Der Friedensdeal im Nahen Osten war erst wenige Tage alt, als Donald Trump seine Augen bereits auf den nächsten Preis richtete: den Ukraine-Krieg. „Lasst uns jetzt auf Russland fokussieren“, sagte er bei seiner Rede vor dem israelischen Parlament am Sonntag, in der er seinen Vermittlungserfolg zwischen Jerusalem und der Terrororganisation Hamas feierte.
Am Donnerstag telefonierte Trump mit Russlands Präsident Wladimir Putin und verabredete neue Treffen. Zunächst sollen sich Delegationen beider Länder treffen, die US-Seite wird angeführt von Außenminister und Sicherheitsberater Marco Rubio. Anschließend will sich Trump selbst mit dem Kreml-Chef in Budapest treffen – „wahrscheinlich in den nächsten zwei Wochen“, wie er am Donnerstag bekannt gab. An diesem Freitag wird Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus empfangen.
Trump will das Momentum seines Erfolgs im Nahen Osten nutzen, um nun den Ukraine-Krieg zu beenden. Auch Kiew hofft darauf. Die anstehenden Gespräche Trumps bringen wieder Bewegung in den Prozess. Eine Veränderung der grundlegenden Machtbalance zwischen Russland und der Ukraine, die eine Voraussetzung für einen Durchbruch wäre, gab es jedoch bislang nicht.
Darüber darf auch nicht hinwegtäuschen, dass Donald Trump rhetorisch in den vergangenen Monaten eine 180-Grad-Wende hingelegt hat. Hat er im Februar während des aus dem Ruder gelaufenen Besuchs Selenskyjs im Oval Office dem Ukrainer noch vorgehalten, „keine Karten in der Hand zu haben“ und den Krieg unweigerlich zu verlieren, scheint Trump das heute anders zu sehen.
Nicht nur erklärte er selbst, dass Kiew das Zeug habe, sein Territorium zurückerobern zu können. Er scheint auch erkannt zu haben, dass es Russland ist, das einem Waffenstillstand im Wege steht. Auch Verteidigungsminister Pete Hegseth ließ das diese Woche durchblicken: Der ehemalige Fox News-Moderator war bislang nie mit freundlichen Aussagen gegenüber westlichen Verbündeten aufgefallen, geschweige denn gegenüber der Ukraine. Am Mittwoch nahm er aber überraschend erstmals an einer Sitzung der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel teil und bezeichnete Russlands Gebaren erstmals als „Aggression“. Man sei sich darüber im Klaren, so Hegseth, dass „die effektivste Abschreckung dagegen eine kampfbereite ukrainische Armee“ sei.
„Kosten für Russland in die Höhe treiben“
Zwar hat die Trump-Regierung damit auf die Realität reagiert, dass es Putin ist, der den US-Präsidenten nach dem Gipfel in Alaska auflaufen ließ und dessen Bemühungen für ein trilaterales Treffen mit Selenskyj – und damit für einen Waffenstillstand – ignorierte. Um seinen Erfolg in der Ukraine zu replizieren, müsste Trump jedoch noch einen Schritt weitergehen.
„Im Nahen Osten hatte Trump den Vorteil, dass sein Partner die stärkere Partei war“, sagt der Ex-Marineoffizier und langjährige militärpolitische Berater des republikanischen Senators John McCain, Mark Montgomery, bei einer Podiumsdiskussion des Washingtoner Thinktanks Foundation for Defense of Democracies (FDD). Letztendlich war es Trumps Druck auf Israels Premier Benjamin Netanjahu, in seinen 20-Punkte-Plan einzuwilligen, der einen Deal möglich machte. Denn das signalisierte den arabischen Partnern, dass es sich jetzt lohnt, Druck auf die Hamas auszuüben.
Im Fall des Ukraine-Kriegs müsse Trump diese Strategie adaptieren. „Er ist der Präsident der mächtigsten Nation und könnte die Kosten für Russland so in die Höhe treiben, dass es an den Tisch kommt“, so Montgomery.
Trump signalisierte zunächst, dass er gewillt ist, das zu tun. „Wenn dieser Krieg nicht beendet wird, werde ich ihnen Tomahawks schicken“, sagte er am Sonntag. Die Marschflugkörper haben eine Reichweite von bis zu 2500 Kilometern und würden Kiew in die Lage versetzen, Schläge bis tief innerhalb Russlands durchzuführen. Die Ukraine scheint derzeit sehr erpicht darauf zu sein, eine Zusage für eine Lieferung zu erhalten.
Doch in US-Militärkreisen herrscht Skepsis, dass eine Tomahawk-Lieferung das richtige Druckmittel ist. Erstens müsse die Zielprogrammierung durch US-Soldaten erfolgen, da diese ausgesprochen kompliziert sei. Ein Schritt, zu dem man sich im Zweifel durchringen könne.
Ein größeres Hindernis sei allerdings die Logistik des Abschusses. Die USA schießen ihre Tomahawks entweder von Schiffen oder Flugzeugen ab. Keine dieser Fähigkeiten habe Kiew. Bleibt der Ukraine also nur noch ein landgestützter Abschuss, der am Mangel von entsprechenden Abschussrampen scheitern dürfte. Das US-Militär verfüge nur über wenige Exemplare. Die USA könnten ihre eigenen Vorräte nicht „entleeren“, sagte der Präsident am Donnerstag.
Eine weitere Hürde sei die Gefahr, dass US-Technologie in russische Hände fällt. Schließlich stellten die Tomahawks einen hoch technisierten Marschflugkörper dar, dessen Überreste im Falle einer verfehlten Explosion Russland Aufschluss über seinen Erfolg geben könnten. „Bis man all diese Probleme gelöst hat und der Tomahawk lieferbereit ist, ist der Krieg vorbei“, sagt ein Militär WELT.
Verbindung zu Arabern nutzen
Trump solle sich deshalb auf andere Mittel konzentrieren, die den Druck auf Putin erhöhen würden, fordert Andrew Bain, Direktor des Ukraine Freedom Fund. „Der Präsident könnte seine Verbindung zu den Arabern nutzen und den Ölpreis. Zusammen mit signifikanten Sanktionen gegen Russland würde das Putin in die Enge treiben“, sagt er bei der Diskussion des FDD.
Außerdem könnte Trump Druck auf diejenigen Länder ausüben, die noch Öl und Gas aus Russland beziehen. Bislang hat Washington nur sekundäre Zölle gegen Indien erhoben. Auf chinesische Importe erhöhte Trump erst kürzlich die Zölle, jedoch aus anderen Gründen.
Bleiben noch signifikante Abnehmer russischer Rohstoffe in Europa. Ungarns Premier Viktor Orbán, demgegenüber Trump in Ägypten erklärt hat, dass er ihn „liebt“, erklärte bislang jedoch, nicht auf russische Energie verzichten zu wollen.
Auch gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan forderte Trump bei dessen Besuch in Washington Ende September direkt, auf russisches Öl zu verzichten. Eine Forderung, die Ankara ablehnt. „Das ist für uns überlebenswichtig“, sagte der türkische Handelsminister Ömer Bolat auf Nachfrage von WELT bei einem Pressegespräch mit deutschen Journalisten Anfang Oktober in Istanbul.
Trump steht damit vor einer Schwierigkeit. Selenskyj lässt keine Gelegenheit aus, seine Bereitschaft für einen Frieden zu betonen. Das dürfte er auch am Freitag im Oval Office wieder tun. Um jetzt Putin an den Verhandlungstisch zu bekommen, muss Trump also den Druck auf den Kreml-Chef erhöhen. Und dafür „muss er selbst ins Risiko gehen“, sagt Ex-Marineoffizier Montgomery.
Sobald Trump Kiew weitere Waffen liefert oder er die Sanktionen signifikant verschärft, wird es auch sein Krieg werden.
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