Mit seinem jüngsten Versuch, den Ukraine-Krieg zu beenden, hat US-Präsident Donald Trump eine der sensibelsten in Europa laufenden Verhandlungen empfindlich gestört.

Seit Monaten versuchen EU-Beamte – bislang vergeblich – einen Weg zu finden, rund 140 Milliarden Euro an eingefrorenem russischem Staatsvermögen, die größtenteils in Belgien lagern, zur Unterstützung der Kriegsanstrengungen Kiews zu nutzen. Das Geld wird dringend benötigt, da der Ukraine bereits Anfang nächsten Jahres die Mittel auszugehen drohen. Die Gespräche in Brüssel befinden sich nach Angaben von Diplomaten in einer äußerst heiklen Phase.

Doch der neue 28-Punkte-Plan der USA für eine Waffenruhe enthält eine konkurrierende Idee: dieselben Vermögen für amerikanisch geführte Wiederaufbaumaßnahmen zu verwenden, sobald eine Feuerpause vereinbart ist. Die USA würden „50 Prozent“ des Gewinns aus dieser Tätigkeit erhalten, heißt es in dem Dokument.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte, der neue Trump-Plan stelle sein Land vor eine der schwierigsten Entscheidungen seiner Geschichte: die mögliche Wahl zwischen dem Verlust seiner „Würde“ und dem Verlust „eines Schlüsselpartners“.

Mehrere EU-Diplomaten und -Beamte sagten, sie fürchteten, die Vorschläge von Trumps Gesandtem Steve Witkoff würden die Chancen zunichtemachen, dass der Kreditvorschlag von den 27 EU-Regierungen gebilligt wird. Europas Staats- und Regierungschefs hatten gehofft, die Vereinbarung über den sogenannten „Reparationskredit“ auf einem entscheidenden Gipfel im nächsten Monat abschließen zu können.

Die Frage, was mit Russlands eingefrorenem Vermögen passieren soll

Ein ehemaliger französischer Regierungsvertreter, dem wie anderen Gesprächspartnern Anonymität gewährt wurde, nannte die Witkoff-Idee „natürlich skandalös“. „Die Europäer verausgaben sich, um eine tragfähige Lösung zu finden, wie die Vermögen zum Nutzen der Ukrainer eingesetzt werden können, und Trump will daraus Profit schlagen“, sagte die Person. „Dieser Vorschlag wird wahrscheinlich von allen abgelehnt werden.“

Ein ranghoher EU-Beamter in Brüssel spottete über die Idee und merkte an, dass Trump keinerlei Befugnis habe, in Europa eingefrorene Vermögen freizugeben. Ein Vertreter einer EU-Regierung griff zu derben Schimpfwörtern, um seine Bestürzung auszudrücken. Ein führender EU-Politiker sagte: „Witkoff muss einen Psychiater aufsuchen.“

Die Frage, wie Russlands eingefrorene Vermögen genutzt werden können, gehört zu den schwierigsten für die Verbündeten der Ukraine — wegen der rechtlichen, politischen, sicherheits- und wirtschaftlichen Risiken. Der heikelste Punkt ist, dass die Vermögen größtenteils bei einer Abwicklungsstelle in Belgien namens Euroclear liegen, was die Belgier in unverhältnismäßiger Weise den Risiken russischer Vergeltungsmaßnahmen aussetzt.

Die EU-Idee sieht vor, die Vermögen zur Absicherung eines Kredits für die Ukraine zu nutzen, der nur dann zurückgezahlt werden müsste, wenn Russland sich nach Abschluss eines Friedensabkommens bereit erklärt, Kriegsreparationen an Kiew zu zahlen.

Belgien zögert jedoch, dem Plan zuzustimmen, da es befürchtet, finanziell in Haftung genommen zu werden, falls Russland versuchen sollte, die Gelder zurückzufordern. Damit steht Belgien im Widerspruch zu anderen EU-Mitgliedern, die auf schnelleres Handeln drängen.

Am Freitag sagten EU-Diplomaten und -Beamte, sie fürchteten, der neue Trump-Vorschlag werde es noch schwieriger machen, Belgien ins Boot zu holen. Ein Vertreter einer EU-Regierung erklärte, der US-Plan spreche gegen ein Vorpreschen mit dem Reparationskredit, da die EU im Rahmen eines Nachkriegsabkommens unter Druck von Trump geraten würde, die Vermögen freizugeben — was dazu führen könnte, dass europäische Steuerzahler Russland Gelder erstatten müssten.

Ein Diplomat fügte hinzu, die Vorstellung, dass Amerika aus in Europa gehaltenen Vermögen Profit schlagen wolle, klinge ganz nach Trump.

Eingefrorene Vermögen im Fokus

Die Details des amerikanischen Plans sind bei Weitem nicht klar. Aus dem vollständigen Text der 28 Punkte geht jedoch eindeutig hervor, dass die Trump-Administration die eingefrorenen Vermögen ins Auge fasst: 100 Milliarden Dollar sollen „in US-geführte Bemühungen für den Wiederaufbau und Investitionen in der Ukraine“ investiert werden, heißt es in dem Dokument.

„Die Vereinigten Staaten erhalten 50 Prozent des Gewinns aus dieser Tätigkeit. Europa legt weitere 100 Milliarden Dollar dazu, um die insgesamt für die Erholung der Ukraine verfügbaren Investitionen zu erhöhen. Eingefrorene, in Europa gehaltene russische Vermögen werden freigegeben.“

Der Rest der eingefrorenen russischen Vermögen soll in „ein separates US-russisches Investitionsinstrument“ fließen, das für gemeinsame amerikanisch-russische Investitionsprojekte in Sektoren genutzt werden soll, „die die globale Stabilität und gemeinsame wirtschaftliche Interessen stärken“.

Der 28-Punkte-Plan hat in dieser Woche in den europäischen Hauptstädten breite Sorge ausgelöst, Trump bereite sich darauf vor, die Ukraine zu einem ungleichen Friedensabkommen zu drängen, das Wladimir Putin zugutekäme.

Selenskyj sprach am Freitag telefonisch mit den Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs, um ihre nächsten Schritte abzustimmen.

Die Europäer versicherten Selenskyj, sie stünden weiterhin zu einem „gerechten“ Frieden, hieß es in einer nach dem Gespräch veröffentlichten Erklärung. „Sie waren sich einig, dass jede Vereinbarung, die europäische Staaten, die Europäische Union oder die Nato betrifft, die Zustimmung der europäischen Partner oder einen Konsens unter den Verbündeten erfordert“, so die Mitteilung.

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