Der Mann, der für das Weiße Haus so ziemlich alle großen Konflikte in Afrika lösen soll, hat beste Verbindungen zu US-Präsident Donald Trump. Massad Boulos, libanesisch-amerikanischer Geschäftsmann, ist Schwiegervater von Trumps Tochter Tiffany, was im Machtgefüge der aktuellen Administration bekanntlich bisweilen ein wichtigerer Faktor ist als diplomatische Erfahrung. Hinzu kommen die exzellenten Verbindungen des 54-Jährigen in die Vereinigten Arabischen Emirate, die zuletzt mehr Investitionen in Afrika tätigten als China.
Seit Anfang des Jahres ist Boulos Sonderberater für Afrika und Nahost. Und unter ihm ist Bewegung in die Vermittlung im gravierendsten Konflikt des Kontinents gekommen: den Krieg im Sudan. Zumindest, so sagen führende Sudan-Experten wie Alex de Waal vom amerikanischen Forschungsinstitut World Peace Foundation, mehr als unter Trumps Vorgänger Joe Biden. Der hatte die Vermittlung vorrangig der einmal mehr erfolglosen Afrikanischen Union und Regionalverbänden überlassen.
Boulos und US-Außenminister Marco Rubio berücksichtigten endlich konsequent die wichtigste Lehre aus diesem Krieg: Ohne die Golfstaaten gibt es keinen Hebel. Die UN sehen es als weitgehend belegt an, dass die Vereinigten Arabischen Emirate die Miliz RSF finanzieren, trotz entsprechender Dementis.
Ägypten unterstützt derweil den Kriegsgegner der RSF, die sudanesische Armee. Die Mitglieder der sogenannten Quad-Initiative – die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Ägypten – trafen sich in den vergangenen Wochen entsprechend zu zähen Verhandlungen in Washington.
Der anschließend präsentierte gemeinsame Fahrplan sah eine dreimonatige humanitäre Waffenruhe vor, gefolgt von einem dauerhaften Waffenstillstand und einem Übergang zu einer zivilen Regierung. Anstelle einer Antwort der Konfliktparteien gab es einige der schlimmsten Kriegsverbrechen seit Beginn der Kämpfe im April 2023.
Ende Oktober eroberte die RSF al-Faschir, die letzte Großstadt unter Armeekontrolle in der Region Darfur. Die Miliz beherrscht damit ein Gebiet im Westen, dessen Fläche größer ist als Deutschland. Der Sudan ist mittelfristig de facto geteilt.
An einem einzigen Tag wurden in al-Faschir über 1000 Menschen von der RSF getötet. Die Videos massenhafter Erschießungen von Unbewaffneten lösten weltweit Entsetzen aus. Vielleicht das erste Mal in diesem Krieg, der sich im Schatten von Gaza und der Ukraine längst zur größten humanitären Krise der Welt entwickelt hat.
Insgesamt sind bereits bis zu 150.000 Menschen in diesem Krieg gestorben, vor dem 13 Millionen fliehen mussten und in dessen Folge knapp die Hälfte der Bevölkerung auf internationale Hilfe angewiesen ist.
Am Donnerstag stimmte die Miliz dann überraschend dem humanitären Waffenstillstand zu. „Als Reaktion auf die Wünsche des sudanesischen Volkes stimmen die Rapid Support Forces dem von den Quad-Ländern vorgeschlagenen humanitären Waffenstillstand zu, um die katastrophalen humanitären Folgen des Krieges anzugehen und den dringenden Zugang für Hilfe zu ermöglichen“, teilte die RSF mit. Die Miliz bedankte sich ausdrücklich bei den „Quad-Staaten, angeführt von den Vereinigten Staaten von Amerika“.
Eine Reaktion von der sudanesischen Armee steht indes noch aus. Sie hat wiederholt die Entwaffnung der RSF zu einer Bedingung für einen Waffenstillstand erklärt. Nur wenige Stunden vor der Verlautbarung der Miliz hatte Armeechef Abdel Fattah al-Burhan im Staatsfernsehen Rache für al-Faschir angekündigt: „Bald werden wir diejenigen rächen, die getötet und misshandelt wurden, in allen Regionen, die von den Rebellen angegriffen wurden.“
Trumps Sonderberater Boulos ließ sich nach dem Massaker von al-Faschir mit den Worten zitieren, beide Seiten hätten „prinzipiell“ dem humanitären Waffenstillstand zugestimmt, der Fokus liege nun auf „kleinen Details“. Die entscheidende Frage ist jetzt, inwieweit die USA bereit sind, ihren Einfluss auf die internationalen Unterstützer der Kriegsgegner auszuspielen – und damit wichtige Beziehungen zu riskieren.
Emirate haben Zugang zu Rohstoffen in Darfur
Sowohl Ägypten als auch die Vereinigten Arabischen Emirate sind wichtige militärische Verbündete Washingtons im Nahen Osten, beziehen US-Waffen in Milliardenwert. In den Emiraten sind zudem Tausende amerikanische Soldaten stationiert.
Mit der Eroberung von al-Faschir durch die Miliz RSF haben die Emirate Zugang zu den Rohstoffen der Region Darfur – und ein Druckmittel bei Allianzen der Armee mit dem Iran, der sich zuletzt mit Drohnenlieferungen Einfluss im Sudan erkauft hat. Teheran hat die Generäle einem Bericht des „Wall Street Journal“ zufolge im vergangenen Jahr um den Bau einer iranischen Marinebasis am Roten Meer gebeten, an einer der wichtigsten Handelsrouten der Welt.
Bislang blieb das ohne Erfolg. Für den Westen und auch Saudi-Arabien wäre eine solche Genehmigung ein rotes Tuch. Schon vor dem Krieg gewannen Teile der alten islamistischen Netzwerke um den 2019 gestürzten Diktator Omar al Baschir wieder Einfluss innerhalb der Armee.
Genau deren dauerhafte Entmachtung fordert der Quad-Fahrplan – ein Punkt, der im Offizierskorps als Angriff auf ihre Machtstrukturen gilt. Dass zuletzt auch Katar und die Türkei vermehrt zu ihren Unterstützern zählten, vereinfacht die Lage nicht.
So ist ein schmaler humanitärer Korridor vorerst wohl das einzige einigermaßen realistische Ziel. Im ersten Kriegsjahr gab es sechs derartige Vereinbarungen, die sich, wenn überhaupt, als mäßig erfolgreich erwiesen. Aber es ist immerhin die Aussicht auf einen Korridor zur Versorgung der Hungernden. Einen solchen gab es zuletzt vor 15 Monaten.
Christian Putsch ist Afrika-Korrespondent. Er hat im Auftrag von WELT seit dem Jahr 2009 aus über 30 Ländern dieses geopolitisch zunehmend bedeutenden Kontinents berichtet.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.