Sahra Wagenknecht ist sauer. Die BSW-Vorsitzende rät dem Vorsitzenden des Wahlprüfungsausschusses des Bundestags, Macit Karaahmetoglu (SPD), gar, über einen Rücktritt nachzudenken. „Wenn der Vorsitzende mit seinen Aufgaben überfordert ist, sollte er sein Amt an einen geeigneteren Abgeordneten übergeben. Mit diesem Spiel auf Zeit verstößt der Ausschuss immer eklatanter gegen die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts“, sagte die BSW-Vorsitzende, nachdem Karaahmetoglu ein von Wagenknecht erbetenes persönliches Gespräch abgelehnt hat. „Dass der Vorsitzende noch nicht mal bereit ist, mit uns zu sprechen, und dafür immer neue Vorwände sucht, ist auch eine Ohrfeige für die 2,5 Millionen BSW-Wähler.“

Hintergrund des Streits ist der Wahleinspruch der Wagenknecht-Partei beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestags. Das BSW gibt an, in eigener Recherche mehrere falsche Auszählungen bei der Bundestagswahl im Februar ausgemacht zu haben. Damals fehlten der jungen Partei nur rund 9500 Stimmen zum Erreichen der Fünf-Prozent-Hürde und damit zum Einzug in den Bundestag. Der Wahlprüfungsausschuss prüft derzeit jenen Einspruch. Wann es zu einem Ergebnis kommt, ist noch unklar.

In einem Brief vom 30. September 2025 baten Wagenknecht und die Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali den Ausschussvorsitzenden Karaahmetoglu um ein Gespräch über die Beschwerde des BSW. In einem Brief datiert auf den 16. Oktober, sagt Karaahmetoglu den BSW-Chefinnen allerdings ab. Das Schreiben liegt WELT vor.

Lesen Sie die Absage an BSW-Chefin Wagenknecht hier im Original.

Dies war bereits die dritte erfolglose Bitte der BSW-Spitze um ein persönliches Gespräch, wie die Antwortschreiben Karaahmetoglus aus dem Mai und Juli dieses Jahres, die WELT vorliegenden, zeigen.

Karaahmetoglu bedankt sich in der Absage von Mitte Oktober für das Gesprächsangebot. Der SPD-Politiker schreibt jedoch: „Gleichzeitig bitte ich Sie um Verständnis, dass bereits mit Blick auf das Gebot der Gleichbehandlung der Einspruchsführerinnen und Einspruchsführer im Wahlprüfungsverfahren der Ausschussvorsitzende des Wahlprüfungsausschusses nicht mit einzelnen Einspruchsführerinnen und Einspruchsführern Gespräche außerhalb des im Wahlprüfungsgesetzes vorgesehenen Rahmens führen kann.“ Er gehe davon aus, dass der Prozessbevollmächtigte des BSW dem Ausschuss alle relevanten Informationen übermittelt habe.

Ausschuss „priorisiert“ die BSW-Beschwerde

Zum Einspruch des BSW seien bereits Stellungnahmen der Bundeswahlleiterin sowie aller Landeswahlleitungen eingeholt worden, schreibt Karaahmetoglu weiter. Diese würden nun geprüft. Man behandele den Wahleinspruch der Wagenknecht-Partei „priorisiert“. Karaahmetoglu schließt seinen Brief: „Wie Sie sehen, ist der Wahlprüfungsausschuss also nach wie vor um eine zügige, zugleich aber auch gründliche Prüfung und Beratung Ihres Einspruchs bemüht. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie dem Ausschuss die dafür notwendige Zeit zugestehen.“

Wagenknecht scheint das für vorgeschoben zu halten. Sie kritisiert, dass es bisher noch keine Entscheidung des Ausschusses gibt. „Der Wahlprüfungsausschuss macht seine Arbeit nicht und zögert die Entscheidung über unseren Einspruch endlos hinaus, obwohl die Sachlage längst klar ist: Das Ergebnis war historisch knapp, es gab belegbar systematische Zählfehler zulasten des BSW, und selbst bei viel weniger knappen Ergebnissen wie zuletzt bei der OB-Wahl in Mülheim wurde neu ausgezählt“, sagt die BSW-Chefin WELT.

Im Dezember will das BSW seinen Bundesvorstand neu wählen. Für den Bundesparteitag in Magdeburg soll auf einer Klausurtagung in Berlin am ersten November-Wochenende ein Personalvorschlag erarbeitet werden. Als ersten Kandidaten bestätigte das Parteipräsidium am Donnerstag den Publizisten Michael Lüders, der Vize-Vorsitzender werden soll. Ob Wagenknecht weiterhin der Parteispitze angehören wird, ist noch nicht bekannt.

Politikredakteur Kevin Culina berichtet für WELT über Gesundheitspolitik, die Linkspartei und das Bündnis Sahra Wagenknecht. Er berichtet zudem regelmäßig über Antisemitismus, Strafprozesse und Kriminalität.

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