die Linke habe einen Antrag eingebracht, den entsprechenden Passus aus dem Grundgesetz zu streichen. Statt „Wehrtüchtigkeit“ müsse man über „Friedenstüchtigkeit“ reden. Klüssendorf lehnte eine Rückkehr zur Wehrpflicht zwar ebenfalls ab: „Ich finde sie nicht sinnvoll und zeitlich nicht angemessen.“ Er verwies aber darauf, dass sie aktuell inaktiv sei und sich zeige, dass sich „aktuell mehr Freiwillige für die Bundeswehr melden“.

Zum Schluss warnte der SPD-Generalsekretär vor einer neuen „Angstmaschinerie“ in der Sicherheitsdebatte. „Das wird, glaube ich, nicht dem gerecht, was momentan da passiert“, sagte er mit Blick auf die Diskussion um Drohnenabwehr und russische Provokationen. Er habe den Eindruck, es würden „Schreckensszenarien ausgemalt“. Wichtig sei, „die Dinge erst mal einzuordnen“ und zu klären, „welche Drohnen sind das eigentlich?“ Man komme „schnell zu dem Ergebnis, dass ein Abschuss weder ökonomisch noch verteidigungspolitisch sinnvoll ist“.

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