Friedrich Merz hat ihn eingeladen. Persönlich. Und Angela Merkel hatte es während ihrer Amtszeit versucht. Gleich mehrmals. Aber es brachte nichts. US-Präsident Donald Trump ist auf die Angebote der beiden Bundeskanzler von der CDU, nach Deutschland zu reisen, nicht eingegangen.

Dabei hatte man den US-Präsidenten auch damit gelockt, dass er bei dieser Gelegenheit unter anderem den Heimatort seiner Großeltern, Kallstadt in der Pfalz, samt den Geburtshäusern von Großvater und Großmutter besichtigen könnte. Kanzler Merz hatte für seinen Besuch im Juni bei Trump in Washington sogar eine Kopie der historischen Geburtsurkunde von dessen Großvater Friedrich aufgetrieben und im Gepäck. Eine Besuchszusage gab es dennoch nicht. Also hat sich nun der Kallstadter Bürgermeister Thomas Jaworek (CDU) auf den Weg nach Washington gemacht. Und er ist Donald Trump dabei ziemlich nahe gekommen.

Jaworek ist von Beruf Chemiker und ehrenamtlich Bürgermeister des kleinen Winzerdorfes nördlich von Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz. „Aus heiterem Himmel habe ich eines Tages Post aus der Staatskanzlei in Mainz bekommen. Es war eine Einladung, als Mitglied einer Delegation von Ministerpräsident Alexander Schweitzer nach Washington zu reisen“, erzählt Jaworek.

In dem Brief habe nichts von einem persönlichen Treffen mit Trump gestanden. „Ich habe trotzdem nicht lange überlegt und zugesagt“, so Jaworek.

Der SPD-Ministerpräsident Schweitzer hatte den Bürgermeister, der zweimal wiedergewählt wurde und zuvor Beigeordneter mit dem Geschäftsbereich Weinbau und Forsten war, einen „Botschafter wie nur wenige andere“ genannt. Weil aus Kallstadt nicht nur die Trumps stammen, sondern auch die Familie Heinz, die in den Vereinigten Staaten eine Ketchup-Dynastie errichtet hat. Dennoch war die Reise für Jaworek ein diplomatischer Balanceakt. Denn Kallstadt leidet ganz unmittelbar unter der Politik von Donald Trump.

Friedrich Trump, der Großvater von Donald, wanderte 1885 als 16-Jähriger von Kallstadt in die USA aus. Seine spätere Frau Elisabeth lebte als junges Mädchen schräg gegenüber von Friedrichs Geburtshaus, in der Freinsheimer Straße. Ihr Geburtshaus und das von Friedrich Trump stehen noch. Bei einem Besuch in der Heimat lernte Trump seine spätere Frau Elisabeth kennen, sie zogen in die USA. Donald Trump kommt gelegentlich auf die Wurzeln seiner Familie zurück.

„Kallstadt macht einen tough“, sagte Trump mal

Beim G-7-Treffen in Biarritz 2019 hatte er zum Beispiel erklärt, er habe „etwas Deutsches“ im Blut. Was Kanzlerin Merkel sehr amüsierte. In dem Dokumentarfilm „Kings of Kallstadt“ der Regisseurin und Produzentin Simone Wendel von 2014, die in dem Winzerort lebt, sagt Trump: „Kallstadt liebe ich auch.“ Und: „Kallstadt macht einen tough. Das sind starke, aber auch kluge Menschen.“

Aber der US-Präsident sagt auch oft andere, unschöne Dinge über Deutschland. Und noch unschöner für die jeweiligen Bundesregierungen ist die Außen- und Wirtschaftspolitik Trumps. Die Kritik am hohen Exportüberschuss Deutschlands in den Handelsbeziehungen mit den USA etwa oder die Forderungen nach deutlich höheren Verteidigungsausgaben. Die Drohung, US-Truppen aus Deutschland abzuziehen und Europa nicht länger gegen Russland zu verteidigen. Und dann sind da die negativen Auswirkungen seiner protektionistischen Wirtschaftspolitik, die zahlreichen Strafzölle. Die treffen die exportorientierte deutsche Wirtschaft hart, vor allem die Maschinenbauer und die Metallindustrie.

Aber eben auch die Winzer. Und davon gibt es in Kallstadt viele. Das Dorf ist im Vergleich zu den umliegenden Gemeinden wohlhabend. Und die Basis dieses Wohlstands ist der Wein.

Unmittelbare Angehörige Donald Trumps gibt es in Kallstadt nicht mehr, und die Einzige im Ort, die je direkt mit Trump gesprochen hat, ist wohl die Filmemacherin Wendel. Aber natürlich verfolgen auch die Kallstadter die Politik des US-Präsidenten. „Die Meinungen im Ort sind, was die Politik Donald Trumps angeht, nicht viel anders als in anderen Dörfern und Städten: Sie sind geteilt“, sagt Bürgermeister Jaworek diplomatisch. Und noch diplomatischer wird er, wenn man ihn nach seiner Meinung zu Trump fragt: „Ich mache Kommunal-Politik, nicht die große Politik. Das Urteil über den US-Präsidenten wird im Rückblick von nachkommenden Generationen getroffen werden.“ Jaworek sagt aber auch: „In den Dörfern bekommt die große Politik ein Gesicht.“

Er meint damit, dort müssten Kommunalpolitiker für die Folgen der „großen Politik“ geradestehen, dort würden sie unmittelbar von den Bürgern mit den Reaktionen auf Entscheidungen der nationalen Regierungen konfrontiert. Und die dürften in Kallstadt, was die Politik von Donald Trump angeht, vielfach negativ sein.

Der Ort an der Weinstraße hat rund 1250 Einwohner, also nicht viel mehr als zu der Zeit, als Trumps Großvater dort lebte. Es gibt mehr als 2000 Sitzplätze in der Gastronomie und rund 300 Gästebetten. In der Verbandsgemeinde mit acht Ortsgemeinden, von denen Kallstadt eine ist, zahlt der Winzerort die Hälfte des gesamten sogenannten Tourismusbeitrags, also der Abgabe, mit der die Kommunen Tourismuswerbung machen. Das sind pro Jahr 200.000 von insgesamt 400.000 Euro. Kallstadt kann sich das leisten. Der Wein, den die örtlichen Winzer keltern, ist die Grundlage dafür. Noch.

„Die Zollpolitik der US-Regierung hat für die Winzer gravierende Folgen“, sagt Bürgermeister Jaworek. „Sie wirkt sich auf den Weinabsatz aus. Man merkt es noch nicht, das kommt zeitversetzt“, erklärt der 57-Jährige. Der Wein werde in den USA teurer, das drücke auf den Absatz. Der Rahmenvertrag zwischen den USA und der EU vom Juli, der nach den Strafzolldrohungen von Trump geschlossen wurde, sieht vor, dass die meisten Exporte aus der EU bei der Einfuhr in die USA mit 15 Prozent Zoll belegt werden.

Wein und Spirituosen gehören zu den Produkten, für die die Europäer keine Ausnahmen („Wine reprieve“) aushandeln konnten. Die Winzer aus der Pfalz exportieren ihre Weine aber zu einem nicht unbedeutenden Teil, auch in die USA. Für manche Winzer der Region sind die USA nach Deutschland der zweitgrößte Absatzmarkt. Die größeren Weingüter in Kallstadt haben einen Exportanteil von schätzungsweise zehn bis 15 Prozent. Der dürfte angesichts der Zölle zurückgehen.

Im Verlauf der Delegationsreise mit Ministerpräsident Schweitzer und Bürgermeister Jaworek, zu der auch Vertreter aus der Politik, der Wirtschaft und des Kulturbetriebs in Rheinland-Pfalz sowie Wissenschaftler gehörten, ließen es sich Gäste wie Gastgeber erst mal unbeschwert schmecken. Rund 1200 Flaschen Wein, vor allem Weißen, hatten die Rheinland-Pfälzer dabei, davon 120 Flaschen aus Kallstadt. Der wurde unter anderem beim Empfang der Deutschen Botschaft in Washington am Tag der Deutschen Einheit ausgeschenkt. Um 18 Uhr hatte der begonnen. „Kurz vor Ende des Festes war unser Wein restlos ausgetrunken. Für die Durstigen gab es dann aber noch Bier“, sagt Bürgermeister Jaworek.

Über die gemeinsame Vergangenheit und Zukunft von Amerikanern und Deutschen, für die die Geschichte der Familien Trump und Heinz beispielhaft steht, sprachen die Rheinland-Pfälzer mit ihren amerikanischen Gästen. Aber auch über die Wirtschaftsbeziehungen, die Zölle und außenpolitische Themen wie den Beitrag, den Deutschland zur Verteidigung leisten soll.

Im Capitol redeten die Vertreter der Delegation mit dem Republikaner Tom Cole, dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, über das Thema, das derzeit die USA wie kein anderes umtreibt: den Shutdown, den teilweisen Stillstand der Regierungsgeschäfte wegen Budgetstreitigkeiten zwischen Republikanern und Demokraten. Bis kurz vor das Oval Office im Weißen Haus kam Bürgermeister Jaworek, nicht weiter. Sei ja auch nicht geplant gewesen, sagt er. Die US-Hauptstadt habe wegen des Besuchs des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ohnehin einem Hochsicherheitstrakt geglichen, in dem es kaum ein Durchkommen gab.

Und wie stehen nun die Chancen, dass Trump nach Deutschland kommt? „Nicht besser und nicht schlechter als vor unserem Besuch“, sagt Jaworek. Aber eine Überraschung hätte er für den US-Präsidenten, wenn der sich für seine Familie und ihre Wurzeln interessieren würde: In der Kirche existiere noch das Taufgeschirr, das einst für seinen Großvater und die Großmutter genutzt worden sei. Die Großmutter jedenfalls interessierte sich für ihre Heimat bis zum Schluss: Sie feierte in Kallstadt ihren 80. Geburtstag. Das war 1960.

Nikolaus Doll berichtet über die Unionsparteien und die Bundesländer im Osten.

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