In einer hessischen Kleinstadt ist ein Streit über das Gendern entbrannt. Anlass ist die neue Feuerwehr-Satzung in Friedrichsdorf bei Frankfurt am Main, in der seit Juli ausschließlich weibliche Bezeichnungen stehen – von „Wehrführerinnen“ bis zu „Stadtbrandinspektorinnen“.
Das Kuriose daran: Umgesetzt wurde die Änderung von Grünen-Bürgermeister Lars Keitel – initiiert wurde sie von der CDU. Aber jetzt sind es die Christdemokraten, die sich über das Ergebnis ärgern.
Doch der Reihe nach: Bis Juli wurden in der Feuerwehr-Satzung der rund 26.000 Einwohner großen Stadt beide Geschlechterbezeichnungen verwendet. So war dort beispielsweise „die Wehrführerin / der Wehrführer“ zu lesen. In einem Paragrafen zu den Rechten und Pflichten „der Angehörigen der Einsatzabteilungen“ hieß es beispielsweise: „Die Angehörigen der Einsatzabteilung haben das Recht zur Wahl der Stadtbrandinspektorin/des Stadtbrandinspektors, ihrer Stellvertreterin/seines Stellvertreters, der Wehrführerin/des Wehrführers, der stellvertretenden Wehrführerin/des stellvertretenden Wehrführers sowie der Mitglieder des Feuerwehrausschusses.“
WELT-Informationen zufolge wollte die örtliche CDU die Satzung an die Mustersatzung des Landesfeuerwehrverbandes Hessen anpassen. Dort wird nur die maskuline Form verwendet, ergänzt um den Hinweis, dass die „genannten Personenbezeichnungen“ alle geschlechtlichen Formen umfassen.
Die CDU-Fraktion brachte schließlich einen Antrag in das Stadtparlament ein, wonach künftig nur noch eine Geschlechterbezeichnung verwendet werden sollte. Dort stellen die Grünen mit elf Sitzen die stärkste Fraktion, die CDU kommt auf zehn Abgeordnete. Der Antrag wurde mit 20 Ja-Stimmen angenommen; es gab zwölf Nein-Stimmen. Bürgermeister Keitel war damit zur Umsetzung gezwungen. Nur entschied er sich nicht, wie viele erwartet hatten, für die männliche Form – sondern für die weibliche.
Grüne: „Die Lösung halten wir für gut“
Keitel teilt WELT mit: „Frauen in der Feuerwehr sind in Friedrichsdorf eine Selbstverständlichkeit. Sie sind bereits seit mehreren Jahren auch in Führungspositionen tätig. Die gewählte Form war eine Möglichkeit, das sichtbar zu machen.“ Dem Hessischen Rundfunk (HR) hatte Keitel zuvor bereits gesagt: „Wenn man diese Formulierungen als Provokation wahrnimmt, dann haben wir in Deutschland aber noch einiges zu tun.“ Insgesamt seien in den vier Freiwilligen Feuerwehren der Stadt 196 männliche und 31 weibliche Einsatzkräfte tätig. Fünf Frauen bekleideten Führungspositionen.
Der Bürgermeister erklärt WELT, dass er bis zur jüngsten Medienberichterstattung kaum Resonanz auf die Änderung der Satzung erhalten habe. „Die Feuerwehr-Satzung ist ein Rechtstext, der in Rechtsfragen zurate gezogen wird. Es ist kein Text, in dem täglich gelesen wird.“ Seit der vergangenen Woche erhalte er aber Zustimmung: „Die meisten Menschen, mit denen ich in den letzten Tagen darüber gesprochen habe, verstehen meine Auswahl und unterstützen die Gleichstellung von Mann und Frau.“
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Daniela Fox, betont, dass die Friedrichsdorfer Feuerwehr „einen beachtlichen Anteil weiblicher Feuerwehr-Angehöriger“ habe. „Darum hielten wir es für mehr als angemessen, wenn in der Satzung weiterhin männliche und weibliche Formen genannt werden.“ Ihre Fraktion habe den CDU-Antrag daher abgelehnt. „Die Lösung, die nun gefunden wurde – Nennung der weiblichen Form, mit dem Hinweis, dass alle mit gemeint ist –, halten wir für gut.“
Die CDU-Fraktion äußert sich auf WELT-Anfrage nicht. Dem HR teilte die Fraktionsvorsitzende Katja Gehrmann mit: „Dass die Verwaltung entschieden hat, ausschließlich weibliche Formen zu verwenden, entspricht nicht der Intention unseres Antrags.“
SPD-Fraktionschefin Birgit Brigl – die Partei ist im Stadtparlament mit vier Sitzen vertreten – erklärt, man habe die Motivation hinter der Änderung der ursprünglichen Satzung ebenfalls nicht nachvollziehen können. „Der Bürgermeister hat den daraufhin gefassten Beschluss nun im Wortlaut umgesetzt und dabei seinen Ermessensspielraum genutzt. Im Übrigen begrüßen wir es sehr, wenn sich Frauen aktiv bei der Feuerwehr engagieren. Es ist ein Teil von Wertschätzung, wenn dies auch sprachlich zum Ausdruck gebracht wird.“
Jan Anlauft von der Friedrichsdorfer Wählergemeinschaft (FWG), die mit sieben Abgeordneten in der Stadtverordnetenversammlung sitzt, sagt: Seine Fraktion habe dem CDU-Antrag im Juli zugestimmt. „Da die Personenbezeichnungen hier nicht näher definiert wurden, obliegt es dem Bürgermeister in Abstimmung mit der Feuerwehr, diese zu spezifizieren“, erklärt er. Zwar hätte auch die maskuline Personenbezeichnung in der Satzung verwendet werden können, doch da die Feuerwehr Presseberichten zufolge mit der weiblichen Form einverstanden sei, habe seine Fraktion keine Vorbehalte gegen die Umsetzung des Bürgermeisters.
Und wie sieht es die Feuerwehr selbst? Der HR berichtet, dass sie mit der Anpassung ihrer Satzung kein Problem habe. Sicherlich sei die Änderung beim Lesen erst mal gewöhnungsbedürftig, zitiert der Sender Stadtbrandinspektor Pino Raguso. „Aber warum nicht auch mal diese Variante wählen?“
Politikredakteur Nicolas Walter berichtet für WELT über gesellschaftspolitische Entwicklungen im In- und Ausland.
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