Friedrich Merz' vierter Auftritt als Regierungschef in einer Generaldebatte fiel, wie erwartet, sehr ernst und staatstragend aus. Im September forderte er noch echte Reformen für Deutschland. Nun gab er sich vor allem Außenpolitiker.
Merz: Deutschland muss sich in Welt voller Bedrohungen behaupten
Deutschland müsse unter schwierigsten geopolitischen und geoökonomischen Bedingungen agieren und sich in einer Welt voller Bedrohungen behaupten. Seine Regierung werde die Verantwortung übernehmen und die Chancen nutzen, versprach der Bundeskanzler. Er verwies dabei auf seine Bemühungen für die digitale Souveränität Europas, auf modernste Technologien und die Hightech-Agenda seiner Regierung.
Es war insgesamt aber keine Rede, um sich aus einem Umfragetief herauszuarbeiten. Es kann auch nicht überraschen, dass viele Unternehmer im Land enttäuscht sind, weil sie sich vom selbst ernannten Wirtschaftskanzler mehr Schwung für die Wirtschaft erhofft hatten. Dass die Reformerwartungen der Menschen überall im Lande größer sind, als die Bundesregierung derzeit erfüllen kann, erkennt auch der Bundeskanzler. Der hatte diese Erwartungen kalkuliert bewusst nach oben getrieben, und entschuldigt sich nun damit, dass die Probleme einfach zu komplex seien.
Fehlendes Vertrauen in die Bundesregierung
Dass derzeit nur ein Viertel der Menschen in Deutschland der Bundesregierung vertrauten, habe vor allem mit Friedrich Merz zu tun, glaubt die Grünen-Politikerin Britta Haßelmann. In der Generaldebatte beklagte die Co-Fraktionsvorsitzende, dass die Fraktion von CDU und CSU komplett unberechenbar sei, weil von Merz null Stabilität ausgehe – und Jens Spahn als Fraktionsvorsitzender überfordert sei.
Tatsächlich sieht es so aus, als ob die Risiken für die Regierung weniger von den rot-schwarzen Kabinettsmitgliedern, sondern von den Fraktionen von SPD und Union ausgehen. Die Streitigkeiten über Wehrpflicht oder Rente sind da nur zwei prominente Beispiele.
Dass CDU-Chef Merz im ersten Durchgang bei der Kanzlerwahl scheiterte, war schon ein erster deutlicher Hinweis darauf, dass die Fraktionen deutlich renitenter als zu früheren Zeiten sind. Ein Grund könnte sein, dass auch bei Union und Sozialdemokraten ein neuer Abgeordnetentypus im Bundestag sitzt: jüngere Leute, die durch ihre Präsenz auf den Sozialen Medien gewohnt sind, schnell eine klare Position zu vertreten. Das macht es für die Fraktionschefs schwerer, die Linie vorzugeben, und die sogenannte Fraktionsdisziplin durchzusetzen.
Jung gegen Alt im Bundestag – die aktuelle Rentendebatte
Ein Beispiel dafür ist die aktuelle Debatte um die Rente. Die sogenannte Junge Gruppe in der Unionsfraktion droht, gegen den bereits vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zu votieren. Ohne diese 18 Stimmen hätte die Regierungskoalition im Bundestag keine Mehrheit.
Hintergrund ist der Streit über die so genannte Haltelinie beim Rentenniveau; vor allem die Frage, wie es nach 2031 weitergeht. Die jungen Unionsabgeordneten warnen vor Mehrkosten von rund 120 Milliarden Euro. Die SPD lehnt neue Verhandlungen über den mit den Unionsministern vereinbarten Vorschlag ab und sieht die Entscheidung bei Friedrich Merz. Nicht nur Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sieht darin eine klassische Führungsaufgabe für den Kanzler, der den Streit mit der Jungen Union angesichts der dramatischen Gesamtlage offensichtlich eher für nebensächlich hält.
Wenn man sich in dieser Welt behaupten wolle, gehe es um mehr als die 48 Prozent Haltelinie bei der Rente, erklärt der Bundeskanzler. Doch wenn er das Problem nicht in den Griff bekommt, könnte seine Regierung ernsthaft in Gefahr geraten. Am Donnerstag wird sich der schwarz-rote Koalitionsausschuss wieder mit dem Thema beschäftigen. Es ist möglicherweise Friedrich Merz letzte Chance, einen Kompromiss zwischen den Rentenrebellen und der SPD zu finden.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.