Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) warnt angesichts des Widerstands in der Unionsfraktion gegen das Rentenpaket vor einem Bruch der schwarz-roten Koalition. „Ich würde es nicht verstehen, wenn die Koalition an einem technischen Detail bei der Rente scheitert“, sagte Bas im Interview dem „Tagesspiegel“: „Profitieren würde davon nur eine Partei, nämlich die AfD. Die Jungen in der Union, hoffe ich, wissen das.“
Die SPD-Co-Chefin erklärte, ein Nachgeben gegenüber der Jungen Gruppe werde die Zustimmung der SPD zu strittigen Gesetzen und damit die Handlungsfähigkeit der Koalition gefährden. „Kämen wir jetzt der Jungen Gruppe entgegen, bekämen wir kaum noch ein strittiges Gesetz mit der SPD-Fraktion durch“, sagte sie: „Die würden sich dann ebenso aufbäumen gegen Dinge, die ihnen missfallen. Denn es kann nicht sein, dass immer nur ein Partner nachgibt.“ Der Gesetzentwurf sei „verhandelt und abgestimmt“.
Bas erinnerte an die Zustimmung der SPD zu im Koalitionsvertrag verankerten Projekten der Union. „Bei Fragen, die der Union wichtig waren, die aber für die SPD sehr schmerzhaft waren, hat die SPD-Fraktion gestanden. Das erwarte ich jetzt auch von der Unionsfraktion, das gehört sich so“, sagte sie. In der SPD habe es viel Unmut gegen die Gesetze zu Migration und Familiennachzug gegeben, sogar Tränen. „Wir aber haben sie aus Koalitionsräson mitgetragen“, sagte Bas. „Das erwarte ich jetzt auch von der Union.“
Als Teil eines sogenannten Rentenpakets will die Bundesregierung das Rentenniveau bis 2031 auf dem bisherigen Stand von mindestens 48 Prozent festschreiben. Danach soll dies Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung der Renten sein, was aber die Junge Union ablehnt. Sie spricht von Mehrkosten von rund 120 Milliarden Euro und droht mit einer Blockade des Gesetzes im Bundestag.
Es handele sich bei dem Rentenpaket um einen „Gesetzentwurf der gesamten Bundesregierung“, sagte Bas, der einstimmig im Kabinett verabschiedet worden sei. „Die Behauptung aus Unionskreisen, ich hätte der Koalition etwas untergejubelt, ist falsch. Deswegen gibt es auch keinen Anlass, die Koalition in Frage zu stellen. Mich erschreckt, was da gerade passiert.“
Frei fordert weniger öffentlichen Streit
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) forderte die Koalition indes zu weniger öffentlichem Streit auf. „Natürlich würde ich mich freuen, wenn die Dinge geräuschloser vonstatten gehen“, sagte er dem Magazin „Focus“. „Eine gewisse Frustrationstoleranz innerhalb einer Koalition ist wichtig, und man muss die Dinge immer auch vom Ende her denken.“
Frei verteidigte das Rentenpaket in seiner derzeitigen Form. Es sei „ein gutes Gesamtpaket“ verhandelt worden. Er halte es „für zustimmungsfähig, vor allem weil wir danach in einer Rentenkommission eine breite Reform diskutieren werden“.
Die sozialpolitische Sprecherin der SPD, Annika Klose, äußerte unterdessen Zweifel an der Zuverlässigkeit des Koalitionspartners. „Ich frage mich, ob diese Unionsfraktion überhaupt regierungsfähig ist“, sagte sie der „Zeit“. Viele Sozialdemokraten klagten über verlorenes Vertrauen und mangelndes Verantwortungsbewusstsein bei CDU/CSU.
Für die Fraktionschefin der SPD, Dagmar Schmidt, herrscht sogar bei manchen Teilen des Rentenpakets ein gewisser Zeitdruck. „Was wirklich zeitkritisch ist, sind die drei Unionsanliegen“, sagte die stellvertretende Fraktionschefin der SPD, Dagmar Schmidt, die für Rentenpolitik zuständig ist, im Gespräch mit der „Zeit“. Nach bisherigem Plan sollen Frühstart-, Mütter- und Aktivrente bereits am 1. Januar 2026 starten. „Die Union muss sich bis nächste Woche gerüttelt haben, wenn sie ihre Sachen rechtzeitig durchkriegen will“, sagte sie weiter.
Reichinnek attackiert Union
Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek warf der Union vor, „auf dem Rücken von über 20 Millionen Rentnerinnen und Rentnern einen Machtkampf“ auszutragen. „Sie spielt mit dem Schicksal von Menschen, die gar nicht wissen, was da nächstes Jahr passiert“, sagte Reichinnek in der ARD. Schon jetzt lebe jeder vierte Rentner in Armut.
Als „Panikmache“ bezeichnete die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, das Verhalten der Jungen Union. „Wenn ich den Zeitraum lang genug wähle und alles hochrechne, habe ich am Ende immer eine schwindelerregende Summe“, erklärte Bentele zu den von den jungen Unionsabgeordneten befürchteten Mehrkosten.
„Das Spiel der Jungen Union mit den 120 Milliarden bis zum Jahr 2040 kann man mit jeden Politikbereich machen – seien es Verluste durch Cum-Ex-Geschäfte oder Industriestromsubventionen“, kritisierte die VdK-Präsidentin. „Diese Panikmache wird aber nur bei der Rente oder der Gesundheit gemacht.“
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