Polen so gefährlich wie Russland, CDU-Politiker Roderich Kiesewetter ein Kriegstreiber wie der russische Ex-Präsident Dimitri Medwedjew und AfD-Politiker, die ähnlich verfolgt würden wie Regime-Kritiker im Kreml: AfD-Chef Tino Chrupalla hat mit seinen Aussagen bei „Markus Lanz“ am Dienstagabend für Unverständnis bei seinen Gesprächspartnern gesorgt.
Im TV-Studio hatte gerade der russische Kreml-Kritiker Wladimir Kara-Mursa, der im Rahmen eines Gefangenenaustauschs im August 2024 freikam, von seiner Zeit in russischer Haft berichtet. Zweimal hat er bereits einen Giftanschlag überlebt. Als Kara-Mursa nach zweieinhalb Jahren im Gefängnis für den Gefangenenaustausch ins Flugzeug nach Ankara gesetzt wurde, habe er zuerst geglaubt, hingerichtet zu werden.
In den vergangenen 25 Jahren habe er mitansehen müssen, wie Putin ein relativ freies Russland in eine Diktatur verwandelte. „Er ist nicht nur Diktator und Besetzer, er ist auch Mörder“, stellte Kara-Mursa klar. Kritiker würden ermordet, Wahlen gefälscht, Kritiker eingesperrt, die Opposition unterdrückt und nicht zuletzt andere Länder überfallen. „Wenn das nicht reicht, was dann noch?“, fragte Kara-Mursa in Chrupallas Richtung.
Natürlich müsse man solche Vorgänge kritisieren, gab ihm der AfD-Chef zunächst recht. Immerhin handele es sich hier um die „Erfahrung eines Russen, der dort gelebt hat“. Doch Russland sei bereits in den vergangenen 100 Jahren eine Diktatur gewesen und habe deshalb „ganz andere Standards“ als Deutschland. Er argumentiere aber aus Sicht eines deutschen Politikers – und erkläre, „was gut ist für Deutschland. Dafür bin ich gewählt worden“.
Kara-Mursa erwiderte, dass Russland zu seiner Jugend ein freies demokratisches Land war, bis Putin an die Macht kam und damit begann, Kritiker einzusperren und die Demokratie „auseinanderzunehmen“. Der AfD-Chef erklärte, dass auch im Westen Menschen unter mysteriösen Umständen in Gefangenschaft sterben – und verwies ausgerechnet auf Sexualstraftäter Jeffrey Epstein, der sich laut Autopsiebericht in seiner Zelle erhängt hat.
„Wissen Sie, dass er ermordet wurde? Warum raunen Sie das?“, wollte Moderator Lanz wissen und wies mit Bezug auf die aktuellen Drohnensichtungen in Europa darauf hin, dass Chrupalla jedes Mal betone, dass es keine Beweise gebe, woher die Drohnen kämen. „Die Bundeswehr hat bislang keine einzige russische Drohne bestätigt“, beharrte der AfD-Chef.
Diktaturen müssten kritisiert werden, so Chrupalla, aber gleichzeitig müssten Gesprächskanäle offengehalten werden.
Jedes Land eine potenzielle Gefahr
Daran, dass die Lage nach 2014 in der Ukraine eskaliert sei, so der AfD-Chef, habe auch Europa Schuld. „Der Westen wie auch Russland hat sich nicht an Vereinbarungen gehalten, also auch der Westen hat Fehler gemacht. Man kann nicht so tun, als ob Russland diese Fehler alleine begangen hätte.“
Natürlich gehe es perspektivisch darum, wieder gute Beziehungen zu Russland zu haben, hielt Moderator Lanz dagegen. Aber: „Es geht darum, was Russland aktuell für ein Land ist unter Putin.“ Wie er also behaupten könne, dass von Russland keine Gefahr für Europa ausgeht, wollte Lanz von Chrupalla wissen. „Mir hat er nichts getan“, antwortete Chrupalla lapidar und schob nach: „Aktuell sehe ich keine Gefahr für Deutschland. Jedes Land könnte eine Gefahr für Deutschland werden.“
Auf den Einwand des Moderators, dass er sich nun in Allgemeinphrasen verliere, wurde Chrupalla konkret: „Nehmen Sie Polen. Natürlich kann Polen eine Gefahr für Deutschland werden.“ Das sehe man gerade an dem mutmaßlichen Nord-Stream-Saboteur, der in Polen in Haft sitzt und nicht nach Deutschland ausgeliefert wird. „Was macht die deutsche Regierung?“, fragte Chrupalla. „Nichts.“
Auf Lanz‘ ungläubige Nachfrage, ob er Polen wirklich als genauso gefährlich für Deutschland wie Russland betrachte, erwiderte der AfD-Chef: „Wir sehen es doch. Die wirtschaftlichen Interessen Polens sind andere als die Deutschlands.“ Aber Aufgabe der Politik sei es, Gefahren entgegenzuwirken und nicht zu eskalieren.
Konfliktforscherin Florence Gaub wies darauf hin, dass Russland aktuell das einzige Land mit Atomwaffen ist, dass Europa regelmäßig mit dem Einsatz von Nuklearwaffen droht. Chrupalla sagte: „Putin hat Deutschland noch nicht einmal mit Atomwaffen gedroht.“
In diesem Zusammenhang verwies Lanz auf die Aussagen von Putin-Sprachrohr Dmitri Medwedjew und dass Chrupallas AfD-Parteikollegen gerade planten, diesen zu besuchen. Chrupallas erklärte: „Jeder hat seinen Kiesewetter, und das ist der Kiesewetter Russlands.“
AfD-Politiker verfolgt wie russische Oppositionelle?
Generell sei Gerhard Schröder (SPD) der „letzte Bundeskanzler gewesen, der deutsche Interessen im Blick hatte“. „FAS“-Journalist Justus Bender wollte wissen, was Chrupalla so sehr mit Russland verbinde.
Der AfD-Politiker verwies auf die „Volksverräter“-Vorwürfe von Jens Spahn (CDU) in Zusammenhang mit Spionagevorwürfen und klagte: „Mittlerweile sind wir hier die Dissidenten!“
Kreml-Kritiker Kara-Mursa zeigte sich fassungslos: „Unsere Oppositionsführer werden ermordet. Wie viele aus Ihrer Partei sind ermordet morden?“
Chrupallas Antwort: „Selbst ich wurde angegriffen und weiß noch nicht, von wem. Ich weiß nicht, ob es der Staat war.“
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