Lange vor seiner Wiederwahl im November 2024 hatte Donald Trump versprochen, Russlands Krieg in der Ukraine „binnen 24 Stunden“ zu beenden. Seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus war dieser Ankündigung wenig Substanzielles gefolgt.
Zwar schaltete sich Trump intensiv in den Konflikt ein, empfing den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj dreimal in Washington, telefonierte stundenlang mit Russlands Machthaber und traf sich mit diesem in Alaska. Doch während Trump offen Druck auf Kiew ausübte, scheute der Republikaner vor einer harten Linie gegenüber Putin immer wieder zurück. Er setzte weder die direkte Militärhilfe seines Vorgängers an die Ukraine fort, noch verhängte er wie Joe Biden Sanktionen gegen Moskau.
Das sollte sich am Mittwoch ändern. „Ich hatte einfach das Gefühl, dass es an der Zeit war. Wir haben sehr lange gewartet“, erklärte der US-Präsident seine Entscheidung für Strafmaßnahmen gegen Russland bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte. „Heute ist ein großer Tag. Wir verhängen enorme Sanktionen gegen große Ölfirmen“, so Trump.
Dem Treffen war eine Ankündigung durch US-Finanzminister Scott Bessent vorausgegangen, dass sein Ministerium eine „spürbare Verschärfung“ verhängen werde. Wenig später veröffentlichte Bessent eine Mitteilung mit dem Titel „US-Finanzministerium sanktioniert große russische Ölfirmen und fordert von Moskau Einwilligung zu sofortiger Waffenruhe“. Die Sanktionen richten sich gegen die russischen Staatskonzerne Rosneft und Lukoil. Außerdem sind Tochterunternehmen der beiden Konzerne in Russland betroffen.
Die Strafmaßnahmen seien eine Konsequenz „des mangelnden ernsthaften Engagements Russlands für einen Friedensprozess zur Beendigung des Krieges in der Ukraine“, heißt es in der Mitteilung. Die Maßnahmen erhöhten „den Druck auf den russischen Energiesektor und beeinträchtigen die Fähigkeit des Kremls, Einnahmen für seine Kriegsmaschinerie zu erzielen“. Die US-Regierung wolle sich weiter für eine friedliche Beilegung des Krieges einsetzen. Doch hänge ein dauerhafter Frieden „vollständig von der Bereitschaft Russlands ab, in gutem Glauben zu verhandeln“.
Forderung nach einer Waffenruhe
Die Sanktionen könnten Putins Kriegskasse empfindlich treffen. Ölexporte machen rund ein Drittel des russischen Haushalts aus. Zwar wirken Sanktionen nur langsam, sie werden oft völlig unzureichend kontrolliert. Zudem hat Moskau unzählige Wege und Partner zu deren Umgehung gefunden.
Aber die Entscheidung für Sanktionen ist ein Zeichen dafür, dass Trump die Geduld verliert. Ein weiteres Signal ist, dass der US-Präsident beim Auftritt mit Rutte eine Waffenruhe forderte. Nach dem Alaska-Gipfel war Trump plötzlich von dieser Forderung abgerückt – auf Drängen Putins.
Noch in der vergangenen Woche hatte Trump erneut den Schwenk zugunsten Putins vollzogen. Einen Tag bevor der ukrainische Präsident Selenskyj ins Weiße Haus kommen sollte, kündigte Trump ein Treffen mit Putin in Budapest an. Er habe zweieinhalb Stunden mit dem Russen telefoniert und vereinbart, sich in Budapest zu treffen, „um zu sehen, ob wir diesen ,unrühmlichen‘ Krieg zu Ende bringen können“.
Am Tag danach bekam Selenskyj im Weißen Haus nicht nur keine Zusage auf erhoffte Waffen. Trump beschied ihm auch, dass er sich für den Preis eines Friedens mit Gebietsabtretungen abfinden müsse – obwohl der US-Präsident eine Woche zuvor noch erklärt hatte, die Ukraine könne womöglich das gesamte von Russland besetzte Territorium zurückerlangen.
Lawrows Affront gegen Trump
Die Achterbahnfahrt setzte sich zu Beginn dieser Woche fort. Nun wiederum erteilte Russlands Außenminister Sergej Lawrow Trump eine Abfuhr. Washingtons Forderung, dass die Kriegsparteien den Konflikt an den aktuellen Frontlinien einfrieren sollten, sei inakzeptabel, verlautete aus dem Kreml. Moskaus Position bleibe „unverändert“. „Ein sofortiger Waffenstillstand in der Ukraine würde nur eines bedeuten: Der größte Teil des Landes würde unter Nazi-Herrschaft bleiben“, erklärte Lawrow.
In Washington wurde gerätselt, wie der US-Präsident auf diesen Affront reagiert. Am Mittwoch schlug Trump mit seiner Ankündigung von Sanktionen zurück. Der einflussreiche Senator und Trump-Vertraute Lindsey Graham bejubelte den Schritt. „Ich bin sehr dankbar, dass Finanzminister Bessent den russischen Ölsektor mit neuen Sanktionen hart trifft, da Putin keine Anzeichen zeigt, das Blutvergießen in der Ukraine beenden zu wollen“. Die Ukraine habe Trumps Vorschlag für einen sofortigen Waffenstillstand an der Kontaktlinie zugestimmt. Russland hingegen habe diesen abgelehnt und seither erneut massive Angriffe auf die Ukraine gestartet.
Wie effektiv und permanent die Sanktionen sind, muss sich zeigen. Der „Dealmaker“ Trump wird sie möglicherweise nur kurzfristig als Druckmittel benutzen, um Putin zu Verhandlungen zu bewegen. „Es hat zuletzt zu viele Wendungen gegeben, als dass man Vertrauen in einen Wendepunkt haben kann. Kurzzeitig scheint es, dass sich die US-Politik gegenüber Russland verschärft, schon folgt eine neuerliche Wende“, warnt der Ukraine-Experte des Council on Foreign Relations, Paul Stares, im Gespräch mit WELT.
Auch andere Verbündete Kiews legen eine schärfere Gangart ein. Vor einer Woche bereits hatte Großbritannien Sanktionen gegen Rosneft und Lukoil verhängt. Am Donnerstag will die Europäische Union ein neues Sanktionspaket beschließen, das ein Importverbot für Flüssigerdgas vorsieht. Verkündet wurde der Schritt bereits am Mittwochabend. Das Paket soll Moskau weiter von Energieeinnahmen abschneiden und Putin zu Verhandlungen zwingen.
Stefanie Bolzen berichtet für WELT seit 2023 als US-Korrespondentin aus Washington, D.C. Zuvor war sie Korrespondentin in London und Brüssel.
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