Aus Sicht der Deutschen ist die Gesellschaft gespalten. 81,5 Prozent der Befragten haben im Polarisierungsbarometer des Mercator Forum Migration und Demokratie an der TU Dresden (MIDEM) so abgestimmt. Nur sieben Prozent nehmen keine Spaltung wahr. Das berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

Studienleiter und MIDEM-Direktor Hans Vorländer sieht in dem Befund die öffentliche Diskurslage gespiegelt. „Von Spaltung und Polarisierung ist überall und tagtäglich die Rede. Tatsächlich ist die Lage etwas differenzierter zu sehen. Es gibt Themen, die spalten, und solche, wo die Unterschiede nicht so groß und die Meinungslager nicht so festgefahren sind.“

Das stärkste Maß an ideologischer Polarisierung betreffe Klimaschutzmaßnahmen und Hilfe für die Ukraine. Zusammen mit dem Thema Zuwanderung sei hier auch die höchste „affektive Polarisierung“ festzustellen. Ideologische Polarisierung betrifft inhaltliche Meinungsunterschiede, affektive Polarisierung die emotionale Abwertung Andersdenkender.

Im Zuge der Umfrage wurden fünf Themenfelder abgefragt: Zuwanderung, Sicherheit, Klimaschutz, Wirtschaft und Soziales sowie Wertvorstellungen.

Zuwanderung

Die größte Spaltung nehmen die Befragten bei der Zuwanderung wahr. In diesem Bereich würden andere Meinungen kaum akzeptiert werden. Ein Blick auf die Umfragewerte zeigt: Insgesamt zwei Drittel (Skalenwert 6-10 in der unten stehenden Grafik) sprechen sich dafür aus, die „Zuzugsmöglichkeiten für Ausländer“ weiter einzuschränken. In den zum Vergleich herangezogenen EU-Ländern sind es 28 Prozent. 40 Prozent der Befragten in Deutschland fordern eine umfassende kulturelle Anpassung von Migranten, 47 Prozent halten Spracherwerb und Rechtstreue für ausreichend.

Geht es nicht um Ausländer, die finanzielle Hilfe beanspruchen, sondern um Fachkräfte aus dem Ausland, sieht das Stimmungsbild anders aus. Die Deutschen zeigen sich da aufgeschlossen und stimmen mit mehr als 60 Prozent für Zuzugserleichterung (Skalenwert 0-4 in der Grafik)

Klimaschutz

Stark entgegengesetzte Meinungslager und eine hohe emotionale Aufladung werden beim Thema Klimaschutz deutlich. 41,6 Prozent der Befragten (Skalenwert 6-10 in der unten stehenden Grafik) tendieren zu der Ansicht, die aktuellen politischen Maßnahmen gingen noch nicht weit genug. Demgegenüber stehen 39,6 Prozent (Skalenwert 0-4), die die Maßnahmen schon als zu weitreichend empfinden.

Die Umfrage zeigt ebenfalls, dass mehr Menschen auch dann dem Wirtschaftswachstum Vorrang geben, wenn dies zulasten der Bekämpfung des Klimawandels geht, als andersherum. Für Vorländer ein Zeichen, wie sich die Zeiten geändert haben. „Es kommt erst mal darauf an, dass die Wirtschaft brummt. Überspitzt gesagt: lieber Verbrennerautos länger laufen lassen.“

Umgang mit sexuellen Minderheiten

Wird genug gegen die Diskriminierung sexueller Minderheiten unternommen? Laut Umfrage findet die Mehrheit, dass mehr getan werden müsste. 30 Prozent sagen hingegen: Die Maßnahmen gehen zu weit.

Regenbogenflagge

Beim Thema Regenbogenflaggen an öffentlichen Orten gibt es etwas mehr Gegner (38,1 Prozent) als Befürworter (32,9 Prozent). Knapp 21 Prozent entschieden sich für die neutrale Mitte.

Wer polarisiert besonders?

Nach den Ergebnissen der Studie sind ältere Menschen, Männer und Geringverdiener besonders stark affektiv polarisiert. „Auffällig: Wer sich politisch klar ‚links‘ oder ‚rechts‘ verortet, ist stärker polarisiert – am rechten Rand allerdings deutlich stärker. Besonders ausgeprägt ist die emotionale Ablehnung Andersdenkender bei Anhängern von AfD und Grünen – zwei Lager, die sich in dieser Haltung ähneln“, hieß es. Bei CDU/CSU-, SPD- und FDP-Unterstützern blieben die Werte deutlich niedriger.

Auf die Frage, was Politiker aus der Studie mitnehmen können, sagt Vorländer der FAZ: „Verbal abrüsten, um die Sache ringen, den Empörungsunternehmern nicht in die Polarisierungsfalle gehen, Probleme lösen und um Zustimmung werben – auch dann, wenn es Mut erfordert, weil die Zeitenwende in vielen Feldern Veränderungen erfordert.“

Das Meinungsforschungsinstitut Yougov hatte zwischen dem 12. und 27. Februar, rund um die Bundestagswahl, online knapp 4400 Personen befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Insgesamt umfasst das Polarisierungsbarometer acht EU-Staaten (34.000 befragte Menschen), die aktuelle Auswertung legt aber den Fokus auf Deutschland.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.