WELT: Innerhalb der CDU schwelt die Debatte darüber, ob Syrer weiter in ihre Heimat aus Deutschland zurückreisen oder auch abgeschoben werden sollten. Auslöser waren zuletzt Äußerungen von Außenminister Johann Wadephul (CDU), die Kanzler Friedrich Merz mühsam wieder einfangen musste. Haben Sie den Eindruck, dass Merz es zuweilen an Klarheit und Führung mangeln lässt?
Stefan Aust: Zuweilen ist gut! Dieses Wackelige – mal so, mal so – zieht sich bislang durch seine Amtsführung wie ein rot-grüner Gummi-Faden. Dass Politiker vor den Wahlen etwas anderes sagen als nach den Wahlen, ist so ungewöhnlich nicht, da könnte man endlos Beispiele anführen. Aber dass ein Kanzler unmittelbar nach der Wahl, wo die bisherige Politik und damit das Parlament gründlich abgewählt wurde, mit dem noch im Saal befindlichen alten Parlament mal eben die Verfassung ändert, um Schuldenberge aufzunehmen – das mag verfassungsrechtlich noch möglich sein, ist aber verfassungsmoralisch der Sündenfall schlechthin. Davon wird sich Merz auch nicht mehr erholen, zumal er vor der Wahl massiv gegen die Lockerung der Schuldenbremse eingetreten war. Wie er mit den Mega-Schulden auch noch die Grünen reich beschenkt hat, um sie zu seiner Verfassungsänderung zu locken – das werden ihm diese ganz bestimmt nicht voll Dankbarkeit zurückzahlen.
Bei der Migrationspolitik, von der er genau wissen dürfte, dass sie im Wesentlichen zum Wildwuchs der Alternativen geführt hat, überlässt er es seinem Innenminister Dobrindt, sich durch den Dschungel der oft widersprüchlichen deutschen und europäischen Gesetze zu schlagen. Leichte Anspielungen auf das „Stadtbild“, das hierzulande zu links-grünen Moral-Hurricanes führte, sind schon die klarste Aussage, die man von ihm erwarten kann.
Über die Energiefrage wollen wir gar nicht erst reden. Da macht er, garniert von einer Wirtschaftsministerin, die tatsächlich Ahnung von der Materie hat, im Wesentlichen so weiter, wie es Märchenonkel Habeck von Märchentante Merkel übernommen hat. Und auch vor dem europäischen Green Deal duckt er sich, obwohl er inzwischen wissen sollte, dass das Verbrennerverbot dem Verbot der deutschen Automobilindustrie gleichkommt. Stromautos können die Chinesen besser – vor allem, weil es bei denen für die Produktion noch bezahlbaren Strom gibt.
Dass er nun seinen Außenminister Wadephul nur ein kleines Stück zurückflötet, wenn dieser in Syrien Vergleiche mit dem nach dem Zweiten Weltkrieg zertrümmerten Deutschland anstellt, um weiteren „Schutzsuchenden“ eine Einladung ins Gelobte Land zu erteilen, ist ein schwaches Zeichen für einen Regierungschef. Da gäbe es bessere Kandidaten für das wichtige Außenministerium.
WELT: Sie sprachen es an – Klarheit war doch das Markenzeichen im Merz-Wahlkampf. Würde die Regierung besser dastehen, wenn der Kanzler seine angekündigte Linie offensiver fährt? Auch in der erwähnten „Stadtbild“-Diskussion kehrte er erst nach einigem Zögern zu seiner ursprünglichen Haltung zurück.
Aust: Um zu einer funktionierenden Kanzlerschaft und auch Regierung zu kommen, muss endlich mal Klartext gesprochen werden. Das „Stadtbild“ sollte ja nur vorsichtig umschreiben, dass da viele südländisch aussehende junge Männer in den Städten rumhängen und ihren gefährlichen Hobbys nachgehen. Da wäre es besser, klar zu sagen, wie viele Migranten in welchem Alter hier tatsächlich leben und nicht arbeiten, und was man tun kann, um die Zuwanderung zu begrenzen.
Die Bundesrepublik kann mit dem besten Willen nicht alle sozialen Konflikte der Welt lösen, indem sie die Menschen in den deutschen Sozialstaat einlädt. Das ist ebenso naiv wie großmütig – und auf Kosten der eigenen Bevölkerung und des eigenen Sozialstaates. Nur wenn der stabil ist, kann er auch anderen helfen.
WELT: Nun soll der „Herbst der Reformen“ endlich beginnen. Ist das eine letzte Chance für die Regierung, ihr schon angekratztes Image doch noch zu retten?
Aust: Nicht auf das Image der Regierung kommt es an, sondern auf die Tatsachen. Nur, wenn die Regierung die Realität so zur Kenntnis nimmt, wie sie ist, und sich danach verhält, wird sie irgendwann wieder ein ordentliches Image bekommen – und entsprechend Wähler. Anfangen sollte sie damit, künftig keine unsinnigen Geldausgaben mit der Gießkanne weltweit zu verschütten. Den Bundesetat könnte man in drei Tagen von Ballast befreien. Mit der Abschaffung der staatlichen Finanzierung von vielen NGOs sollte man beginnen.
WELT: Eine der Reformen betrifft die Wehrpflicht. Was halten Sie von dem Losverfahren, wenn es um die Musterung von jungen Männern und vielleicht auch Frauen geht? Die Bundeswehr-Führung lehnt es ja ab.
Aust: Die Wehrpflicht ist ja nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt, mit einfacher Mehrheit. Also kann man sie auch mit einfacher Mehrheit wieder einsetzen. Genauso, wie sie war. Und dann langsam wieder aufbauen, statt über alle möglichen neuen Varianten mit oder ohne Frauen oder andere Geschlechter und Losmodelle zu disktutieren. Und den Ersatzdienst gleich mit wieder einführen.
Dann könnte auch das Stadtbild wieder besser werden. Denn man braucht ja nicht unbedingt die deutsche Staatsbürgerschaft, um den Ersatzdienst zu leisten, statt ohne Nichtstun Bürgergeld zu kassieren. Da würden die Städte gleich in doppelter Hinsicht ein besseres Bild bieten: Es würden nicht so viele arbeitsfähige junge Leute sich langweilen – und sauberer wäre es auch. Zur Zeit des Wehrdienstes und des Wehrersatzdienstes arbeiteten im Jahr allein an die Hunderttausend Ersatzdienstleistende in Pflegediensten, die dort dringend benötigt werden.
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