• Die Bundesregierung plant ein neues Förderprogramm für E-Autos, um Haushalte mit niedrigem Einkommen zu entlasten.
  • Bundeskanzler Merz lehnt ein striktes Verbrenner-Aus ab 2035 ab und will eine Änderung der Regelung auf EU-Ebene erreichen.
  • Grünen-Chef Banaszak warnt vor einem Aufweichen der bisher geltenden Regel zum Verbrenner-Aus.
  • VDA und IG-Metall fordern flexiblere Regelungen zum CO2-Ausstoß.

Die Bundesregierung will der kriselnden deutschen Autobranche mit neuen gezielten Kaufanreizen für Elektroautos mehr Anschub geben. Unmittelbar vor dem Autogipfel kündigten die Koalitionsspitzen von Union und SPD ein Förderprogramm an, von dem vor allem Käufer mit niedrigeren Einkommen profitieren sollen. Ziel seien "spürbare Vorteile für Verbraucher".

Bis 2029 sollen dafür insgesamt drei Milliarden Euro bereitgestellt werden. Umweltminister Carsten Schneider sprach laut Berichten von einem wichtigen Anreiz für die Hersteller, künftig mehr kleine und bezahlbare Elektroautos anzubieten. Dies sei zugleich ein Beitrag zu sozial gerechtem Klimaschutz. Die genauen Ausgestaltungsmodalitäten des Programms sind bislang noch offen.

Merz zum Verbrenner-Aus: "Einen harten Schnitt 2035 wird es nicht geben"

Bundeskanzler Friedrich Merz stellte sich klar gegen ein Verbrenner-Aus ab dem Jahr 2035: "Einen harten Schnitt 2035 darf es nicht geben", sagte der CDU-Vorsitzende im Anschluss an den Auto-Gipfel. Er werde sich in der EU für eine Änderung der bisherigen Regelung einsetzen.

Merz betonte, Elektroantriebe seien "die Hauptstraße, auf der gefahren wird". Es sei aber richtig, dass es Zeit für die Markteinführung brauche. Der Kanzler machte deutlich, er ermutige die Unternehmen, auch andere Formen klimaneutraler Antriebe voranzutreiben.

Auch Vizekanzler Lars Klingbeil zeigte sich für Änderungen am geplanten Verbrenner-Aus in der EU. "Ich hab es gerade gesagt, wir werden innerhalb der Bundesregierung dafür schnelle Entscheidungen treffen müssen", sagt der SPD-Co-Chef nach dem Auto-Dialog.

Kritik von den Grünen

Für den EU-Markt gilt eine 2022 gefundene Regelung, dass ab 2035 keine neuen Autos mit Benzin- oder Dieselmotor mehr zugelassen werden sollen. Die Bundesregierung kann die EU-Regeln daher nicht im Alleingang ändern. Erst muss die EU-Kommission eine Gesetzesänderung auf den Weg bringen. Es wird erwartet, dass die Behörde dies bis Ende des Jahres macht.

Grünen-Chef Felix Banaszak warnte davor, das Ende für Autos mit Verbrennungsmotor aufzuweichen. Banaszak sagte MDR AKTUELL, die Expertise im Verbrenner-Bereich sei keine Stärke, sondern das große Problem der deutschen Automobilindustrie. Während China in Elektromobilität investiert habe, hätten die Deutschen gehofft, dass es so weitergehe wie bisher. Heute gebe es auf dem Markt kein einziges deutsches Elektroauto für 20.000 Euro. Die Frage sei, ob man diese Entwicklung fortsetzen oder in die Zukunft denken wolle.

Mehr Flexibilität bei den CO2-Vorgaben

Die Präsidentin des Branchenverbands VDA, Hildegard Müller, und IG-Metall-Chefin Christiane Benner sprachen sich für flexiblere Regelungen zum CO2-Ausstoß aus. Dabei sei es wichtig in Richtung Brüssel mit einer Stimme zu sprechen.

Der Schwerpunkt in Sachen CO2-Reduzierung müsse die Ausweitung der Elektromobilität sein, sagte Müller. Notwendig seien aber Möglichkeiten zur Flexibilisierung – zum Beispiel im Hinblick auf Plug-in-Hybride und Range-Extender, also Kombinationen von Elektro- und Verbrennungsmotoren. Auch Verbrenner mit zunehmend klimaneutralen Kraftstoffen könnten einen Beitrag leisten. Strafzahlungen beim Verfehlen von CO2-Grenzwerten müssten angesichts der schwierigen Lage der Autoindustrie unbedingt vermieden werden.

Proteste vor dem Kanzleramt

Während im Bundeskanzleramt der Autogipfel stattfand, demonstrierten Umweltorganisationen vor dem Gebäude gegen die Automobilpolitik. Greenpeace blockierte mit beschrifteten Autos zeitweise die Zufahrt. Fridays for Future forderte auf einem Plakat, dass am Verbrenner-Aus festgehalten wird. Die Polizei war mit mehreren Beamten vor Ort.

Aktivisten von Fridays for Future fordern, dass am Verbrenner-Aus festgehalten wird.Bildrechte: picture alliance/dpa | Fabian Sommer

Branche unter Druck

Auch Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research in Bochum sagte, die Politik müsse aufhören, ständig Debatten über eine Abkehr vom Aus für neue Verbrenner zu führen: "Das verunsichert Industrie und Kunden".

Die stark exportorientierte deutsche Autoindustrie mit 770.000 Beschäftigten und 540 Milliarden Euro Jahresumsatz steckt in einer schwierigen Phase. Die Branche hat mit einer Absatzflaute, wachsender Konkurrenz aus China und Problemen beim Wandel zur Elektromobilität zu kämpfen. Dazu kommen EU-Klimaschutzvorgaben für weniger CO2-Emissionen und Zölle für den US-Markt. Viele Firmen meldeten Gewinneinbrüche, fahren Sparkurse und streichen Stellen. Zuletzt wurde ein einwöchiger Produktionsstopp bei VW in den Werken in Zwickau und Dresden verkündet. Grund ist laut dem Unternehmen die schwache Nachfrage nach Elektrofahrzeugen – in beiden Werken werden nur E-Autos gebaut.

In Deutschland würden pro Jahr weniger als drei Millionen Autos verkauft, sagte Branchenexperte Dudenhöffer. Weltweit seien es mehr als 80 Millionen. Daher sei die Position am Weltmarkt entscheidend für die Zukunft. Notwendig sei eine langfristige Innovationsstrategie.

Zu wenig E-Autos in Deutschland

Seit Jahresbeginn wurden mehr rein batterieelektrische Pkw neu zugelassen. Laut dem Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller liegt ihr Marktanteil der ersten neun Monate des Jahres bei rund 18 Prozent. Das reiche nicht, um Ziele beim Ausstoß des klimaschädlichen CO2 zu erreichen. Das oft genannte politische Ziel von 15 Millionen E-Autos in Deutschland bis 2030 scheint in weiter Ferne zu sein. Laut Kraftfahrt-Bundesamt lag der Bestand reiner E-Autos bei 1,65 Millionen – bei insgesamt 49,3 Millionen Pkw.

dpa/AFP/Reuters (jst)

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